Hormesis auf dem Acker:
Pflanzengifte in Kleinstdosen machen Pflanzen stark  [30.06.11]

Geringe Mengen giftiger Substanzen können Erträge steigern / ein Forschungsprojekt der Universität Hohenheim soll klären warum

Schon Paracelsus wusste, dass geringe Dosen schädlicher oder giftiger Substanzen positive Wirkungen auf Organismen haben können. In der Landwirtschaft wird das als Hormesis bekannte Phänomen vor allem beim Einsatz von Unkrautbekämpfungsmitteln beobachtet. Hier kann der Effekt zu Ertragssteigerungen führen. Wie die Substanzen im Zusammenspiel mit Umweltfaktoren wirken und wie sich die Wirkung kommerziell nutzen lässt, soll nun ein Forschungsprojekt der Universität Hohenheim ergründen. Die deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) fördert das Projekt drei Jahre lang mit 365.000 Euro und macht es damit zu einem der Schwergewichte der Forschung der Universität Hohenheim.

Viel hilft viel, heißt es im Volksmund. Beim Hormesis-Effekt ist es umgekehrt. Hier kann wenig viel bewirken, zu hohe Dosen wirken schädlich.

So wird der Verbindung Resveratrol im Rotwein – in Maßen genossen – gesundheitsfördernde Wirkung zugeschrieben. Nachgewiesen sind positive Effekte der Substanz bei Krankheiten wie Arteriosklerose, Alzheimer und Arthritis. Resveratrol-Präparate sind mittlerweile im Handel erhältlich.

Ein ähnlich positiv wirkender Effekt ist in der Landwirtschaft beim Einsatz geringer Mengen der eigentlich giftigen Herbizide bekannt. Mit dem Einsatz der Substanzen verschwindet nicht nur das Unkraut. Sie können offenbar zudem in geringen Dosen das Wohlbefinden der Nutzpflanzen fördern.

Sie werden oft robuster, zeigen sich unempfindlicher gegen Umwelteinflüsse und bringen höhere Erträge. Von einer gezielten Nutzung des Effekts in der Praxis ist man hier allerdings noch weit entfernt. Dies liegt vor allem auch daran, dass man über das genaue Wirken des Hormesis-Effekts noch wenig weiß.

 

Grundlagenforschung über Wirkungsmechanismus

Mit einem auf drei Jahre angelegten Forschungsprojekt an der Universität Hohenheim soll sich das nun ändern. Die Agrarwissenschaftlerin Dr. Regina Belz, Leiterin des Projekts am Institut für Pflanzenproduktion und Agrarökologie, nimmt die fördernden Effekte von Herbiziden und pflanzlichen Giftstoffen auf Pflanzen nun genau unter die Lupe.

Ziel ist es, grundlegende Erkenntnisse über Hormesis-Effekte bei Unkrautbekämpfungsmitteln zu gewinnen und so auch ihre Bedeutung für die Landwirtschaft besser einschätzen zu können.

Drei Fragen sind dabei besonders wichtig: Bei welchem Schwellenwert schlägt die Ertragsförderung in die schädigende Wirkung um? Wie verschiebt sich diese Grenze unter verschiedenen Umweltbedingungen? Wie praxistauglich ist der Effekt und was verändert sich, wenn noch weitere toxische Stoffe hinzukommen?

 

Praxisbezug im Blick

Eine der Substanzen, die Dr. Belz im Labor testet werden, ist Glyphosat. Der Universalwirkstoff zur Unkrautbekämpfung gehört zu den in der Landwirtschaft am häufigsten eingesetzten Substanzen und ist dort beispielsweise unter dem Handelsnamen Roundup bekannt. Weniger als ein Prozent der zur Unkrautbekämpfung eingesetzten Menge reicht hier teilweise aus, um den Ertrag zu steigern.

Neben diesem künstlich hergestellten Stoff untersuchen die Hohenheimer Forscher in den Labor- und Gewächshausversuchen den Effekt von Naturstoffen – etwa von Auxinen, natürlichen Wachstumsregulatoren, und anderen, pflanzlichen Naturstoffen. „Gerade der natürliche Hormesis-Effekt könnte einen wichtigen Beitrag zum Naturschutz leisten“, ist sich Dr. Belz sicher.

Das Kalkül der Forscherin: Da Unkrautpflanzen wesentlich anfälliger als Kulturpflanzen für die Gifte sind, könnte es eine Dosis geben, die gleichzeitig Nutzpflanzen stimuliert und Unkraut zurückdrängt. Der Einsatz von künstlichen Substanzen, etwa zur Unkrautbekämpfung, ließe sich reduzieren.

 

Kopfsalat und Gelbsenf als Modellpflanze

Bis es so weit ist, werden aber noch eine Menge Kopfsalate und Gelbsenf unter dem Mikroskop landen. Die Speisegewächse dienen Belz als Modellpflanzen. Die Grundlagenforschung auf dem Gebiet der Homöopathie der Pflanzen, wie die Herbologin ihr Untersuchungsfeld beschreibt, ist erst am Anfang.

Langfristig, so bringt Dr. Belz das Vorhaben auf den Punkt, geht es darum, ein gute Strategie zu entwickeln, mit der die Vitalität von Kulturpflanzen natürlich gefördert und gleichzeitig der Einsatz von Herbiziden vermindert werden kann. Mit dem Forschungsprojekt „Hormesis bei Pflanzen“ wird dafür in Hohenheim ein Grundstein gelegt.

 

Hintergrund: Schwergewichte der Forschung

Fast 31 Mio. Euro an Drittmitteln akquirierten Forscher der Universität Hohenheim im vergangenen Jahr. In loser Folge präsentiert die Reihe „Schwergewichte der Forschung“ herausragende Forschungsprojekte mit einem Drittmittelvolumen von mindestens einer viertel Million Euro bzw. 125.000 Euro in den Wirtschafts- und Sozialwissenschaften.

Text: Renner / Klebs

Kontakt für Medien:

Dr. Regina Belz, Universität Hohenheim, Institut für Pflanzenproduktion und Agrarökologie,
Tel.: 0711/459-23681, E-Mail: regina.belz@uni-hohenheim.de


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