Neue Profs: Thomas Dimpfl
Er analysiert Daten – nicht nur für die Finanzmärkte [05.10.22]
Prof. Dr. Thomas Dimpfl | Foto: Uni Hohenheim / Carmen Moosmann
Die Finanzmärkte sind zwar sein Spezialgebiet, doch seine Methoden der Datenanalyse eröffnen ihm auch eine Vielzahl an Möglichkeiten für fachübergreifende Projekte: Prof. Dr. Thomas Dimpfl leitet seit August letzten Jahres das Fachgebiet Wirtschaftsmathematik und Datenwissenschaften.
Doch obwohl – oder gerade weil – Big Data sein täglich Brot sind, geht er in der Lehre gerne auch unerwartete Wege: Der Wirtschaftsmathematiker ist ein bekennender Fan der guten alten Kreidetafel.
Herr Dimpfl, bereits seit August letzten Jahres sind Sie in Hohenheim. Wie war Ihr Start?
Im Großen und Ganzen ist der Start recht reibungslos verlaufen. Durch die Coronabeschränkungen war alles sicher etwas anders als normal, aber ich habe sehr viel Unterstützung erfahren, die das Ankommen erleichtert hat.
Hinweis der Redaktion |
Seit Beginn der Corona-Pandemie war es zeitlich nicht mehr möglich, die traditionellen Willkommensinterviews mit neuen Profs durchzuführen. Nun wird dies in Form einer Serie mit schriftlichen Fragebögen nachgeholt. |
Wenn man so will, ist der Start aber noch nicht ganz abgeschlossen. Wir sind noch dabei, das Lehrprogramm fertig auszuarbeiten, und die letzte freie Mitarbeiterstelle wird auch erst zum Wintersemester 2022/23 besetzt. Damit ist aber das Team komplett und wir können in Lehre und Forschung durchstarten.
Ihr Fachgebiet ist Wirtschaftsmathematik und Datenwissenschaften. Was genau versteht man darunter?Genau genommen handelt es sich um zwei Gebiete, die sich aber sehr gut ergänzen. Unter Wirtschaftsmathematik kann man sich auf die Probleme der Volks- und Betriebswirtschaftslehre angewandte mathematische Methoden vorstellen. Das reicht zum Beispiel von Zinsrechnung für den Bausparvertrag bis zu stochastischen Differentialgleichungen in großen volkswirtschaftlichen Prognosemodellen der Zentralbanken. Daher versuchen wir, in der Lehre im ersten Semester einen großen Bogen zu schlagen mit Methoden, die später relevant werden.
Und hier beginnt dann auch die Brücke zu den Datenwissenschaften, die selbst ja wieder ein Konglomerat aus mathematischer Statistik, Ökonometrie und Informatik unter dem Gesichtspunkt spezifischer Anwendungen und Problemstellungen darstellen. In den Datenwissenschaften entwickeln wir Methoden, die auf die aktuellen Herausforderungen in Bezug auf Datengenerierung, Datenverfügbarkeit und insbesondere auch Datenmenge – Schlagwort „Big Data“ – reagieren.
Was fasziniert Sie daran?Beide Gebiete umfassen Methoden, die in allen möglichen Spezialisierungen Anwendung finden. Ich persönlich finde Finanzmärkte spannend und habe daher in der Forschung einen großen Schwerpunkt auf Aktien- und Kryptomärkte gelegt. Unter anderem deshalb ist das Fachgebiet beim Institut für Financial Management angesiedelt.
Das Schöne ist aber, dass man mit den Methoden auch etwas anderes machen und dabei in spannende neue Forschungsfelder eintauchen kann. So habe ich zum Beispiel mit Kollegen aus Tübingen und Leipzig eine Untersuchung zur Sterblichkeitsrate von COVID-19 in der ersten Welle durchgeführt. Dabei habe wir sehr viel über das Virus, Diagnostik und Teststrategien gelernt und enorm vom medizinischen Wissen des Leipziger Kollegen profitiert. Das war sehr interessant. Und der verbindende Faden, die Frage, wie man Daten analysiert, macht eben solche fachübergreifenden Projekte möglich.
Aktuell laufen wieder zwei Projekte, in die ich in erster Linie meine datenwissenschaftlichen Kenntnisse einbringe und vom fachlichen Know-How der Kolleginnen und Kollegen profitiere. Das ist immer spannend und, wie alles Neue, aufregend.
Wie war Ihr persönlicher Weg bis zur Professur in Hohenheim?Im Jahr 2001 habe ich in Tübingen ein Studium der Internationalen Betriebswirtschaftslehre mit Fachsprachenausbildung in Französisch und Spanisch begonnen. Tübingen hatte ich mir damals ausgesucht, da nach allem was man als Schüler so herausfinden konnte, das Studium „mathelastig“ sein sollte. Dort habe ich dann im Jahr 2006 meinen Abschluss zum Diplom-Kaufmann gemacht und mit einer Promotion in Ökonometrie begonnen.
Mitte 2007 habe ich mit meinem Doktorvater Tübingen Richtung Erfurt verlassen, wo ich Mitte 2010 dann die Promotion abgeschlossen habe. Danach ging es wieder zurück nach Tübingen, zunächst als Post-Doc mit dem Ziel Habilitation. Im Jahr 2016 erhielt ich die Lehrbefugnis für Finanzökonometrie und war ab dann Privatdozent. Ende 2019 wurde ich schließlich in Tübingen zum außerplanmäßigen Professor ernannt, bevor ich im August 2021 nach Hohenheim kam.
Mit welchen Forschungsthemen beschäftigen Sie sich denn im Augenblick?Man könnte es ein buntes Durcheinander nennen, das der rote Faden Datenwissenschaften verbindet. Im Bereich der Kryptowährungen untersuchen wir derzeit zum Beispiel die Frage, wie stark das Herdenverhalten von Investoren in diesen Märkten die Preisbildung verschiedener Coins beeinflusst. Nicht gänzlich überraschend spielt Bitcoin dabei wieder eine zentrale Rolle als größte Kryptowährung, die einfach am meisten Aufmerksamkeit erfährt und damit den Gesamtmarkt dominiert.
Ein weiteres Forschungsprojekt dreht sich um sogenannte „safe haven assets“, also Investitionsgüter, die bei Krisen einen sicheren Hafen darstellen sollen. Gold wird hier normalerweise als Erstes genannt. Dabei stellt sich die Frage, wie findet man so ein Investment, was eignet sich dafür, und wann müsste ich das denn überhaupt kaufen?
An diesen Projekten können die Studierenden durchaus auch schon mitarbeiten. Im vergangenen Sommer haben wir zum Beispiel in dem Kurs „Basics of Computational Sciences“ zusammen mit Professor Vogelgesang daran angelehnte Themen für studentische Forschungsfragen vergeben. Die Poster hängen im Gang vor meinem Büro, und ich freue mich jedes Mal wieder über die Ergebnisse, wenn ich daran vorbeilaufe.
Ein etwas mehr methodisches aktuelles Forschungsprojekt beschäftigt sich mit der Frage, wie wichtig ein bestimmter Markt für die Preisfindung eines Gutes ist, wenn dieses auf mehreren Märkten gehandelt wird (z. B. Zweitnotierung bei Aktien), oder bei sonst in einem engen Zusammenhang stehende Güter (z. B. ein Aktienindex, darauf basierende ETFs und Futures). Hierfür gibt es ein berühmtes Maß, das aber nur dann funktioniert, wenn beide Märkte parallel handeln. Wir arbeiten an einer Erweiterung, die diese Beschränkung aufhebt, sodass die Märkte öffnen und schließen können, wann sie wollen, was sie in der Realität schon aufgrund verschiedener Zeitzonen tun.
Kommen wir zur Lehre: Was bedeutet denn für Sie gute Lehre?Meine Lehre war gut, wenn die Studierenden auch nach mehreren Jahren noch wissen, was sie bei mir gelernt haben und im Rückblick sagen können, dass es relevant war. Ganz klar, nicht jeder braucht immer alles. Aber gerade in Mathematik lernt man ja nicht nur zu rechnen, sondern auch strukturiert zu denken.
Ich denke, der zentrale Aspekt meines Lehrkonzepts ist es, den Studierenden dabei zu helfen, die Dinge, die wir in den Vorlesungen behandeln, in der Tiefe zu verstehen. Dazu muss ich versuchen ihre Neugierde zu wecken. Die Frage nach dem Warum, die man als Kind so gerne gestellt hat, ist an der Universität wieder salonfähig. Dieses Konzept geht sicher auf Kosten der Breite. Vor allem in den Datenwissenschaften ist es mir wichtig, dass die Studierenden die Methoden verstehen und beurteilen können und nicht einfach nur als „plug and play data scientist“ die Uni Hohenheim verlassen.
Ansonsten könnten diejenigen, die mich aus dem ersten Semester kennen, schon gemerkt haben, dass ich ein Fan der Kreidetafel bin. Damit lassen sich Konzepte über 45 Minuten deutlich besser entwickeln als durch Hin- und Herscrollen auf dem Bildschirm. Natürlich gibt es Foliensätze, und die eine oder andere Visualisierung kommt auch in Wirtschaftsmathematik direkt aus dem Computer. Aber kein Bild in lesbarer Größe kommt an vier Tafeln heran, wenn es darum geht, die Lösungsbedingungen für lineare Gleichungssysteme darzustellen.
Andererseits sind wir gerade dabei einen Jupyterhub für die Lehre aufzusetzen, sodass ich in den Data Science-Kursen mit den Studierenden so arbeiten kann, dass sie nur Laptop und Browser benötigen. Es kommt halt immer darauf an, was gerade passt.
Haben Sie einen Tipp für ein erfolgreiches Studium?Bleiben Sie neugierig und offen, um auch einmal eingeschlagene Pfade wieder verlassen zu können. Nach dem ersten Jahr Grundstudium war ich eigentlich recht froh, dass die Statistikvorlesungen vorüber waren. Eine Diplomarbeit an einem Lehrstuhl für Statistik und Ökonometrie hätte ich mir nie vorstellen können. Erst als ich im Laufe des Studiums immer wieder über ökonometrische Anwendungen gestolpert bin, wurde mein Interesse geweckt. Und ganz plötzlich hat auch die Statistik Spaß gemacht. Ich denke, das ist überhaupt das Wichtigste: man muss für sich herausfinden, was einem liegt und Spaß macht. Dazu muss man manchmal Umwege gehen, aber die sind es wert.
Was machen Sie, wenn Sie gerade nicht arbeiten?Wenn ich nicht arbeite, dann finden Sie mich entweder in der Küche beim Backen oder auch beim Joggen im Wald oder beim Klettern am Turm. Je nach Lust und Laune verbringe ich die Zeit aber auch gerne mit Freunden, mit einem guten Buch oder vor der Playstation.
Herzlichen Dank, Herr Dimpfl!Interview: Elsner