Zwischen öko & konventionell:
Erste Versuche mit neuem Anbausystem verlaufen erfolgreich  [09.09.24]

Uni Hohenheim: NOcsPS-Systeme ohne chemisch-synthetische Pflanzenschutzmittel, aber mit Mineraldünger bringen Erträge zwischen öko und konventionellem Anbau

Sie bringen zwar geringere Erträge als konventionelle Methoden, können jedoch umweltfreundlicher sein und die Biodiversität fördern: Sogenannte NOcsPS-Anbausysteme funktionieren frei von chemisch-synthetischen Pflanzenschutzmitteln, aber mit Mineraldünger. Und sie könnten ein Agrarsystem der Zukunft sein. Denn großangelegte Feldversuche unter Leitung der Universität Hohenheim in Stuttgart gemeinsam mit dem Julius Kühn-Institut in Kleinmachnow demonstrieren, dass gute Erträge und Produktqualität auch ohne chemisch-synthetische Pflanzenschutzmittel erreicht werden können. Dabei spielt der gezielte Einsatz von Mineraldünger zur Stickstoffversorgung eine entscheidende Rolle – und fortschrittliche Robotik, künstliche Intelligenz sowie biologischen Prinzipien folgende Agrartechnologien.


Auf chemisch-synthetische Pflanzenschutzmittel verzichten und trotzdem die Versorgung der Bevölkerung mit bezahlbaren Nahrungsmitteln gewährleisten: Wie dies gelingen kann, erproben Forschende im Verbundprojekt „Nachhaltigere Landwirtschaft 4.0 Ohne chemisch‐synthetischen PflanzenSchutz“ (NOcsPS) unter Leitung der Universität Hohenheim gemeinsam mit dem Julius Kühn-Institut (JKI) und der Universität Göttingen.

Die NOcsPS‐Anbausysteme stellen eine komplette Neuorientierung in der landwirtschaftlichen Produktion dar. Sie versuchen die Vorteile von konventioneller und ökologischer Landwirtschaft zu vereinen, und gleichzeitig deren jeweiligen Nachteile zu minimieren.“, erklärt der Sprecher des Forschungsprojektes Prof. Dr. Enno Bahrs von der Universität Hohenheim.


Erste Ergebnisse der Feldversuche: Unterschiedliche Erträge je nach Standort

Dass solche NOcsPS-Systeme tatsächlich ein hohes Potenzial haben zur Entwicklung widerstandsfähiger und nachhaltiger Anbausysteme beizutragen, zeigen erste Ergebnisse von Feldversuchen. Seit Herbst 2019 wurden an zwei Standorten in Deutschland – an der Universität Hohenheim in Baden-Württemberg und beim Projektpartner JKI in Dahnsdorf, Brandenburg – großangelegte Feldversuche durchgeführt. Dabei verglichen die Forschenden verschiedene NOcsPS-Anbausysteme mit konventionellen und ökologischen Systemen.

Während die NOcsPS-Erträge in Dahnsdorf aufgrund der Standortbedingungen im Vergleich zum konventionellen Anbau stärker zurückgingen, blieben die Erträge in Hohenheim stabiler. „Hier sichert der Standort unter anderem eine bessere Wasser- und Stickstoffverfügbarkeit“, erklärt Prof. Dr. Bahrs.

So unterschieden sich die Weizenerträge der NOcsPS-Systeme in Hohenheim kaum von denen der konventionellen Anbausysteme. Sie lagen im Durchschnitt nur vier bis zwölf Prozent darunter, in Dahnsdorf fielen sie allerdings rund ein Viertel niedriger aus. Im ökologischen Anbau waren die Ertragseinbußen erheblich höher.


Erträge zwischen öko und konventionell

Die NOcsPS-Systeme erzielten somit in der Regel zwar geringere Weizenerträge als der konventionelle, aber höhere als der ökologische Anbau, der oft mit Stickstoffmangel zu kämpfen hatte. Außerdem beeinflussten unterschiedliche Klima- und Bodenbedingungen die Ergebnisse stark.

Ein ähnliches Bild gab es bei den anderen Getreidesorten Sommergerste, Triticale und Roggen. Größere Schwankungen zeigten jedoch die Leguminosen Sojabohnen und Erbsen. Sie schnitten in den NOcsPS-Systeme zwar im Durchschnitt besser ab als in den ökologischen, jedoch erkennbar schlechter als in den konventionellen Systemen. Mais hingegen wies in den NOcsPS-Systemen stabile Erträge auf, die sich nicht nennenswert von denen konventioneller Systeme unterschieden.


Unkrautbekämpfung mit modernster digitalisierter Technologie

„Grundlage von NOcsPS ist eine veränderte Fruchtfolge aus Halm‐ und Blattfrüchten, mit Winter- und Sommerfrüchten. Sie dient sowohl dem präventiven Pflanzenschutz als auch dem Humusaufbau im Boden“, erläutert Prof. Dr. Ralf Vögele, Co-Sprecher des NOcsPS-Verbunds vom Fachgebiet Phytopathologie. Dabei werden neben Getreide und Mais auch Eiweißpflanzen und Zwischenfrüchte integriert. Nicht zu vergessen: Der gezielte Einsatz von Mineraldünger zur optimierten Stickstoffversorgung der Pflanzen.

Wie im ökologischen Landbau sei dabei die mechanische Unkrautbekämpfung ein zentraler Aspekt. Die Forschenden setzen auf intelligente Hack- und Striegeltechnik: „Wir nutzen modernste automatisierte und digitalisiert vernetzte Technologien, die biologischen Prinzipien folgen“, beschreibt Prof. Dr. Roland Gerhards vom Fachgebiet Herbologie. Diese können nicht nur zwischen Kulturpflanzen und unerwünschtem Bewuchs unterscheiden, sondern verschonen auch geschützte Arten oder solche, die für den Erhalt der biologischen Vielfalt eine besondere Rolle spielen.


Ökonomische und ökologische Perspektive

Im NOcsPS-Projekt nehmen die Forschenden die gesamte Wertschöpfungskette ins Visier – von der Züchtung und Produktqualität über das Management von Resistenzen und Schadorganismen bis zur Betriebswirtschaft, der gesellschaftlichen Wahrnehmung und den Effekten auf das Ökosystem.

In den Feldversuchen lagen aus betriebswirtschaftlicher Sicht die erzielten Erträge zwischen ökologischem und konventionellem Anbau. Da sich auch der Marktpreis für Produkte aus NOcsPS-Systemen zwischen den beiden Polen bewegen dürfte, bleibt die Reaktion der Konsumierenden spannend. Erste
Umfragen deuten jedoch darauf hin, dass die Menschen dem Verzicht auf chemisch-synthetischen Pflanzenschutz positiv gegenüberstehen und bereit sind, für diese Produkte auch höhere Preise zu bezahlen. (siehe Pressemitteilung „Landwirtschaft 4.0: Deutsche wollen mehr Nachhaltigkeit im Einkaufskorb)

Schon jetzt zeigen die Zwischenergebnisse positive Effekte auf die Biodiversität und vor allem die Vielfalt an Insekten an beiden Standorten. Geplant ist die Versuche auf anspruchsvollere Kulturen wie Raps, Zuckerrübe und Kartoffeln auszudehnen.


HINTERGRUND: Verbundprojekt „LaNdwirtschaft 4.0 Ohne chemisch‐synthetischen PflanzenSchutz“ (NOcsPS)

Das Forschungsprojekt „Landwirtschaft 4.0 ohne chemisch-synthetischen Pflanzenschutz (NOcsPS,
Aussprache: nʌps)“ zielt darauf ab, nachhaltigere Anbausysteme zu entwickeln, ohne die Ertragsleistung signifikant zu beeinträchtigen. NOcsPS-Anbausysteme verzichten auf chemische Pflanzenschutzmittel, setzen jedoch Mineraldünger ein. Im Rahmen des Verbundprojekts entwickeln und untersuchen die Partner diese neue Ackerbaustrategie – vom Feld bis auf den Markt.

Das Projekt NOcsPS startete am 1. Juni 2019 und läuft über mindestens 4,5 Jahre. Die Universität Hohenheim koordiniert das Projekt und bearbeitet 16 Teilprojekte an 20 Fachgebieten. Weitere Projektpartner sind das Julius Kühn-Institut (JKI) mit zwei Teilprojekten und die Universität Göttingen mit einem Teilprojekt, die jeweils von weiteren Praxispartnern unterstützt werden. Gefördert wird das Vorhaben vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) im Förderprogramm „Agrarsysteme der Zukunft“ mit knapp 5,3 Mio. Euro, davon entfallen rund 4,5 Mio. Euro auf die Universität Hohenheim.

Text: Stuhlemmer

Kontakt für Medien:

Prof. Dr. Enno Bahrs, Universität Hohenheim, Fachgebiet Landwirtschaftliche Betriebslehre
T+49 (0)711 459 22566, E bahrs@uni-hohenheim.de


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