Neue Serie

Schätze der Sammlungen: Goldener Pflug  [02.03.16]

Die Industrialisierung Deutschlands ist ohne die vorangegangene Agrarrevolution kaum vorstellbar. Ein Objekt verkörpert diesen historischen Innovationsschub besonders symbolträchtig: Der Goldene Pflug aus Hohenheim ist das erste wissenschaftlich erprobte und in Manufaktur produzierte landwirtschaftliche Gerät in Deutschland. Heute ist der Goldene Pflug im Deutschen Landwirtschaftsmuseum an der Uni Hohenheim zu bewundern.

Der Goldene Pflug | Bild: DLM


Neue Serie: Einmal monatlich präsentiert der Hohenheimer Online-Kurier die Geschichte hinter einem Objekt einer wissenschaftlichen Sammlung, dem Deutschen Landwirtschaftsmuseum oder dem Campusgelände der Uni Hohenheim.

 

Historischer Verkaufsschlager

Was für ein Unterschied zu den Pflügen, die sich die Bauern von Tischlern und Dorfschmieden zusammenschustern ließen. Vom Griff bis zur Pflugschar durchgenormt, entwickelt sich das Produkt der Landwirtschaftlichen Unterrichts-, Versuchs- und Musteranstalt, aus der später die Uni Hohenheim hervorging, im 19. Jahrhundert schnell zum Verkaufsschlager.

Historiker kürt Goldenen Pflug als eines der 100 wichtigsten Objekte

Von Römerkunst bis Merkel-Handy: Eine Neuerscheinung des Piper-Verlages erzählt deutsche Geschichte in 100 Objekten. Eines davon: der Goldene Pflug.

Autor: Prof. Dr. Hermann Schäfer

Entsprechend schwärmerisch fällt das Lob von Zeitgenossen aus. Demnach „zeichnet sich der Hohenheimer Pflug durch tadellose Arbeit aus“, er „gestattet eine so tiefe Beackerung, wie wenig andere Pflüge“, habe „einen festen, steten Gang“ und „beansprucht bei all dem nur eine geringe Zugkraft“.

„An diesem Produkt war jede Wölbung durchdacht“, lobt Dr. Jürgen Weisser, Leiter des Deutschen Landwirtschaftsmuseums. „Jede Scholle, die die Pflugschar aufriss, wurde im Winkel von 135 Grad gewendet und so perfekt abgelegt, dass sie das Unkraut an ihrer Oberfläche unter sich begräbt.“

Deutschlands Sillicon Valley der Landwirtschaft im 19. Jahrhundert


Unter anderem dank dieses Erfolgs mauserte sich der Standort Hohenheim im 19. Jahrhundert schnell zum Motor der landwirtschaftlichen Innovation in Deutschland.

Die angegliederte „Ackergeräthefabrik“ verbesserte Geräte, entwickelte neue und produzierte sie in Serie. Hohenheimer Landmaschinen galten als die modernsten ihrer Zeit. Schon in den 1830er Jahren produzierten 20 Mitarbeiter bis zu 400 Geräte im Jahr. „Hohenheim war damals“, so Dr. Weisser, „Deutschlands Silicon Valley der Landwirtschaft des 19. Jahrhunderts“.

Mit einem besondere Kniff gelang den Agrarpionieren ein einmaliger Wissenstransfer: Neben Originalgeräten schufen sie kleine, voll funktionstüchtige Modelle. Anhand der Modelle konnten auch Handwerker auf dem Dorf die Neuentwicklungen nachbauen. Und schon bald verkauften sich die Modelle genau so oft wie die Geräte in Originalgröße.

Deutsches Landwirtschaftsmuseum (DLM)

Das DLM zeigt auf 5.700 qm überdachter Ausstellungsfläche liebevoll restaurierte Landmaschinen, die Agrargeschichte geschrieben haben. Die Besucher erleben den Wandel der landwirtschaftlichen Produktion und erfahren die Auswirkungen der technischen Innovationen auf die Arbeitsbedingungen der Bauern. Die Exponate zeigen die Entwicklung vom einfachen ackerbaulichen Gerät bis hin zur modernsten Agrartechnik.

Innovation aus der Not heraus

Die Hohenheimer Musteranstalt war eine Geburt aus der Not heraus. Vorausgegangen war eine weltweite Klimakatastrophe, das „Jahr ohne Sommer“ 1816 und eine Serie von Missernten, Preissteigerungen und Hungersnöten.

In Frankreich und England gab es Volksaufstände, die teils blutig niedergeschlagen wurden. In Württemberg investierten das junge Königspaar Wilhelm I und Katharina in Bildung, Forschung und Sozialsysteme. Dazu gehörten Suppenküchen, eine landesweite Sparkasse und eben die „Landwirtschaftliche Unterrichts-, Versuchs- und Musteranstalt“ samt „Ackgeräthefabrik“ in Hohenheim.

Das Paar agierte ausgesprochen nachhaltig: „Die Ackergerätefabrik war eine Non-Profit-Organisation. Und die besonders leistungsstarken Pflüge wurden zusätzlich noch einmal vom König selbst subventioniert“, weiß Dr. Weisser vom Deutschen Landwirtschaftsmuseum der Universität Hohenheim.

Die Bevölkerung dankte es in besonderer Weise. Den Festzug zum 25. Thronjubiläum des Monarchen führte ein festlich geschmückter Wagen. Darauf – mit Goldfarbe lackiert – der Goldene Pflug aus der „Ackergeräthefabrik“. Begleitet wurde er von 10.000 Menschen, 600 Reiter und 700 Tiere.

„Zum Goldenen Pflug“ heißen heute noch eine Reihe von Gasthöfen im Großraum Stuttgart.

Text: Klebs

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