Prorektorin für Digitale Transformation im Interview

Ein Kaffee mit… Prof. Dr. Caroline Ruiner  [16.04.21]

Prof. Dr. Caroline Ruiner erforscht als Soziologin die Digitale Transformation in Unternehmen. Nun begleitet sie als Prorektorin die Digitalisierung des Uni-Betriebs. Bild: Uni Hohenheim

Digitale Verwaltung, Home-Office, Online-Lehre, …: Auch nach Corona will sich die Uni Hohenheim in vielen Bereichen digitaler aufstellen. Eine Mammutaufgabe, die in den kommenden Jahren an Fahrt aufnehmen soll. Dazu wurde das Rektorat nun um ein zusätzliches Mitglied erweitert: Seit 1. April ist Prof. Dr. Caroline Ruiner Hohenheims erste Prorektorin für Digitale Transformation. Der Online-Kurier hat mit ihr einen virtuellen Kaffee getrunken.

 

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Frau Ruiner, das Amt der Prorektorin für Digitale Transformation ist neu. Was genau fällt eigentlich in Ihren Aufgabenbereich?

*lacht*

Eine gute Frage. Das Thema ist wirklich übergreifend.

Es geht zum einen um die Digitalisierung von Arbeitsabläufen an der Universität, z.B. die Einführung eines Dokumentenmanagementsystems, digitaler Unterschrift oder datenschutzkonformer Cloud-Anwendungen. Außerdem bedürfen auch etablierte Prozesse, wie zum Beispiel das Management von Studierendendaten, immer wieder Anpassungen oder müssen sogar komplett neu aufgesetzt werden.

Zum anderen will sich die Uni Hohenheim in puncto Lehre mit Hilfe digitaler Formate zeitgemäß aufstellen, um im Wettbewerb um Studierende auch künftig erfolgreich zu sein. Es stellt sich dabei u.a. die Frage, welchen Nutzen wir möglicherweise längerfristig aus den Erfahrungen ziehen können, die wir im Moment durch das pandemiebedingte Distance Learning sammeln. Hierzu ist es wichtig, uns zunächst darüber klar zu werden, wofür wir als Universität in Zukunft stehen wollen.

Nicht zuletzt sind Aspekte der digitalen Transformation in allen drei Hohenheimer Fakultäten auch Gegenstand von Forschung und Lehre. Davon zeugt u.a. eine ganze Reihe neuer Fachgebiete, die das Wort „digital“ im Namen tragen. Die Fakultät Wirtschafts- und Sozialwissenschaften führt aktuell außerdem auch einen neuen Bachelorstudiengang mit dem Titel „Digital Business Management“ ein.

Auch solche Aktivitäten möchte ich als Prorektorin unterstützen, vernetzen und sichtbar machen.

Wie würden Sie Ihre Rolle als Prorektorin für Digitale Transformation genauer beschreiben?

An einer Universität gibt es sehr viele unterschiedliche Prozesse, Akteure und Einrichtungen, die im engen oder weiteren Sinn mit der digitalen Transformation zu tun haben. Damit wir das Rad nicht mehrfach neu erfinden und alle wichtigen Perspektiven einbezogen werden, ist es wichtig, dass die Initiativen an einer zentralen Stelle zusammenlaufen. Diese Vernetzung sehe ich als eine meiner Hauptaufgaben an.

Glücklicherweise fange ich damit nicht bei Null an. Denn auch bisher gab es ja schon das Amt des Chief Information Officer. Der CIO konnte als beratendes Mitglied an Rektoratssitzungen teilnehmen. Mit der neuen Amtsperiode wurde die Funktion nun aufgewertet und einem regulären Rektoratsmitglied zugeordnet. Neben den Themen Forschung, Lehre und Internationalisierung ist die digitale Transformation somit nun also das vierte übergeordnete Handlungsfeld, das an der Uni Hohenheim durch ein eigenes Prorektorat vertreten wird.

In ganz besonders engem Austausch stehe ich bei dieser Aufgabe natürlich mit unseren Expertinnen und Experten im KIM.

Nicht zuletzt hat mein Aufgabenfeld auch vielfältige kommunikative Aspekte. Denn von digitaler Transformation betroffen sind ja letztendlich alle Uni-Angehörigen. Und ich bin überzeugt: Nur, wenn wir alle Beschäftigten und Studierenden auf dem Weg mitnehmen, kommen wir gut voran. Ich will deshalb auch herausfinden: Wo drückt der Schuh, was benötigen oder wünschen sich die Uni-Angehörigen?

Es klingt als haben Sie es mit einer langen Liste an Projekten und Vorhaben zu tun. Auf der anderen Seite sind die Ressourcen der Uni begrenzt. Wie setzen man da Prioritäten?

Sie sprechen einen wichtigen Punkt an.

In einigen Fällen gibt es politische Vorgaben, die uns zum schnellen Handeln zwingen. Beispielsweise müssen wir aktuell unsere Homepage für Menschen mit Sehbehinderung barrierefrei gestalten. Manchmal ergibt sich Handlungsdruck auch aus technischen Gegebenheiten heraus, z.B. weil der Support für eine alte Softwarelösung ausläuft.

Dort, wo uns ein gewisser Spielraum bleibt, sind wir allerdings gut beraten, nicht immer nur von Problem zu Problem zu jagen und einfach dort weiterzumachen, wo ein Anliegen möglicherweise gerade am lautesten artikuliert wird. Stattdessen brauchen wir eine längerfristige Strategie.

Im ersten Jahr sehe ich meine Aufgaben deshalb insbesondere darin, unterschiedliche Akteure in einem Think Tank zusammenbringen, um sozusagen eine Orientierung für die kommenden Jahre zu entwickeln. Ergänzend dazu sind Workshops in den Fakultäten geplant und die Mitwirkung der Uni-Angehörigen.

Die Strategie zur digitalen Transformation soll dann auch in den neuen Struktur- und Entwicklungsplan (SEP) mit aufgenommen werden, in dem die Uni ihre Pläne und allgemeinen strategischen Überlegungen für die kommenden fünf Jahre festlegt und mit dem Ministerium abstimmt.

Als Soziologin beschäftigen Sie sich schon länger mit dem Thema der digitalen Transformation. Können Sie anhand eines aktuellen Beispiels evtl. einen kurzen Einblick in Ihre Forschungsfragen geben?

Ich erforsche u.a. wie digitale Prozesse in Unternehmen eingeführt werden, welche Auswirkungen damit für die Beschäftigten, die Teams, die Führungsbeziehung und die Organisation an sich verbunden sind und welche Faktoren zum Gelingen bzw. zum Scheitern der getroffenen Maßnahmen beitragen.

In einem aktuellen Projekt geht es z.B. um die Frage, wie Künstliche Intelligenz ethisch und sozialverträglich gestaltet werden kann. In einem anderen Projekt wird der Einsatz von KI am konkreten Beispiel der Berufskraftfahrende untersucht, um diese in ihrem Alltag zu unterstützen.

Normalerweise sind für LWK-Fahrten feste Schichten eingeplant. Die tatsächliche Belastung kann allerdings je nach Wetter oder Verkehrslage sehr unterschiedlich ausfallen. Mit Hilfe der KI könnte es z.B. möglich sein, die Arbeits- und Pausenzeiten flexibler an die Verhältnisse anzupassen. Also z.B. längere Schichten bei gutem Wetter, dafür kürzere bei Regen etc.

Eine interessante Frage aus arbeitssoziologischer Perspektive ist grundsätzlich, wie der Einsatz von digitalen Technologien zu gestalten ist, damit eine Unterstützung wahrgenommen wird.

Gibt es Erkenntnisse aus Ihrer bisherigen Forschung, die sich evtl. auch auf die Uni Hohenheim übertragen lassen?

Als allgemeines Fazit lässt sich vielleicht festhalten, dass die Unternehmenskultur einen sehr großen Beitrag leistet, ob die digitale Transformation gut gelingt oder nicht.

Wichtig ist z.B., dass Vorgesetzte ihren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern Vertrauen entgegenbringen und ihnen auch zugestehen, neue Freiräume, die durch digitale Arbeitsformen möglich werden, bis zu einem gewissen Grad autonom zu gestalten. Natürlich gepaart mit guten Unterstützungsangeboten, wenn Probleme auftreten oder wenn es darum geht, sich neue Fähigkeiten anzueignen.

Die Bilanz des Corona-Lockdowns ist ja ziemlich eindeutig: Es wird im Homeoffice nicht weniger gearbeitet. Es besteht eher die Gefahr, dass sich Beschäftigte zu viel zumuten, weil sie auch abends noch schnell Mails anschauen etc. Auch solche Aspekte gilt es im Auge zu behalten, ansonsten können Beschäftigte gesundheitliche Probleme bekommen und mittelfristig an Motivation verlieren.

Eine weitere wichtige Erkenntnis: Neue digitale Prozesse sollten nicht ausschließlich nach dem Top Down-Prinzip eingeführt werden. Es ist enorm wichtig, Erfahrungen, Sorgen und Bedürfnisse aller Betroffenen so gut wie möglich einzubeziehen, um die besten Lösungen zu finden. Diesen Weg wollen wir auch in Hohenheim beschreiten und ich will als Prorektorin einen Beitrag dazu leisten.

Wir werden berichten. Vielen Dank für das Gespräch.

Interview: Leonhardmair

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