Schätze der Sammlungen

Das Porträt der Franziska von Hohenheim  [25.10.17]

Ein weißes Schultertuch verdeckt das Decolleté, der mit Spitze verzierte Hut passt farblich zum Band um die Taille. Papier und Federkiel in den Händen deuten die Leidenschaft der Porträtierten als Briefeschreiberin an. Ihr Gesichtsausdruck wirkt freundlich, aber zurückhaltend. Rosige Wangen und leichtes Doppelkinn lassen auf Wohlstand schließen.

Franziska von Hohenheim: Heute hat sie ihren festen Platz im Schloss. | Bildquelle: Friederike Simanowicz / Foto Dorothee Barsch


Nichts deutet auf dem Gemälde darauf hin, dass Franziska von Hohenheim im herzoglichen Württemberg eine höchst umstrittene Person war. Anlass zur Kritik, aber auch später zu anhaltendem Ruhm ist die Ehe der geborenen Freiin von Bernerdin mit Herzog Carl Eugen, nachdem sie dessen langjährige Mätresse war.

Für Aufregung sorgt, dass der Herzog katholisch, Franziska hingegen evangelisch-pietistisch getauft und erzogen ist. In der adeligen Hierarchie steht sie zudem weit unter ihm. Des Herzogs zweite Ehe sehen viele am Hof als Affront, Franziska ist zeitlebens nicht voll akzeptiert.

Beim Volk hingegen ist Franziska beliebt, gilt als fromm und wohltätig – ein Ruf, der auch nach ihrem Tod weiter ausstrahlt. Wie die Rolle der Franziska zu deuten ist, darüber streiten Historiker bis heute: War sie die starke Frau, die den despotischen Herzog zu bändigen wusste? Oder war sie im Gegenteil für ihn nur ein Mittel zum Zweck, um dessen Image des ungeliebten Herrschers aufzubessern?

Neuerfindung in der Krise


Fest steht: Als Herzog Carl Eugen 1770 der bereits verheirateten Franziska zum ersten Mal begegnet, befindet sich seine Regentschaft in der Krise. Sein Versuch, den absolutistischen Glanz von Versailles zu imitieren, bringt Württemberg an den Rand des Ruins. Für prächtige Schlösser und rauschende Feste verkauft er die Söhne von Bauern und Tagelöhnern als Soldaten ins Ausland. Dafür kritisiert ihn Friedrich Schiller im Theaterstück „Kabale und Liebe“ heftig und unverhohlen.

Dass der Herzog zudem vom außenpolitischen Aufstieg inmitten der Großmächte Frankreich, Preußen und Österreich träumt, ist eine zusätzliche Belastung für das wirtschaftlich schwache Württemberg. „Die Mittel für Heer, Hofhaltung und Schlossbau hat Carl Eugen sich mit quasi-kriminellen Mitteln beschafft“, erklärt Uni-Archivar Prof. Dr. Ulrich Fellmeth.

Auf seinem Weg zum absolutistischen Herrscher legt sich Carl Eugen mit den Landständen an, den Vertretern von Adel, Klerus und Städten. Sie wehren sich gegen die versuchte Entmachtung und bekommen vor dem Reichsgerichtshof in Wien Recht – Carl Eugen ist geschwächt. „Wäre er ein heutiger Politiker, hätte er abdanken müssen“, so Prof. Dr. Fellmeth.

Sein Verdacht: Carl Eugen hat sich mit einem neuen Image vor dem politischen Aus bewahrt – und Franziska zum Symbol dafür gemacht.

Eine Liebe über Standesgrenzen hinweg – oder ein raffinierter PR-Coup?


1772 lässt Franziska sich von ihrem Mann scheiden und wird offiziell Carl Eugens Mätresse. Nach dem Tod seiner ersten Frau, der Herzogin Friederike, und längeren Auseinandersetzungen mit der Kirche heiratet er Franziska 1785 in einer heimlichen Zeremonie im Neuen Schloss in Stuttgart. Bis die Ehe kirchlich anerkannt ist und Franziska sich Herzogin von Württemberg nennen darf, dauert es weitere sechs Jahre.

Die beiden ziehen nach Hohenheim, wo sie in einfachen Räumen  im heutigen Speisemeistereiflügel wohnen, während der Herzog den Neubau des Schlosses Hohenheim überwacht. Außerdem widmet er sich der Landwirtschaft, dem Straßenbau und der Bildung der Landeskinder an der Hohen Karlsschule. Franziska berichtet in ihrem Tagebuch von Gartenarbeit und Spaziergängen in das englische Dorf in den Hohenheimer Gärten, den sogenannten Englischen Garten südwestlich des Schlosses – das „Dörfle“, wie sie es nennt.

Franziska, so will es der Mythos, hat mit ihrer frommen Art den ehemals ausschweifenden und despotischen Herzog zu einem einfachen und wohltätigen Lebensstil bekehrt. Die Theorie passt gut zu den Idealen und dem Frauenbild der bürgerlich-pietistischen Schicht im 18. und 19. Jahrhundert und wird wohl auch deshalb in den folgenden Jahrzehnten weiter überliefert.

Prof. Dr. Fellmeth hat seine Zweifel an dieser Interpretation: „Ich glaube nicht, dass Franziska in der Lage war, Carl Eugen derart zu beeinflussen. Sie war komplett von der Gunst des Herzogs abhängig, hatte keinerlei Rückhalt bei Hofe.“

Schwierigkeiten am Hof, Idylle in Hohenheim


Am Hof des Herzogs ist man keineswegs begeistert von der Verbindung. Dass der Herzog die standesmäßig deutlich unter ihm stehende Franziska an seiner Seite behält und auf Reisen an andere europäische Höfe mitnimmt, kratzt vielen an der Ehre. Die französische Königin Marie Antoinette und andere tun Franziska als unattraktiv und geistlos ab. „Da sie zudem das beim Adel gesprochene Französisch nicht beherrschte, war sie den Sticheleien der Höflinge ausgeliefert.“

Das idyllische Leben in Hohenheim dürfte ihr besser gefallen haben: Aus ihrem Tagebuch klingt eher schwäbischer Dialekt als höfisches Französisch. Sie erscheint darin als glückliche und erfüllte Frau, die den Herzog aufrichtig liebt. Allerdings, merkt Prof. Dr. Fellmeth an: „Die Aufzeichnungen drehen sich überwiegend um Alltagsdinge – und Carl Eugen hat sie mit Sicherheit gegengelesen.“

Franziska, so vermutet der Uni-Archivar, ist eine Schlüsselfigur in der Inszenierung, mit der Carl Eugen sich nach den wilden Jahren und gescheiterten Machtkämpfen als wohltätiger Landesvater neu erfindet. Der Umzug vom „großen Hof“ in Ludwigsburg nach Schloss Hohenheim bietet die ländliche Kulisse für die Neuerfindung, die einfache, pietistische und unhöfische Franziska die perfekte Begleitfigur. „Auch die romantisch anmutenden Gärten und wohltätige Gesten gegenüber der Bevölkerung gehörten zu dieser Kulisse.“

Vertreibung aus Hohenheim – nur das Porträt kehrt zurück

Vielleicht um den Eindruck des einfachen Landlebens zu unterstreichen, zeigt das Porträt der Schorndorfer Malerin Ludovike Simanowicz Franziska nicht in einem prachtvollen Saal, sondern in der Natur. Von den wenigen existierenden Bildern Franziskas ist es nicht das schmeichelhafteste. Aber, erklärt Prof. Dr. Fellmeth: „Das Simanowicz-Porträt gilt als das Realistischste – die Malerin hatte den Ruf, sehr ehrlich zu zeichnen.“

Das Bild entsteht um 1786 in Hohenheim. Dort sind den beiden jedoch nur wenige Jahre vergönnt: 1793 stirbt der Herzog, noch bevor Schloss Hohenheim fertig gestellt ist. Seine Familie zwingt Franziska zum sofortigen Auszug. Im Alten Schloss in Stuttgart wird sie wie eine Gefangene festgehalten, bis sie auf finanzielle Zuwendungen verzichtet. Erst dann darf sie auf ihr eigenes Gut in Sindlingen, später auf ihren Witwensitz in Kirchheim unter Teck umziehen. Von der herzoglichen Familie geschnitten und um einen Großteil ihres Vermögens geprellt, führt sie hier ein zurückgezogenes Leben, bis sie 1811 nach langem Leiden an Unterleibskrebs stirbt.

Während Franziska aus ihrem geliebten Hohenheim vertrieben wurde, genießt ihr Porträt dort heute Bleiberecht: 1959 schenkt die Gräfin Hildegard von Scheeler aus Sorrent das Gemälde der Universität. Heute ist es im Vorzimmer des Rektors zu sehen, ein weiteres Porträt Franziskas hängt über seinem Schreibtisch – neben Porträts von Carl Eugen, König Wilhelm und Königin Catharina von Württemberg. Zumindest hier ist Franziska als Herzogin angekommen.

Text: Barsch

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