Schätze der Sammlungen
Der Stuttgart 21-Käfer [19.07.17]
„Mein Mitarbeiter Dr. Tolasch hat ihn am Geruch erkannt, bevor wir ihn überhaupt gesehen haben“, erzählt Tierökologe Prof. Dr. Johannes Steidle. Denn wenn der Juchtenkäfer auf die Balz geht, sondert das Männchen fruchtig riechende Pheromone ab, um Weibchen anzulocken.
Dafür haben die Juchtenkäfer in Hohenheim ein besonders romantisches Plätzchen gefunden: Die gegabelte Platane neben dem Spielhaus. Der Legende zufolge pflanzten sie Herzog Carl Eugen und seine Franziska als Symbol ihrer Liebe – dem Juchtenkäfer erscheint die Platane damit wohl als der genau richtige Ort für die Familiengründung.
Die findet im Juli und August statt: An besonders heißen Tagen kann man den schwarzen, bis zu vier Zentimeter langen Käfer dann fliegen und krabbeln sehen. Bis es im Herbst wieder kühler wird und der erwachsene Käfer stirbt, liegen die Larven längst sicher in einer Baumhöhle.
Ein Paradies für gefährdete Arten
Der Hohenheimer Schlosspark ist beliebt bei dem gefährdeten Insekt: „Der Juchtenkäfer lebt in ausgehöhlten alten Bäumen, und davon gibt es in Hohenheim viele“, erklärt Prof. Dr. Steidle. An einer Rotbuche im Exotischen Garten haben die Insektenforscher bereits Juchtenkäfer beobachtet, ebenso an zwei Platanen und einer Robinie.
Auch andere seltene Käfer fühlen sich in Hohenheim wohl, zum Beispiel der ebenfalls unter Artenschutz stehende Beulenkopfbock. Die alten Bäume bieten dringend benötigten Unterschlupf, werden aber an vielen anderen Orten abgeholzt, bedauert Prof. Dr. Steidle: „Zum Teil werden hohle alte Bäume gefällt, weil sie instabil sind. Andere Baumarten, alte Eichen zum Beispiel, sind wegen ihres Holzes begehrt.“ So wird der Lebensraum für Insekten immer knapper – mit merkbaren Folgen.
Wohnraumnot: Ein Problem auch für Insekten
Flächendeckende Erhebungen zu Insektenbeständen in Deutschland gebe es zwar keine, so Prof. Dr. Steidle. „Aber an verschiedenen Regionen in Deutschland wurden Stichproben genommen, zum Teil über Jahrzehnte hinweg. Und alle zeigen deutlich: Der Insektenbestand ist in den letzten dreißig Jahren drastisch geschrumpft.“
Nicht nur die Zahl der Insekten ging an verschiedenen Standorten in den letzten 20 bis 30 Jahren um bis zu 90 Prozent zurück, auch die Artenvielfalt. „Und zwar selbst in Gebieten, wo man eine hohe Artenvielfalt erwarten könnte wie zum Beispiel in Naturschutzgebieten“, betont Prof. Dr. Steidle.
Artenvielfalt schützen
Der Insektenforscher plädiert daher dafür, dringend mehr für den Schutz der Artenvielfalt zu tun. „Zum einen müssen wir mehr Lebensraum für Insekten schaffen: zum Beispiel durch verbreiterte Ackerrandstreifen mit Blütenpflanzen, und natürlich durch den Schutz hohler Bäume.“
Auch beim Einsatz von Insektiziden müsse man besser prüfen, welche von Ihnen den Insekten über längere Zeit hinweg schaden – und zwar schnell, so Prof. Dr. Steidle. „Das Insektensterben ist nichts, was in 50 Jahren oder mehr passiert, sondern innerhalb der nächsten 10 bis 20 Jahre. Wir haben also nicht mehr viel Zeit, dort gegenzusteuern.“
Umso mehr freut es den Insektenforscher, dass nicht nur der Hohenheimer Schlosspark den geschützten Arten Unterschlupf bietet: Auch an anderen Orten bemerkt Prof. Dr. Steidle, dass langsam umgedacht und hohle Bäume für bedrohte Insektenarten stehen gelassen werden. Und in denen fühlt sich der Juchtenkäfer nun einmal besonders wohl.
Text: Barsch / Klebs