Hohenheimer Schätze | Die Rose in Kunst & Forschung
Eine leidenschaftliche Liebeserklärung [27.08.24]
Der Hohenheimer Campus mit seinen historischen Gebäuden, Museen und wissenschaftlichen Sammlungen ist eine wahre Schatzkammer. In der Reihe „Hohenheimer Schätze“ präsentiert die Redaktion regelmäßig besondere Objekte und Themen.
Reihe mit Rhinaixa Duque-Thüs |
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In einer losen Artikel-Serie stellt die Leiterin des Herbariums nach und nach verschiedene Pflanzen-Motive im Stuck von Schloss Hohenheim vor. Wie sie an die Uni Hohenheim kam und warum sie ihre Arbeit so liebt verrät sie im Interview. |
Zur Zeit der Erbauung des Hohenheimer Schlosses war die Alphabetisierung der Bevölkerung deutlich geringer als heutzutage. Laut Dr. Rhinaixa Duque-Thüs hatten die Menschen Ende des 18. Jahrhunderts uns dennoch etwas voraus: das Wissen um die Deutung von Motiven und Themen in der Kunst, die sogenannte Ikonografie.
Mit diesem Wissen konnten die Zeitgenoss:innen von Schlosserbauer Herzog Carl Eugen im Stuck von Schloss Hohenheim lesen wie in einem Buch. Heute verfügen deutlich weniger Leute über diese ikonographischen Kenntnisse, unter ihnen die Leiterin des Herbariums der Uni Hohenheim Duque-Thüs.
Ihre ehemalige Arbeitgeberin war niemand geringerer als die englische Königin. Über zehn Jahre arbeitete sie in den Londoner Kew Gardens, die der britischen Königsfamilie gehören. In dieser Position war es notwendig, die Bedeutung pflanzlicher und anderer Motive in sämtlichen royalen Schlössern – Windsor Castle, Buckingham Palace & Co. – perfekt zu beherrschen.
Die Rose: Symbol leidenschaftlicher Liebe
„Die Rose steht bildsprachlich für Liebe, Schönheit und Fruchtbarkeit“, erklärt Duque-Thüs. Insbesondere im oberen Foyer von Schloss Hohenheim ist sie vielfach dargestellt: in Sträußen und länglichen Gebinden, die andere Stuckelemente rahmen oder von Putten – Kindern mit Engelsflügeln – über die Decke gezogen werden. (s. Bildergalerie unten) Die volle Bedeutung eines Stuckelements erschließt sich dabei jedoch nur aus dem Kontext: die Putten symbolisieren den Liebesgott Amor, das alles umrahmende Acanthus mollis (umgangssprachlich „Weiche Bärentatze“) steht für Unsterblichkeit und Unendlichkeit und die zahlreichen Porträts („Kameen“) vom Herzog und seiner Favoritin Franziska machen deutlich, an wen sich diese unsterbliche Liebeserklärung richtet. Zentral für die Deutung sind Kontext und Perspektive Duque-Thüs weiß: um die Bildsprache des Stucks in Schloss Hohenheim zu verstehen, braucht man Zeit. Und die richtige Perspektive: So hat sie selbst sich auch schon mal eine halbe Stunde auf den Fußboden des oberen Foyers gelegt, um die Pracht an der Decke in aller Ruhe zu betrachten. „Die wahre Botschaft dieses Raums zeigt sich einem nur so“, erklärt die Herbariumsleiterin. |
Die Tatsache, dass sich die Liebesbotschaft am besten im Liegen erschließt, lässt sich wiederum deuten: „Es verrät, was in diesem Raum gemacht wurde“, verrät Duque-Thüs augenzwinkernd.
Auch heute sind alte Rosenarten Schätze für das Herbarium der Universität
Mit Rosen beschäftigt sich Duque-Thüs nicht nur im Stuck der Universität: Derzeit bearbeitet sie im Herbarium, einer Art Pflanzenarchiv und -bibliothek, ein Projekt zur Dokumentierung und Digitalisierung aller Rosen auf dem Campus und in den Hohenheimer Gärten.
Ihr Praktikant Nathanael Rapp, Student der Agrarbiologie, ist damit betraut, die Rosen ausfindig zu machen und für das Herbarium aufzubereiten. Dies umfasst unter anderem das Pressen und Konservieren von allen wichtigen Teilen der Pflanze. „Am Forschungs-Weinberg haben wir zwei ganz besondere Rosensorten gefunden“, berichtet Rapp.
Früher waren Rosen die Leibwächter der Weinreben
Er kennt die wichtige Funktion, die Rosen früher an diesem Standort erfüllten: „Sie bekommen dieselben Krankheiten wie die Weinreben, nur früher. So konnte man, wenn die Rose krank wurde, die Reben noch rechtzeitig schützen.“ Heutzutage forscht die Universität vor allem an pilzresistenten Rebsorten, sodass die Rosen weniger epidemiologische und mehr dekorative Zwecke erfüllen.
Hochinteressant sind die beiden Weinberg-Rosen dennoch: Zum einen handelt es sich um sehr alte Sorten. Diese sind leicht daran zu erkennen, dass sie – anders als neuere Sorten – nicht so dicht mit Blütenblättern gefüllt sind und stattdessen mehr der unscheinbareren Staubblätter enthalten.
Zum anderen wurden sie möglicherweise noch nie bestimmt und archiviert.
Würden die Rosenstöcke sterben, wären sie damit für immer verloren. „Für das Herbarium sind diese beiden Rosen daher wahre Schätze“, erklärt Duque-Thüs lachend.
Text / Video: Melina Fritz