Schätze der Sammlungen
Der Motorpflug [29.01.18]
Der Motorpflug – auch Motor-Tragpflug genannt – hat seine kurze Blütezeit parallel zu einer der großen Katastrophen des 20. Jahrhunderts: Dem Ersten Weltkrieg. Mehr als 13 Millionen Soldaten kämpfen für Deutschland, knapp 1,8 Millionen von ihnen sterben – Männer, deren Arbeitskraft unter anderem in der Landwirtschaft nun spürbar fehlt.
Auch einen Großteil der Pferde, bis dato die wichtigste Antriebskraft in der Landwirtschaft, raffen Krieg und Hunger dahin. Um die landwirtschaftliche Produktion wieder anzukurbeln braucht es vor allem eines: Mehr Kraft auf den Feldern.
Diese Kraft bringen die Motorpflüge, die aus einem starren Rahmen für die Pflugkörper, zwei Antriebsrädern sowie einem Motor und einem Fahrerstand bestehen. In seiner größten Ausführung hat der Motorpflug eine Leistung von über 90 PS und sechs Pflugschare gleichzeitig, kann also sechs Furchen nebeneinander pflügen – ein einzelnes Pferdegespann schafft gerade mal eine Furche.
Um große Flächen zu bearbeiten, wurden auf Großbetrieben oft mehrere Gespanne eingesetzt. Frank Emmerich vom Deutschen Landwirtschaftsmuseum ordnet ein: „Das war jedoch kostspielig und aufwändig. Technische Lösungen sollten hier Abhilfe schaffen.“
Boom für neue Landtechnik
Einen mächtigen Vorschub für solche technischen Lösungen leistet die Firma Robert Stock: Schon 1910 bringt das Berliner Unternehmen nach zwei Jahren Entwicklung den weltweit ersten Motorpflug auf den Markt. Auf 24 Pferdestärken bringt es der Motor, angebracht vor mannshohen Rädern, um einen fünf Meter langen Rahmen mit dreischarigem Pflug zu ziehen.
1913 stellt Stock bereits stärkere Motorpflüge mit sechs Scharen her. Der Erfolg lässt nicht lange auf sich warten – andere Landtechnikfirmen ziehen nach. 1919 widmen sich deutschlandweit mehr als zwei Dutzend Hersteller dem Bau des Spezialgeräts.
Hohenheim bildet aus
Ein Modell des sechsscharigen Stock-Pfluges ist heute in der Sammlung des Deutschen Landwirtschaftsmuseums zu bestaunen. „Unser Modell zeigt eindrücklich, dass Landwirte in den 1920er Jahren in Hohenheim für die Arbeit mit der schweren Maschine geschult wurden“, weiß Emmerich. „Der Motorpflug war zwar teuer, hatte aber den Vorteil, dass er mit geringer Rüstzeit schnell einsatzbereit war – er musste nicht umständlich umgebaut werden. Trotzdem erforderte sein Einsatz eine spezielle Ausbildung für Landtechniker.
Neben der Schulung, so Emmerich, dienten solche Vorführungen auch wissenschaftlichen Zwecken. „In Hohenheim war man schon immer auf dem neuesten Stand der Technik.“ Hier wurden viele Innovationen eingesetzt, um sie weiter zu entwickeln oder auf ihre Eignung im harten Praxiseinsatz zu prüfen.
Von der Ausbildung an dem innovativen Gerät zeugen heute nicht nur historische Fotos, sondern sogar bewegte Bilder: Ein Film aus der Mitte der 1920er Jahre zeigt einen Motorpflug auf einem Feld der Universität im Einsatz.
DLM |
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Das Deutsche Landwirtschaftsmuseum (DLM) zeigt auf 5.700 qm überdachter Ausstellungsfläche liebevoll restaurierte Landmaschinen, die Agrargeschichte geschrieben haben. Die Besucher erleben den Wandel der landwirtschaftlichen Produktion und erfahren die Auswirkungen der technischen Innovationen auf die Arbeitsbedingungen der Bauern. Die Exponate zeigen die Entwicklung vom einfachen ackerbaulichen Gerät bis hin zur modernsten Agrartechnik. |
Großbetriebe brauchen die schnelle Leistung
Dass man sich in Hohenheim mit dem Motorpflug ausführlich beschäftigt, erstaunt: „Eigentlich waren solche großen, teuren Maschinen nur für landwirtschaftliche Großbetriebe sinnvoll, wie es sie vor allem in den ehemaligen Ostgebieten gab. Dort hatten Höfe mitunter Ackerflächen von 150 Hektar oder mehr zu bewirtschaften.“
In Süddeutschland hingegen war und ist die Landwirtschaft viel kleinteiliger. Großgeräte wie der Motorpflug dürften sich für die Betriebe in der Umgebung Hohenheims kaum gelohnt haben. Dennoch bemühten sich die Hersteller mit kleineren Ausführungen, das Motorpflügen auch den Bauern im Südwesten schmackhaft zu machen. So waren zwischen Rhein und Donau im Jahre 1926 insgesamt 74 Motorpflüge im Einsatz.
Kurze Erfolgsgeschichte
Trotz aller Vorteile war dieser Spezialtechnik nur ein kurzer Erfolg vergönnt. „Der Motorpflug wurde etwas mehr als 15 Jahre lang produziert, insgesamt dürften nur wenige tausend Exemplare im Umlauf gewesen sein,“ berichtet Emmerich. „Als der Pflug Mitte der 1920er auf den Hohenheimer Äckern gefilmt wurde war er bereits ein Auslaufmodell.“
Sein Konkurrent? Der Standardtraktor, der in den USA mithilfe von Henry Fords Fließband industriell gefertigt wird – und dementsprechend billiger zu haben ist. Inspiriert durch den amerikanischen Serienschlepper setzen sich auch hierzulande ab 1925 kompaktere Zugmaschinen durch. Mit dieser Entwicklung konnte der Motorpflug nicht mithalten, zumal er teurer und auch weniger flexibel einsetzbar war als ein Traktor, so die Einschätzung des Agrarexperten.
Trotz seiner kurzen Blütezeit und der wenigen erhaltenen Exemplare betont Emmerich die große Bedeutung des Motorpflugs für die Geschichte der motorisierten Landtechnik. „Dieses spezielle Gerät hat sich langfristig nicht behaupten können, weil es von anderen Erfindungen rasant überholt wurde. Dennoch bot der Motorpflug die damals beste vorhandene Lösung für ein drängendes Problem.“
Text: Barsch