Schätze der Sammlungen
Das erste Lurchi-Heft [19.04.18]
Ob Oma und Opa oder die Enkel: Den Lurchi dürften sie alle kennen. Generationen von Kindern verfolgen seit den 1950er Jahren gespannt, wie Lurchi mit seinen Freunden um die Welt reist und die wildesten Abenteuer erlebt: Mit dem Frosch Hopps, dem Zwerg Piping, Mäusepiep, Unkerich und Igelmann.
158 Bände seiner Abenteuer sind bis heute erschienen, zusammengefasst in acht Sammelbänden. „In den 1950er, 60er und 70er Jahren erreichten die Bände Millionenauflagen“, so die Geschäftsführende Direktorin des Wirtschaftsarchivs Jutta Hanitsch, in deren Obhut die Bände lagern.
Zu diesem Erfolg braucht es jedoch zwei Anläufe: Die ersten Heftchen erscheinen zwar schon im Jahr 1937, bereits 1939 verschwindet der Salamander jedoch kriegsbedingt wieder in der Versenkung. Erst 1951 ist ihm ein zweiter Anlauf vergönnt: Zuerst werden seine ersten fünf Abenteuer neu aufgelegt, ab 1953 dann erscheinen neue Folgen. Sie läuten die Glanzzeit des Lurchs ein.
Das Wirtschaftsarchiv Baden-Württemberg |
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Alte Werbeplakate, seltene Kataloge, Fotos aus der Arbeitswelt, technische Zeichnungen, Verträge, Statistiken und mehr: Das Wirtschaftsarchiv Baden-Württemberg (WABW) ist eine Fundgrube an wirtschafts- und sozialgeschichtlichen Quellen. Unterlagen aus vier Jahrhunderten geben Aufschluss über die gesellschaftliche, wirtschaftliche und kulturelle Entwicklung des Landes. Eine faszinierende Palette aus den vielfältigen Bereichen des Wirtschafts- und Soziallebens lädt zum Stöbern und Recherchieren ein. |
Abenteuerlustig und immer am Puls der Zeit
Gemeinsam mit seinen Freunden bezwingt Lurchi Vulkane, baut eine Burg, nimmt an Olympia teil und bereist exotische Länder. Zur Fortbewegung nutzt er Sportwagen, Motorrad, Düsenflieger, Segelboot, Fesselballon oder auch mal einen Mähdrescher. Er versucht sich unter anderem als Skispringer, Feuerwehrmann, Magier und Torero.
Kurz nachdem Yuri Gagarin als erster Mann ins Weltall reist, schafft der Feuersalamander es 1961 schon bis zum Mars. In den 1970er Jahren erfährt sein Zeichenstil eine kurze Phase der rauschhaftigen Farbenpracht, in den 1980ern macht er sich mit der aufkommenden Umweltbewegung Sorgen über Müll in seinem Wald. „Lurchi blieb immer am Puls der Zeit,“ fasst Hanitsch zusammen.
Held und Schuhvertreter
Vor allem in früheren Jahren trägt Lurchi meist einen grünen Filzhut mit Gamsbart – und an den Füßen natürlich immer festes Salamander-Schuhwerk, denn aus seinen Ursprüngen als Werbeträger macht Lurchi nie einen Hehl. In den Bändchen werden die Schuhe offen angepriesen, und ihre stabile Qualität trägt mitunter sogar zum erfolgreichen Ausgang eines Abenteuers bei: Zum Beispiel, wenn die starke Salamander-Sohle es Lurchi erlaubt, eine Tür einzutreten.
Eine erfolgreiche Verbindung, meint Prof. Dr. Markus Voeth vom Lehrstuhl für Marketing & Business Development der Universität Hohenheim: „Die bunten Heftchen waren damals eine Besonderheit. Diese starke Marke ermöglichte es dem Unternehmen, nach Krisenzeiten wieder Kunden zu erreichen.“
Kurioserweise erscheinen die ersten Lurchi-Heftchen lange bevor Salamander überhaupt mit der Produktion von Kinderschuhen beginnt. Sie erfüllten damit eher die Funktion einer Spielecke im Kaufhaus, wo die Kinder beschäftigt sind, während die Eltern beim Schuhkauf beraten werden, so Prof. Dr. Voeth.
Maskottchen: Das Gesicht zur Marke
Er ist nicht das erste berühmte Maskottchen – andere Marken-Repräsentanten wie das französische Michelin-Männchen kamen dem Lurchi zuvor. Dennoch hat es der schwarz-gelbe Feuersalamander zu anhaltendem Ruhm gebracht, seit er zum ersten Mal auf dem Titelblatt eines der berühmten grünen Heftchen prangte.
„Alte Ausgaben der Lurchi-Hefte erfreuen sich heute bei Sammlern großer Beliebtheit,“ weiß Prof. Dr. Voeth. Der Erfolg der Markenbotschafter hält an: „Maskottchen sind heute immer noch ein beliebtes Instrument, um Marken im Gedächtnis der Kunden zu verankern. Als aktuelle Beispiele können dabei „Mario“ für Nintendo oder „Red & Yellow“ für M&M’s genannt werden.“
Kornwestheim-Berlin: Der Start einer erfolgreichen Partnerschaft
Doch es ist nicht der fröhliche schwarz-gelbe Lurch allein, der Salamander zum Erfolg verhilft: Firmengründer Jacob Sigle und sein Geschäftspartner und Mann fürs Kaufmännische Max Levi machen schon lange vor Lurchis erstem Auftritt mit nie dagewesenen Geschäftsideen von sich reden.
Angeregt durch einen Wettbewerb des Berliner Schuhgeschäfts Rudolf Moos entwickelt Sigle Anfang des 20. Jahrhunderts das Prinzip des „Einheitsschuhs“: Ein Schuh, der in jedem Geschäft in gleicher Ausführung und zum gleichen Preis angeboten wird – und dabei für die gebotene Qualität deutlich günstiger ist als Konkurrenzangebote. „Salamander-Werbeanzeigen aus den ersten Jahren des 20. Jahrhunderts preisen Herrenschuhe zum Einheitspreis von 12,50 Mark an,“ so Wirtschaftsarchiv-Leiterin Hanitsch. „Ein vergleichbarer Schuh kostete zu dieser Zeit normalerweise etwa 20 Mark.“
Neben dem niedrigen Preis bietet der Schuh zum Einheitspreis auch Vorteile für Händler und Produzenten: „Er kostet in jedem Geschäft gleich viel und kann auf großen Vorrat produziert werden.“ Der Erfolg bei den Kunden ist durchschlagend, wie Hanitsch berichtet: „Als der Schuh 1905 in Berlin in den Verkauf geht, ist der Andrang so groß, dass die Polizei einschreiten und für Ordnung sorgen muss.“
Maskottchen, Einheitspreis und Filialsystem: Mit Innovationen zum Erfolg
Jakob Sigle und Rudolf Moos tun sich zusammen und entwickeln die Marke Salamander weiter, die Rudolf Moos 1899 ursprünglich für ein Sortiment an Schuhpflegeprodukten angemeldet hat – bereits mit Salamander im Logo. Warum Moos sich für die Echse entschied, ist unbekannt. Moos selbst scheidet früh wieder aus dem Unternehmen: Sigle zahlt ihn bereits wenige Jahre nach Gründung der Salamander-Schuhmarke mit der immensen Summe von einer Million Goldmark aus.
Eine weitere Innovation, die Levi entschlossen vorantreibt, gibt dem Unternehmen zusätzlichen Schub: Ein System aus Filialen, die in einer bestimmten Preisspanne ausschließlich Salamander-Schuhe vertreiben. Was heute bei Deichmann und Co. üblich ist, war damals Neuland.
Levis Strategie geht auf: 1913 gibt es deutschlandweit 832 sogenannte Alleinverkäufer, knapp 3.500 Menschen arbeiten für die Salamander-Schuhfabrik. Vom kleinen Handwerksbetrieb hat sich die Firma zum Großunternehmen entwickelt. Laut einer 1966 von Salamander herausgegebenen Firmengeschichte ist Salamander damit die größte deutsche Schuhfabrik.
Im Verlauf der folgenden Jahrzehnte erlebt die Firma Glanzzeiten und Krisen: Im Jahr 1967 produzieren knapp 18.000 Mitarbeiter weltweit 13,5 Millionen Salamander-Schuhe. In den 1970ern sinken Produktion und Absatz, als ausländische Schuhmarken auf den Markt drängen. Nach der Jahrtausendwende wechselt die Firma mehrfach den Besitzer und gehört heute zur ara AG. Doch trotz aller Veränderungen: der kleine grüne Salamander im runden Markenlogo und sein schwarz-gelber Verwandter Lurchi sind bis heute das Gesicht der Marke.
Text: Barsch