Mehr Autonomie für Weiterentwicklung von Studiengängen

Systemakkreditierung erfolgreich  [27.11.20]

Bild: Uni Hohenheim

Es geht um die Qualität des wichtigsten „Produkts“, das die Uni Hohenheim anzubieten hat: ihre Studiengänge. Künftig ist sie bei deren Akkreditierung nicht mehr auf externe Agenturen angewiesen. Dank erfolgreich abgeschlossener Systemakkreditierung darf die Uni Hohenheim das Siegel des Deutschen Akkreditierungsrats stattdessen nun 8 Jahre lang selbst verleihen. Die Prorektorin für Lehre verspricht sich von der neu gewonnenen Autonomie u.a. mehr Dialog, mehr Kontinuität und mehr strategischen Weitblick bei der Weiterentwicklung der Studienangebote.


Sind Studieninhalte, Qualifikationsziele und Lehrformate noch up to date? Bauen Module sinnvoll aufeinander auf? Sind Prüfungen angemessen gestaltet? Gibt es möglicherweise zu viele? Erlaubt das Curriculum Studierenden ohne Probleme einen Aufenthalt im Ausland? Und: Können Studierende am Ende des Studiums tatsächlich das, was man ihnen am Anfang verspricht?

Fragen wie diese müssen sich Unis in Bezug auf jeden einzelnen ihrer Studiengänge immer wieder neu stellen und ggfs. nachjustieren, um konkurrenzfähig zu bleiben. Auch die brandaktuelle Frage, ob und wie digitale Lehr-Formate nach Corona in den regulären Studienbetrieb integriert werden sollten, wird bei der Weiterentwicklung der Studienangebote in den nächsten Jahren eine wichtige Rolle spielen.

„Dank der erfolgreich durchlaufenen Systemakkreditierung können wir all diese Themen nun effektiv und selbstbestimmt voranbringen, im kontinuierlichen Dialog mit allen relevanten Akteuren. Auch die Perspektive der Studierenden, Absolventen-Befragungen und eine Reihe von empirischen Daten, die wir für jeden Studiengang erheben bzw. zusammenstellen, werden dabei eine wichtige Rolle spielen“, fasst Prof. Dr. Korinna Huber, Prorektorin für Lehre, zusammen.

Hintergrund: Viele Unis wünschen sich aktivere Rolle

So wichtig das Thema Qualitätsmanagement im Hinblick auf die Studiengänge ist, so sehr hatte es in der Vergangenheit auch immer wieder für Verdruss an den Universitäten gesorgt.

Denn wie genau es abzulaufen hat, ist von der Hochschulpolitik genau vorgeschrieben. Bis vor einigen Jahren mussten sich alle Studiengänge einer sogenannten „Programm-Akkreditierung“ durch eine externe Agentur unterziehen, die im Anschluss Auflagen erteilen kann. Den Unis selbst kommt in diesem Prozess eine vergleichsweise passive Rolle zu.

Das geht besser, glaubt man vielerorts, auch an der Uni Hohenheim:

„Ein Problem bei der klassischen Programmakkreditierung ist, dass die externen Gutachterinnen und Gutachter sich immer nur punktuell mit bestimmten Themen befassen können. Wir sind jedoch überzeugt, dass sich echte Fortschritte in vielen Fällen nur erreichen lassen, wenn man kontinuierlich am Ball bleibt und den Kontext vor Ort sehr genau kennt“, so Prof. Dr. Huber.

Ein weiteres Manko aus Sicht der Prorektorin: „Studiengänge werden bei der Programmakkreditierung stets einzeln betrachtet. Das heißt: Auch die Auflagen sind individuell und nicht aufeinander abgestimmt. Eine strategische Entwicklung des Studienstandorts als Ganzem findet auf diesem Weg nicht statt.“

Lob für Team-Geist in Hohenheim

Seit knapp 10 Jahren besteht als Alternative zur Programmakkreditierung die Möglichkeit der Systemakkreditierung.

Unis dürfen die Qualitätssicherung für ihre Studiengänge dabei in die eigenen Hände nehmen. Allerdings müssen sie vorher in einer besonders strengen Prüfung unter Beweis stellen, dass ihr internes Qualitätsmanagementsystem den Ansprüchen der Stiftung Akkreditierungsrat genügt, also der gemeinsamen Einrichtung der Länder für die Qualitätssicherung in Studium und Lehre.

An der Uni Hohenheim hat man diesen anspruchsvollen Weg vor drei Jahren eingeschlagen. Nach intensiver Vorbereitung unter Beteiligung von Lehrenden aus allen Fakultäten, Beschäftigten aus der Verwaltung und Studierenden gab es Ende Oktober nun den ersehnten Erfolg zu vermelden:

„Die Geschäftsstelle des Akkreditierungsrats hat unser QM-System als besonders klar strukturiert und verständlich bezeichnet“, berichtet Dr. Folkert Degenring von der Stabstelle Weiterentwicklung Lehre. „Besonders haben wir uns auch über ein mündliches Feedback der externen Gutachter gefreut: Nach getrennten Gesprächen mit Studierenden, Lehrenden, Verwaltungsmitarbeitern und der Uni-Leitung hatten sie den Eindruck, dass alle Akteure in Hohenheim tatsächlich sehr gut an einem Strang ziehen und dass das QM-System in allen Ebenen angekommen ist. Dies sei in dieser Form keineswegs selbstverständlich.“

Grundzüge des neuen QM-Systems

Konkret besteht das Hohenheimer QM-System aus einem kleinen und einem großen Monitoring-Zyklus.

Im Rahmen des kleinen Monitoringzyklus finden jedes Jahr Gespräche in den Fakultäten statt. Das Dialog-Format soll einen regelmäßigen Anlass schaffen, um über aktuelle Entwicklungen und etwaige Probleme in den einzelnen Studiengängen zu diskutieren und Maßnahmen für Verbesserungen zu ergreifen. Dabei steuern auch Studierende ihre Perspektive bei.

Ausgangsbasis für die Gespräche ist ein breitgefächertes Informations-Paket, bestehend aus quantitativen und qualitativen Daten. Ein wichtiger Bestandteil hierbei sind die sogenannten „Studiengangdatenblätter“. Sie beinhalten u.a. Entwicklungen der Studierenden- und Bewerberzahlen, die durchschnittliche Abitur-Note der Bewerber, Abbrecher-Quoten sowie eine Übersicht zu Notendurchschnitten und Erfolgsquoten in den Pflichtmodulen. Außerdem enthalten sind Ergebnisse von aktuellen Absolventen- und Studierenden-Befragungen, die studiengangspezifisch ausgewertet werden.

Der große Monitoringzyklus findet alle 8 Jahre statt: Er beginnt zunächst mit dem sogenannten „Studiengangdialog“, der ähnlich wie der jährliche kleine Monitoringzyklus abläuft. Anschließend wird das Verfahren dann im sogenannten „On Campus-Dialog“ um die Perspektive von außen und im abschließenden „Rektoratsdialog“ um die strategische Perspektive der Uni-Leitung erweitert.

Beim „On Campus-Dialog“ werden Profs und eine Studentin bzw. ein Student einer anderen Universität, sowie einen Praktiker aus einem Berufsfeld, das für den jeweiligen Studiengang relevant ist, miteinbezogen. Anders als bei bisherigen Akkreditierungsverfahren steht dabei der Dialog auf Augenhöhe im Vordergrund. Die externen Expertinnen und Experten nehmen also in erster Linie die Rolle von kritischen Freunden ein, die eine Außenperspektive für die Diskussion beisteuern. Sie haben jedoch auch einen Prüfauftrag zur Einhaltung von fachlich-inhaltlichen Kriterien, die in der Studienakkreditierungsverordnung des Landes vorgegeben sind.

Im „Rektoratsdialog“, der letzten Phase des internen Akkreditierungsverfahrens, vereinbaren die Fakultäten mit dem Rektorat Zielvereinbarungen, die sich am Ergebnispapier des „On Campus-Dialogs“ sowie an den strategischen Zielen der Uni orientieren. Im Anschluss wird das Qualitätssiegel für den jeweiligen Studiengang verliehen, zusammen mit dem Siegel des Akkreditierungsrates. Damit ist der Studiengang für die Dauer von 8 Jahren gültig akkreditiert.

QM-Verfahren soll im laufenden Betrieb weiterentwickelt werden

Besonders erfreulich sei, dass die Hohenheimer Akteure die internen Akkreditierungsverfahren nicht als notwendiges Übel, sondern als Möglichkeit einer kontinuierlichen und nachhaltigen Qualitätsentwicklung der Studienangebote sehen, so Dr. Géraldine von Uckermann, Leiterin des Referats Qualitätsmanagement | Strategie Lehre.

Auch das Referat selbst strebe eine kontinuierliche Qualitätsentwicklung an:

„Es wurde in den letzten Jahren viel Energie und Ausdauer eingesetzt, um das Projekt ‚Systemakkreditierung‘ innerhalb kurzer Zeit zu einem positiven Abschluss zu führen. Dass dies gelungen ist, und gar in einer Akkreditierung ohne Auflagen resultierte, stellt einen großen Erfolg dar! Dennoch ist auch das Hohenheimer Verfahren nicht davor gefeit, dass es an sich verändernde Bedingungen angepasst und weiterentwickelt werden muss“, so Dr. von Uckermann.

Beispielswiese wurde das QM-System anhand von einzelnen Modellstudiengängen etabliert. Tatsächlich sollen künftig aber parallel mehrere benachbarte Studiengänge den Prozess als Cluster durchlaufen. Anpassungen an spezielle Anforderungen dieses Cluster-Verfahrens und an spezifische Rahmenbedingungen einzelner Studiengänge sollen im laufenden Betrieb erfolgen.

„Auch die Prozessabläufe der Akkreditierungsverfahren sollen zugleich konkretisiert und deutlich optimiert werden. Unser Ziel sind schlanke, effiziente und weitgehend intuitive Prozesse“, so Dr. von Uckermann. „Wir versuchen die Beteiligten während des gesamten Verfahrens optimal zu beraten und zu unterstützen.“

Text: Leonhardmair

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