Mehr Fleisch aus weniger Getreide:
Universität Hohenheim sucht neue Formeln für ideale Tierdiät  [15.04.11]

Verbundprojekt GrainUp: Wissenschaftler hoffen auf Nährstoff-Einsparung von bis zu 10 Prozent / BMELV fördert mit 3,4 Mio. Euro

Nur kein Körnchen zu viel! Bislang gehen 10-50% der Nährstoffe im Futtergetreide verloren, weil sie von Nutztieren nicht richtig verwertet werden können. Ein neues Verbundprojekt von Pflanzen- und Tierforschern soll nun Getreide neu bewerten und die Voraussetzungen für eine optimierte Verwertung durch das Nutztier schaffen. Das Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz (BMELV) fördert das Forschungsvorhaben „GrainUp“ mit insgesamt 3,4 Mio. Euro für 3 Jahre. Etwa die Hälfte davon entfallen auf die Universität Hohenheim, die das Gesamtprojekt koordiniert – was GrainUp zu einem der Schwergewichte der Forschung in Hohenheim macht.

27 Mio. Tonnen Getreide werden jährlich allein in Deutschland an Schweine, Rinder und Hühner zur Milch- und Fleischproduktion verfüttert. Tendenz steigend: bis 2050 soll sich der weltweite Fleischbedarf verdoppeln, Weizen und Mais werden zu hart umkämpften Ressourcen und der Klimawandel verändert die Anbaubedingungen für Getreide global.

Vor diesem Hintergrund erforschen Wissenschaftler der Universität Hohenheim, wie Getreide als Futtermittel effizienter produziert und verfüttert werden kann. Denn bislang werden nur 50-90% des Futtergetreides durch das Nutztier tatsächlich verwertet. Ein Manko, dass auch eine negative Wirkung auf die Umwelt haben kann, weil nicht verwertete Nährstoffe von den Tieren ausgeschieden werden. So können sich beispielsweise Phosphate in den Böden anreichern und ausgetragen werden oder Ammoniak in die Luft entweichen.

Das Forschungsprojekt will deshalb erstmals die genaue Nährstoffzusammensetzung von Getreidesorten und ihre Verdaulichkeit untersuchen und so die Basis für neue, den Tieren angepasste Sorten legen. Ihr Ziel: bei den neuen Futtersorten soll die Verwertung deutlich gesteigert werden.


Nährstoffgehalt der Getreidesorten bestimmen

In einem ersten Schritt bestimmen Prof. Dr. Markus Rodehutscord und sein Team vom Institut für Tierernährung der Universität Hohenheim für alle Getreidesorten die spezifische Variation an Nährstoffen. „Bisher gibt es in Deutschland kaum wissenschaftlich gesicherte Ergebnisse zur Variation der Nährstoffverdaulichkeit der Getreidearten und -sorten und ihrer Bedeutung für die Gesundheit der Tiere, dem sogenannten Futterwert“, so Prof. Dr. Rodehutscord, der das Forschungsprojekt leitet. „Landwirte arbeiten bisher mit einem Mittelwert für die Fütterung und müssen damit weniger Passgenauigkeit und eingeschränkte Verwertung in Kauf nehmen“, so der Experte.

Dazu bauen die Wissenschaftler an der Landessaatzuchtanstalt verschiedene Getreidesorten auf den universitätseigenen Ackerflächen an und untersuchen sie in der Landesanstalt für Landwirtschaftliche Chemie. Die verschiedenen Proben mit unterschiedlichen Anteilen an Stärke, Aminosäuren, Phosphor und weiteren Nährstoffen füttern Prof. Dr. Rodehutscord und sein Hohenheimer Team sowie 6 weitere Verbundpartner an Versuchsrinder, -schafe, -schweine,-hühner und -pferde.

 

Verdaulichkeitstest und -prognose für Weizen, Gerste und Co.

Das, was die Tiere nach einigen Stunden wieder ausscheiden, interessiert die Tierernährungsexperten am meisten. Darum fangen sie den Kot oder Darminhalt der Tiere auf, unterziehen die Überreste einer chemischen Analyse im Labor und durchleuchten das Futter mit Infrarotstrahlen.

Aus den Restmengen an Nährstoffen, die nach der Verdauung noch vorhanden sind, lesen die Wissenschaftler wichtige Informationen ab: „Wir fragen danach, wie gut die Tiere die im Getreide enthaltenen Nährstoffe verdaut haben, was sie also zur Energie- und Nährstoffgewinnung tatsächlich verwenden konnten und was nicht“, so Prof. Dr. Rodehutscord.

Basierend auf den Ergebnissen dieser Tierversuche und Analysen bewerten die Wissenschaftler den Futterwert der verschiedenen Getreidesorten. Mit Hilfe mathematischer Verfahren wollen sie dann Schätzgleichungen ableiten, welche die Verdaulichkeit für jede Getreidesorte und jede Nutztierart voraussagen.

Andere Teilprojekte beschäftigen sich mit der Wirkung des Klimawandels auf die Verdaulichkeit und mit Aspekten der Tiergesundheit.

 

Futtermitteldatenbank für Landwirte, Futtermittelwirtschaft und Getreidezüchter

Landwirte können die verlässlichen und aktuellen Einschätzungen des Futterwerts dann nutzen, um die Fütterung ihrer Nutztiere genau zu planen. Ihre Ergebnisse wollen die Tierernährungsexperten deshalb in der Futtermitteldatenbank der Deutschen Landwirtschaftsgesellschaft zur Verfügung stellen. Damit sparen Landwirte Kosten für eigentlich überflüssiges Futter und minimieren umweltrelevante Rückstände.

Für die Züchtungsindustrie ist die Futterwert-Vorhersage der Hohenheimer Wissenschaftler ebenfalls von Nutzen. Sie kann die Eigenschaft als Selektionsmerkmal für Getreidepflanzen nutzen und damit eine effizientere Nutzung von Getreide zur Fütterung von Beginn an ermöglichen.

 

Hintergrund: Forschungsprojekt GrainUp

Der Verbund besteht aus einem zentralen Koordinationsprojekt und 12 Teilprojekten, von denen 5 an der Universität Hohenheim umgesetzt werden. Forschungspartner sind die Universitäten Bonn, Hohenheim, Halle-Wittenberg, und Rostock, die Stiftung Tierärztliche Hochschule Hannover, das Friedrich-Loeffler-Institut und die Landesforschungsanstalt für Landwirtschaft und Fischerei Mecklenburg-Vorpommern. Zentrale Arbeiten (Pflanzenbau, -ernte, die zentrale Analytik) sowie die zentrale Koordination des Gesamtverbundes erfolgen in Hohenheim. Weitere Hohenheimer Verbundpartner sind neben der Tierernährung die Landesanstalt für Landwirtschaftliche Chemie und die Landessaatzuchtanstalt. Das Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz (BMELV) fördert das Forschungsvorhaben „GrainUp“ über die Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung (BLE) im Rahmen des Programms zur Innovationsförderung mit insgesamt 3,4 Mio. Euro für die kommenden 3 Jahre. Ein Viertel dieses Betrages wird von Unternehmen der privaten Wirtschaft erbracht.

 

Hintergrund: Schwergewichte der Forschung

Je circa 30 Mio. Euro an Drittmitteln akquirierten Forscher der Universität Hohenheim allein im vergangenen Jahr. In loser Folge präsentiert die Reihe „Schwergewichte der Forschung“ herausragende Forschungsprojekte mit einem Drittmittelvolumen von mindestens einer Viertelmillion Euro, bzw. 125.000 Euro in den Wirtschafts- und Sozialwissenschaften.

 

Text: Konstantinidis / Klebs

Kontakt für Medien:

Prof. Dr. Markus Rodehutscord, Universität Hohenheim, Institut für Tierernährung
Tel.: 0711 459-22420; E-Mail: markus.rodehutscord@uni-hohenheim.de


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