Hohenheimer Gärten: Die Fichte, der Baum des Jahres 2017
Was blüht uns im April? [20.04.17]
Die Wahl der Fichte zum Baum des Jahres 2017 überrascht, denn im deutschen Wald ist jeder vierte Baum eine Fichte, ihr Anteil an der Waldfläche beträgt 28 %.
Lang ist es her, da wurde das Harz der Fichte zur Herstellung von Lacken, Terpentin und Kolophonium genutzt. Heute wird nur noch das Fichtennadelöl in der Kosmetik und Heilkunde verwendet, und die Läuse auf den Fichten tragen zum Waldhonig bei. Allein, das Holz der Fichte ist von herausragender wirtschaftlicher Bedeutung.
Reich an Arten und Varietäten
Die Gattung Fichte umfasst weltweit 40 Arten. Darüber hinaus kann der Landschaftsgärtner mit über 130 Varietäten gestalten. Der Name Fichte kommt aus dem Lateinischen pix = Harz, Pech, piceus = harz-, pechhaltig, und abies war der Name der Römer für die Tanne. Wegen ihrer Rindenfarbe wird die Fichte auch Rottanne genannt, doch hat sie mit der bei uns vorkommenden Tanne, der Weißtanne, nichts zu tun.
Die Fichte wird 30 - 50 Meter und gelegentlich über 60 Meter hoch. Der Brusthöhendurchmesser kann 2 Meter erreichen und das Alter bis zu 600 Jahre. Der Stamm wächst gerade, die Äste stehen quirlig, die Krone ist spitz-kegelförmig.
Nadeln und Zapfen
Die Nadeln sitzen einzeln auf einem braunen Kissen, von dem sie sich ablösen, sie sind spitzig stechend, am Zweig rundumlaufend, gänzlich dunkelgrün und werden 4 - 7, im Gebirge bis zu 12 Jahre alt. Die jungen Maitriebe eignen sich zum Herstellen von Sirup und zum Würzen.
Bei der Fichte stehen die männlichen und weiblichen Blüten getrennt oben auf dem Baum, sie fruchtet alle 3 - 4 Jahre. Die Fichtenzapfen beginnen nach der Befruchtung im Mai - Juni zu wachsen und herabzuhängen und werden mit der Samenreife im September – November als Ganzes abgeworfen.
Natürliches Vorkommen: Bevorzugt in kühlen, feuchten Lagen
Das natürliche Vorkommen der Fichte sind die Bergwälder der Mittelgebirge und Alpen. Sie bevorzugt feuchte, kühle Lagen und benötigt eine gute und stete Wasserversorgung. Sommerliche Trockenperioden schaden ihr. Berechnungen ergeben, dass in Baden-Württemberg bei einer Temperaturerhöhung von 2 °C im Jahr 2050 ein Fichtenwachstum nur noch auf 5 % der heutigen Fläche möglich ist.
Sie macht auf lehmigen, durchlässigen Böden ein tiefes Wurzelsystem und bildet auf schlecht durchlüfteten und nassen Böden eine Tellerwurzel aus, weshalb sie als Flachwurzler gilt. Sie ist anspruchslos und gedeiht auch auf nährstoffarmen Standorten.
Vielseitiges Holz führt zu schädlichen Monokolturen
Kein Holz ist so vielseitig verwendbar wie das der Fichte: Vom Kochlöffel bis zum Dachstuhl, vom Spielzeugengel bis zum Schiffsmast, von der Meistergeige bis zum Toilettenpapier. Noch heute stammen 90 % der Holzerträge von der Fichte. Die Fichte war seit Jahrhunderten der Brotbaum der Forstwirtschaft, wurde aber heute zum Notbaum.
Die ab dem Spätmittelalter entstandenen, ausgedehnten, aber oftmals nicht standortangepassten und naturfernen Monokulturen sind durch Schädlinge wie den Borkenkäfer oder Pilzbefall, Windwürfe und Waldbrände gefährdet. Durch die Nadelstreu kommt es zur Bodenversauerung, und Nährstoffmangel tritt ein. Mit Blick auf die Biodiversität bedarf der Satz “Wo der Forstmann hat gefichtet, ist der Unterwuchs vernichtet“ keiner Erläuterung.
Auch wenn die Fichte die Forstwirtschaft einst rettete, der alte Spruch „Willst Du den Wald vernichten, pflanz nichts als reine Fichten“ trifft ins Schwarze. Deshalb werden heute standortgerechte, klimastabile Mischwälder angestrebt, und der deutsche Wald ist im Umbau begriffen. Zwischen 2002 und 2012 stieg der Anteil des Laubwalds um 2,8 % auf 44,5 % und der Nadelbaumanteil sank entsprechend auf 55,5 %. Auf diese Problematik hinzuweisen war wohl die Absicht bei der Wahl der Fichte zum Baum des Jahres 2017.
Text: A. M. Steiner, R. Gliniars und R. Bäßler; Fotos: A. M. Steiner & R. Gliniars