Zur Weltklimakonferenz:
Experte plädiert für Mikroversicherungen gegen Klimafolgen  [30.11.15]

Forscher der Universität Hohenheim fordert mehr Unterstützung für Entwicklungsländer bei Extremereignissen / Klimagipfel in Paris ab 30.11.2016

In Deutschland sind sie weit verbreitet, in den Entwicklungsländern noch die Ausnahme: Versicherungen gegen Naturgefahren können im Ernstfall die Folgen des Klimawandels für betroffene Menschen abmildern. Ein derartiger Versicherungsmarkt sei jedoch bislang nur in wenigen Entwicklungsländern etabliert, bedauert Prof. Dr. Jörg Schiller, Versicherungs-Experte an der Universität Hohenheim. Er appelliert an die Verhandlungspartner der heute gestarteten Klimakonferenz in Paris, Entwicklungsländer beim Kampf gegen die zunehmenden Schäden durch den Klimawandel und beim Aufbau dieser Märkte stärker zu unterstützen.


Es geht um Klimaziele und konkrete Maßnahmen, um die Folgen des Klimawandels abzufedern: Heute sind die Verhandlungen der Weltklimakonferenz in Paris gestartet. Ein nützlicher Baustein zur Abmilderung von Folgen des Klimawandels könnten Versicherungen sein, ist Prof. Dr. Jörg Schiller überzeugt. Er leitet an der Universität Hohenheim das Fachgebiet Versicherungswirtschaft und Sozialsysteme.

„In den Entwicklungsländern sind viele Menschen gerade in den ländlichen Regionen von Risiken wie Dürre, Überschwemmungen oder Stürmen existenziell bedroht“, sagt Prof. Dr. Schiller. „Der globale Klimawandel dürfte diese Situation noch verschärfen.“ Bereits in den letzten Jahren seien die Kosten für die Folgen von Extremereignissen massiv angestiegen. „Eine Versicherung könnte die Not der Betroffenen erheblich lindern.“

 

Mikroversicherungen zur Grundabsicherung

„Bei uns ist das bereits gang und gäbe“, weiß der Experte. „Während in Deutschland nur etwa ein Drittel aller Gebäude- und Hausratversicherungen eine Absicherung gegen Naturgefahren beinhaltet, ist Baden-Württemberg mit einer 95-prozentigen Absicherung Spitzenreiter. Auch der Markt für Ernteausfall-Versicherungen für Landwirte ist hier gut entwickelt.“

Doch in den Entwicklungsländern ist vielfach überhaupt kein Versicherungsmarkt vorhanden. „Man versucht dort, mit Mikroversicherungen zu arbeiten“, erklärt Prof. Dr. Schiller. „Das sind einfache Verträge mit recht geringen Beiträgen, die für Landwirte und ihre Familien eine Grundabsicherung darstellen. Nach Zahlen des Microinsurance Centre waren im Jahr 2014 weltweit etwa 264 Millionen Niedrigeinkommenshaushalte durch Mikroversicherung versichert. Das erzielte Prämienvolumen lag dabei bei gut zwei Milliarden US-Dollar. Am weitesten verbreitet sind dabei Lebens- und Kreditlebensversicherungen. Kranken- und Agrarversicherung sind bisher noch nicht so stark verbreitet.“

 

Subventionen helfen beim Aufbau eines Versicherungsmarktes

Das Problem am Anfang sei für viele Menschen nicht nur die Frage, ob man sich den Versicherungsschutz überhaupt leisten kann und will. „Gerade in Ländern mit schwachen bzw. unzuverlässigen Institutionen und Rechtssystemen sowie niedrigen Bildungsstandards ist es für Versicherungsanbieter nicht einfach, das Vertrauen der Menschen zu gewinnen und die grundsätzliche Funktionsweise von Versicherungen zu vermitteln.“

Um das zu erreichen, arbeiten die Versicherer mit Nichtregierungsorganisationen vor Ort zusammen, die dort die Verträge anbieten. „Am Anfang ist das recht kostenaufwändig – allein schon das Einsammeln des Versicherungsbeitrags.“

Die Anbieter sehen jedoch für diese Versicherungen ein hohes Marktpotenzial. Große Versicherungsgesellschaften wie die Allianz oder die Munich Re seien in diese Märkte bereits involviert, so Prof. Dr. Schiller. „Sie und die Politik subventionieren daher zunächst die Versicherungen, um den Markt zu etablieren.“

 

Wirtschaftliche Entwicklung bleibt unerlässlich

Die gesamtwirtschaftliche Entwicklung eines Landes hängt international sehr stark von der Entwicklung der Versicherungsmärkte ab – und hier sieht Prof. Dr. Schiller die Industriestaaten in der Verantwortung. „Entwicklungszusammenarbeit darf langfristig nicht nur Transferleistungen beinhalten, sondern muss die gesamte wirtschaftliche Entwicklung eines Landes fördern – Hilfe zur Selbsthilfe und Capacity Development sind hier die Stichworte. So soll die Verantwortung wieder zurückgegeben werden – Versicherungen können in diesem Zusammenhang ein nützliches Instrument sein.“

So nützlich sie im Ernstfall für die Betroffenen sind, sollte man nicht vergessen, dass damit genau die Menschen für den Klimawandel zahlen müssen, die am wenigsten dazu beigetragen haben. Und auch die beste Ernte-Versicherung kann die Ernte nicht vermehren – und damit Preisschwankungen für Lebensmittel verhindern.

„Auch hier ist wiederum die Politik gefragt“, so Prof. Dr. Schiller. „Die Bevölkerung in Entwicklungs- und Schwellenländern muss besseren Zugang zu Technologie und Kapitalmärkten erhalten und so in die Lage versetzt werden, ihre eigene Existenz zu sichern. Erst wenn extreme Schockereignisse auftreten, müssen die einzelnen Staaten schnelle und unkomplizierte Nothilfe für ihre Bevölkerung leisten können. Versicherung könnte hierbei ein Baustein sein.“

Von den Verhandlungen in Paris erhofft sich der Experte daher, dass neben der Eindämmung des Klimawandels auch die wirtschaftliche Entwicklung der Entwicklungsländer verstärkt gefördert wird. Und er wünscht sich mehr Unterstützung beim Aufbau der Versicherungsmärkte: „Entwicklungszusammenarbeit ist von Versicherungslösungen kaum zu trennen – der Aufbau einer Basisabsicherung für die Menschen ist gleichzeitig auch Entwicklungsunterstützung.

Text: Elsner / Klebs

Kontakt für Medien:

Prof. Dr. Jörg Schiller, Universität Hohenheim, Fachgebiet Versicherungswirtschaft und Sozialsysteme, T: 0711 459 22869, E: j.schiller@uni-hohenheim.de


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