Ein Kaffee mit… Prof. Dr. Andreas Kuckertz und Leif Brändle

Unternehmergeist: Hohenheim macht!  [10.04.17]

Professor Andreas Kuckertz und Leif Brändle im HOMA!-Büro. Bild: Uni Hohenheim | Leonhardmair

Denken ist gut, machen ist besser: z.B. neue Technologien aus den Fakultäten A und N mit Wiwi-Sachverstand zum ökonomischen Erfolg führen – oder als studentische Initiative neue Lösungen für soziale oder ökologische Probleme entwickeln. Mit 570.000 € vom Land wollen Prof. Dr. Andreas Kuckertz und das Projektteam vom HOMA! („Hohenheim macht!“) dem Unternehmergeist in Hohenheim auf die Sprünge helfen. Ein wichtiges Erfolgs-Rezept: Hohenheimer Köpfe mit unterschiedlichen Kompetenzen zusammenstecken. Los geht’s im April mit der „Hohenheimer Startup Garage“.



Um zur Kreativ-Zelle von HOMA! zu gelangen, muss man sich bis ans westlichste Ende des Campus begeben, das letzte Gebäude im Wollgrasweg betreten, die Kellertreppe hinabsteigen, eine Stahltür und einen dunklen Gang passieren.

Dann allerdings erlebt man eine Überraschung: Eine große Fensterfront und eine Terrassentür geben den Blick frei auf eine grüne Wiese hinter dem Gebäude, die Wände des nüchternen Büro-Raums sind voll mit bunten Post-its, auf dem Tisch vor dem alten Ledersessel in der Ecke liegt ein Virtual Reality-Brille.

Projekt-Mitarbeiter Leif Brändle lächelt als er den ungläubigen Blick auf die „Terrasse“ im Grünen sieht. Unter „Souterrain“ habe er sich zuerst auch etwas anderes vorgestellt. Nun denkt das 3-köpfige HOMA-Team sogar schon an das erste Gründer-Grillen im büroeigenen Vorgarten.

Was es genau mit dem Projekt HOMA! auf sich hat, erklären Prof. Dr. Andreas Kuckertz vom Lehrstuhl für Unternehmensgründungen und Unternehmertum und Leif Brändle bei einer Tasse Kaffee.

Interview

Herr Kuckertz, Herr Brändle, die Uni hat für das Projekt „Hohenheim macht“ 570.000 € für die kommenden 3 Jahre eingeworben. Was genau haben Sie vor?

Kuckertz: Mit Hohenheim verbinde ich einen kleinen, idyllischen Campus – und eine spannende Mischung von Leuten mit sehr unterschiedlichen Kompetenzen, Ideen und Tatendrang. Trotz dieser guten Voraussetzungen gibt es in Sachen Gründungskultur allerdings noch viel Aufwärtspotenzial.

Wir glauben: Mit zielgerichteter Unterstützung lässt sich das Potenzial heben. Die Förderausschreibung des Landes kam uns dabei wie gerufen.

Wie genau soll diese Unterstützung aussehen?

Kuckertz: Wir setzen mit HOMA! auf mehreren Ebenen an.

Zum einen wollen wir Hohenheimer Technologien mit wirtschaftlichem Potential aufspüren und zum Erfolg verhelfen. Der Ansatz: Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler der Fakultäten A und N, die Interesse haben, eine Technologie wirtschaftlich zu verwerten, mit kreativen, geschäftstüchtigen Studierenden der Fakultät W zusammenbringen.  

Wir nennen das Teilprojekt „Students2Technology“. Einen möglichen Rahmen dafür könnten z.B. Humboldt reloaded-Projekte bieten. Die Vorarbeiten laufen, richtig los geht es in ein paar Monaten.

Brändle: Die zweite Säule von HOMA! setzt noch einen Schritt weiter vorne an: Ziel der „Hohenheimer Startup Garage“ ist es, den aufkeimenden Unternehmergeist von Studierenden und Wissenschaftlern zu fördern und bei der Weiterentwicklung erster Ideen zu helfen.

Kuckertz: Dabei muss es übrigens nicht zwingend um wirtschaftlich verwertbare Ideen gehen. Auch soziale, organisatorische oder ökologische Probleme lassen sich mit unternehmerischem Denken angehen. Ergebnis ist dann vielleicht kein Startup, sondern eine studentische Initiative, ein Verein oder einfach eine neue Herangehensweise im Rahmen bestehender Strukturen.

Startup Garage Hohenheim

Brändle: Eine wichtige Grundvoraussetzung sind geschützte Räume, in denen man Ideen ausprobieren kann. Einen solchen Freiraum schafft die Hohenheimer Startup Garage. Die nächste Runde beginnt übrigens am  25. April. Wer mitmachen will, kann sich jetzt dafür anmelden.

Was hat es mit der Startup Garage genau auf sich?


Brändle:
Das Format führen wir in Hohenheim schon zum dritten Mal durch, dank HOMA! jetzt aber sozusagen in der extended version.

Teilnehmen können Studierende oder Promovierende aus allen Fakultäten, die entweder selbst erste unternehmerische Ideen mitbringen oder in einem Team an der Lösung einer unternehmerischen Herausforderung arbeiten möchten. Wichtig: Es geht nicht um ECTS-Punkte oder Noten, sondern darum gemeinsam etwas auf die Beine zu stellen und unternehmerische Erfahrungen zu sammeln.

Wir treffen uns während des Semesters alle zwei Wochen. In den ersten Sessions bilden wir heterogene Teams, die gemeinsam möglichst viele Ideen generieren. Dazu gehört auch, sich klar zu machen, welche Probleme oder Bedürfnisse eine bestimmte Idee eigentlich genau lösen bzw. befriedigen will – und welche alternativen Ansätze es dafür sonst noch geben könnte.

Danach heißt es für die Teams, eine Idee auswählen – und den Campus verlassen. Die Aufgabe: mit Menschen sprechen, die genau die Probleme haben, die durch die unternehmerische Idee gelöst werden sollen. Auf Basis dieser „Kundeninterviews“ passen die Gruppen dann ihre ursprünglichen Überlegungen an und entwickeln ausgefeiltere Produkt- bzw. Service-Konzepte.

Am Schluss der Startup Garage geht es damit dann in den Pitch: Das heißt, die Teilnehmer präsentieren ihr Konzept vor Publikum und erhalten professionelles Feedback.

Ob sie die Idee anschließend weiterverfolgen, bleibt ihnen selbst überlassen. Falls ja, steht das HOMA!-Team weiter mit Rat und Tat zur Seite.

Was lerne ich in der Startup Garage?


Kuckertz:
Zum einen geht es um Methoden, wie man aus der ersten, groben Idee ein richtig gutes, gefragtes Produkt bzw. eine Dienstleistung entwickelt.

Genauso wichtig ist uns aber, unternehmerische Grundeinstellungen zu vermitteln: Umwege und Sackgassen bis zum ersten Erfolg sind völlig normal. Das Motto lautet: experiment, fail, learn, repeat! Gescheitert ist nur, wer es nicht erneut auf andere Weise probiert.

Und vor allem: Traut euch was und legt einfach mal los! Ihr dürft hier an der Uni nicht nur selbst denken, sondern auch selbst machen – und es ist auch nicht verboten, dabei ggfs. sogar Geld zu verdienen!

Brändle: Sehr hilfreich ist es auch, von Fehlern und Erfahrungen anderer zu lernen. Wir wollen deshalb eine Art „Ökosystem“ für Hohenheimer Startups kultivieren. Das heißt Hohenheimerinnen und Hohenheimer nicht nur auf dem Weg bis hin zur ihrem Startup unterstützen, sondern auch darüber hinaus Kontakt halten – und sie als Mentoren für die nächste Generation von Gründungsinteressierten gewinnen.

Kuckertz:
Eine wichtige Rolle spielen gründungserfahrene Hohenheimer übrigens nicht nur in der Startup Garage, sondern auch beim dritten HOMA!-Teilprojekt: Dem „Venture Weekend Bioeconomy“.

Warum Bioökonomie? Musste der Begriff im Förder-Antrag auftauchen, weil sich die Uni das Thema so groß auf ihre Fahne geschrieben hat?


Kuckertz:
Es geht uns nicht darum, der Unileitung einen Gefallen zu tun o.ä.. Das Thema passt sehr gut nach Hohenheim, das ist richtig. Aber es bietet vor allem viel Potential.

Eine wichtige Grundregel lautet: Gründer brauchen Probleme. Je größer das Problem, desto größer auch die wirtschaftlichen Chancen, die darin liegen. Und Bioökonomie beschäftigt sich mit einigen der größten denkbaren Probleme überhaupt, z.B.: wie kommen wir in Zukunft mit weniger fossilen Rohstoffen aus?

Wer heute eine neue App auf den Markt bringen will, muss sich schon fragen, ob die aktuellen Trends in zwei Jahren immer noch aktuell sind. Bio-basierte Produkte oder Dienstleistungen im Zusammenhang mit Bioökonomie werden dagegen immer relevanter.

Was genau ist die Idee des Venture Weekends?

Kuckertz: Das „Venture Weekend Bioeconomy“ richtet sich neben Uniangehörigen ganz ausdrücklich auch an Externe, die bioökonomische Ideen wirtschaftlich verwerten möchten.

Vereinfacht lässt sich das Konzept so zusammenfassen: Wir stecken Leute mit unterschiedlichen Kompetenzen, Erfahrungen und Ideen 54 Stunden lang zusammen ins Schloss. Dabei gibt es Input und Feedback von Hohenheimer Gründern und Wissenschaftlern.

Es wird viel Kaffee getrunken und wenig geschlafen. Im aller besten Fall kommt man am Freitag ohne konkrete Idee und legt am Montag den Grundstein für das eigene Bioökonomie-Startup.

Wir werden berichten. Vielen Dank für das Gespräch!

Interview: Leonhardmair

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