Neue Profs: Mizeck Chagunda

Er optimiert Tierzuchtprogramme – nicht nur in Afrika  [14.01.19]

Prof. Dr. Mizeck Chagunda, neuer Leiter des Fachgebiets Tierhaltung und Tierzüchtung in den Tropen und Subtropen | Foto: Universität Hohenheim / Dorothea Elsner

Ob Milchvieh in Ruanda, Kenia, Uganda Äthiopien und Malawi oder Ziegen in Äthiopien und Südafrika – Prof. Dr. Mizeck Chagunda stammt nicht nur aus Afrika, der Kontinent stellt bis heute einen Schwerpunkt seiner Arbeit dar.


Seit Anfang letzten Jahres leitet der Züchtungsexperte das Fachgebiet Tierhaltung und Tierzüchtung in den Tropen und Subtropen. Er sucht nach effizienteren Züchtungsansätzen und Tierhaltungssystemen – und nutzt dafür bevorzugt mobile Datentechnologie und innovative Modellierungsansätze.

(Anm. d. Red.: Das Interview wurde in Englisch geführt und ins Deutsche übersetzt)

Herr Chagunda, Sie haben das Fachgebiet von Frau Valle Zárate übernommen. Was hat sich geändert?

Drastische Veränderungen gibt es eigentlich nicht. Der Name des Fachgebietes ist gleich geblieben, und auch die Forschungsschwerpunkte und die Lehre haben sich nicht verändert. Wir bauen also auf die Arbeit von Frau Valle Zárate auf.

Es gibt allerdings einige Verschiebungen bei den Forschungsschwerpunkten in die Richtung, in der ich in den letzten Jahren gearbeitet habe. Zum Beispiel hin zur Definition neuer Phänotypen bei verschiedenen Nutztierarten und zur Untersuchung von landesweiten Zuchtprogrammen. Auf der Grundlage früherer Erfahrungen und Arbeitsschwerpunkte arbeiten wir auch daran, neue Werkzeuge wie die Genomik zu integrieren. Wir verwenden außerdem neue Ansätze und Technologien wie etwa mobile, tragbare Geräte, um Daten von schwer messbaren Merkmalen zu erfassen.

Wir bauen also auf Frau Valle Zárates Arbeit und ihren exzellenten Ruf in der wissenschaftlichen Gemeinschaft auf – es ist kein Bruch, sondern eine Erweiterung. Ich führe ihre Arbeit mit lokalen Landwirten in Baden-Württemberg fort, beispielsweise zum Thema Tierschutz und einheimische genetische Ressourcen. Auch die Betreuung einiger ihrer Studierenden, die zum Thema Ziegen und anderen Arten arbeiten, habe ich übernommen.

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Kontinuität zeigt sich im Übrigen auch im Team: Wir haben nur einen neuen Wissenschaftler, der zu uns kam, als ich den Lehrstuhl übernahm. Der Rest der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter arbeitete auch schon bei meiner Vorgängerin. Diese Kontinuität ist sowohl für die Lehre als auch für die Forschung sehr wichtig.

Wie sah denn Ihr Weg nach Hohenheim aus? Sie kommen ursprünglich aus Malawi…


... Ja, ich komme aus Malawi. Ich bin dort geboren und aufgewachsen und habe die Grundschule und die weiterführende Schule besucht. Nach mehreren Grundschulen landete ich an der Robert Blake Secondary School, auch Sukulu ya ku Kongwe genannt. Ich habe mein Diplom und Bachelor of Science in Agrarwissenschaften legte ich an der Universität von Malawi ab. Später habe ich dort auch meinen Master of Science in Tierwissenschaften erlangt.

Nach meinem Master-Studium war ich als Dozent für Tierzucht an der Universität von Malawi angestellt. In dieser Zeit erhielt ich ein Stipendium, das mich zur Promotion an die Universität Göttingen brachte. Ich kann daher eigentlich auch schon etwas Deutsch, es ist nur etwas eingerostet – aber das nächste Interview machen wir auf Deutsch!

Nach meiner Promotion in Göttingen kehrte ich nach Malawi zurück, wo ich als Dozent für Tierzucht an der Universität von Malawi tätig war. Das war meine erste Postdoc-Stelle. Nach einigen Jahren verließ ich Malawi und ging nach Dänemark. Ich arbeitete an der Universität Aarhus in einem Projekt, in dem ich biochemische Modelle zur Vorhersage von Krankheiten und Störungen bei Milchvieh entwickelt und getestet habe. Meine zweite Postdoc-Stelle.

Von dort zog es mich nach Schottland, wo ich als Dairy Systems Scientist an das Scotland’s Rural College ging. Dort stieg ich zum senior scientist auf und später zu Dozenten für Milchwissenschaften als Associate Professor. Als ich das SRUC verließ, war ich Interims-Leiter des Dairy Research and Innovation Center.

Obwohl ich ursprünglich primär schottische Milchviehsysteme untersuchte, hatte ich auch Gelegenheit, Projekte in verschiedenen tropischen Ländern wie Malawi, Sambia, Kenia, Tansania, Äthiopien, Simbabwe, Südafrika und Ruanda zu leiten. Ich arbeitete auch mit Kollegen aus Kolumbien, Brasilien und den USA zusammen. Das half mir sehr, mein Forschungsnetzwerk auszubauen. Nun, das war mein „kurzer“ Weg von Malawi nach Hohenheim.

Kommen wir zur Lehre: Was möchten Sie Ihren Studierenden beibringen?

Den aktuellen Stand der Dinge – mir ist Aktualität sehr wichtig, um den Studierenden den Zugang zu ermöglichen. Und der Praxis-Bezug, weshalb ich auch Kooperationen mit der Industrie und Tierzuchtorganisationen wichtig finde. Wir laden die Kollegen dort auch als Experten ein, sich in die Lehre einzubringen und einige studentische Projekte zu betreuen

Integratives Lernen hilft dabei, künftige Expertinnen und Experten auszubilden, die sowohl über wissenschaftliche Kenntnisse als auch über Einblicke in die Industrie verfügen. Man sollte nicht nur aus Büchern lernen, sondern aufgezeigt bekommen, was tatsächlich in der Welt geschieht.

Welche Lehrmethoden verwenden Sie dabei?

Ich verwende sowohl klassische Vorlesungen als auch interaktive Methoden, je nach Thema und Lernziel. Bei Vorlesungen versuche ich, zu Diskussionen anzuregen. Gerne arbeite ich mit interaktiven, kleineren Gruppen, in denen Studienergebnisse diskutiert werden. Dies schließt kritische Rezensionen verschiedener Publikationen ein - gegebenenfalls auch meine eigenen. So erkennen Studierende, dass es immer noch etwas zu verbessern gibt. Oder dass man manchmal sogar umdenken muss. So lernen die Studierenden kritisch zu sein. Und man sollte immer offen für konstruktive Kritik und kritisches Denken sein.

Außerdem erkennt man auf diese Weise, dass Wissenschaft immer weitergeht und kein Ende hat. Mein Ziel ist es schließlich, die nächste Generation von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern zu entwickeln.

An welchen Forschungsthemen arbeiten Sie gerade?

Ein wichtiger Schwerpunkt, an dem ich in Zusammenarbeit mit dem International Livestock Research Institute (ILRI), der University of New England in Australien, dem SRUC und Green Dream Tech in Kenia arbeite, zielt darauf ab, die Züchtungssysteme in Afrika zu verbessern. In diesem Projekt mit dem Namen African Dairy Genetic Gains (ADGG) wollen wir insbesondere die Züchtungsstrategien optimieren und ein Tierhaltungssystem für Milchvieh etablieren. Dazu benötigen wir viele Daten. Um diese zu sammeln, setzen wir Smartphones ein – die übrigens in den meisten afrikanischen Ländern sehr verbreitet sind – und die Bauern erhalten auf dem gleichen Weg auch Feedback von uns.

Ein weiterer Forschungsschwerpunkt besteht darin, dass wir lokale genetische Ressourcen charakterisieren und nutzen. Wir führen diese Arbeit sowohl in Baden-Württemberg als auch in Afrika durch. Auch Vietnam hat Interesse daran bekundet. Das Projekt hat mehrere Dimensionen. Zum Beispiel umfasst die Arbeit in Baden-Württemberg den Einsatz lokaler Nutztierrassen in der sozialen Landwirtschaft, während sie in Afrika eher auf eine genomische Selektion der einheimischen Nutztierrassen abzielt. Auf der einen Seite hilft uns die Arbeit, noch unbekannte Vorteile seltener Nutztierrassen zu entdecken. Andererseits schärfen die Ergebnisse das Bewusstsein für das Thema, so dass diese Rassen erhalten bleiben. Die in Deutschland gewonnenen Erkenntnisse lassen sich auch auf die Tropen und Subtropen übertragen.

In einem dritten Schwerpunkt geht es um Digitalisierung. In einer Kooperation mit dem Nelson-Mandela-Afrikanischen Institut für Wissenschaft und Technologie (NM-AIST) in Tansania nutzen wir moderne mobile Datentechnologie, um Faktoren zu identifizieren, durch die man die Effizienz der Tierproduktion und der Milchproduktion erhöhen kann. Dazu haben wir in Tansania, Kenia, Uganda und Äthiopien 16.000 Kleinbauern über einen Zeitraum von einigen Monaten befragt ...

…wie viele?!?

(lacht) Doch, die Zahl stimmt, es waren 16.000 Interviews. Etwas mehr sogar, einige Antworten mussten wir aussortieren. Wir verwenden Tablets und Internet-basierte Programme, die Ergebnisse gehen also direkt in eine Datenbank ein. Daher ist übrigens eine meiner Doktorandinnen Computer-Spezialistin und keine Tierwissenschaftlerin. Sie verwendet maschinelle Lernansätze, um diese recht großen Datensätze abzuarbeiten

Fachgebiet Tierhaltung und Tierzüchtung in den Tropen und Subtropen

Seit dem 8.1.2018 leitet Prof. Dr. Mizeck Chagunda das Fachgebiet. Es wurde in unveränderter Ausrichtung fortgeführt, als die Vorgängerin, Prof. Dr. Anne Valle Zárate, in den Ruhestand trat. mehr


In einem weiteren Forschungsprojekt nutzen wir die Genomik, um die Rinderrassen in Uganda zu kennzeichnen. Sie müssen sich das so vorstellen, dass die Farmer eine Kuh bekommen, deren erstes weibliches Kalb wiederum an eine andere Farm gegeben wird. Diese Tiere vermischen sich mit anderen lokalen Rassen, mit denen sie auf der Weide sind. Es ist schnell unklar, welche Rasse nun eigentlich vorliegt, so dass man Haltung und Management nicht optimal ausrichten kann. Wir identifizieren die Rasse mittels Genomik, um das Management zu optimieren. Viele Farmer haben nur ein bis zwei Kühe, ohne optimales Management haben sie kaum Ertrag.

Kooperieren Sie dabei mit Ihren Hohenheimer Kolleginnen und Kollegen?


Ja, mit einigen ist die Zusammenarbeit bereits gestartet. Mit Herrn Bennewitz bastle ich gerade an einer Idee zu einem Projekt in Sambia. Und mit Frau Dickhöfer kooperiere ich im Bereich Tiergenetik und Tierernährung. Ich freue mich darauf, die Zusammenarbeit weiter auszubauen und auch auf gemeinsame Doktorandinnen und Doktoranden.

Können sich Studierende an Ihrer Forschung beteiligen?


Ja sicher, für die Master- oder Doktorarbeit zum Beispiel. Wir haben bereits viele Daten gesammelt, auf die man aufbauen kann, man muss also gar nicht immer zurück ins Feld. Aber grundsätzlich wollen wir künftig in alle möglichen Ländern der Tropen und Subtropen forschen: Kolumbien, Brasilien, Peru und Mexiko oder Südostasien – wo immer es interessante Forschungsfragen und finanzielle Förderung gibt.

Und wie sieht es mit Humboldt reloaded aus?

Eine sehr interessante Initiative, die wir voll unterstützen. Wir hatten letztes Semester sogar schon ein Humboldt reloaded-Projekt: Dabei ging es um die Fleischqualität von seltenen Schweinerassen. Ich fand es sehr spannend, wie die Studierenden an interessanten Forschungsfragen mitwirkten

Was bedeutet für Sie gute Lehre?

Mit guter Lehre wird das Lernen zu einer Erfahrung. Wenn man in den Vorlesungen einfach nur mitschreibt, vergisst man doch nachher alles wieder. Es geht darum, Wissen zu erlangen und nicht nur um Prüfungen und Noten. Hier setzt gute Lehre an.

Wo können Ihre Studierenden später arbeiten?


Absolventinnen und Absolventen sind gut vorbereitet für internationale Organisationen, etwa die GIZ oder andere Entwicklungsorganisationen. Und natürlich können sie auch eine wissenschaftliche Laufbahn einschlagen.

Wir bereiten unsere Absolventinnen und Absolventen auf alle Arten von Karriere vor. Mit einem Schwerpunkt auf Tierzucht und -haltung in den Tropen und Subtropen können sie etwa in nationalen und internationalen Organisationen arbeiten. Sie sind sowohl auf eine akademische Laufbahn als auch auf die Entwicklungsarbeit gut vorbereitet. Frühere Studierende von uns arbeiten heute als Universitätsprofessoren, in der nationalen und internationalen Forschung, als Entwicklungsexperten in Organisationen wie GIZ, FAO, ILRI und in Ministerien.

Haben Sie einen guten Rat für die Studierenden?

Bleiben Sie immer offen für neue Möglichkeiten und Gelegenheiten. Die Wissenschaft ist eine nie endende Geschichte, es gibt immer wieder neue Methoden und Ansätze. Und erhalten Sie sich die Wissbegierde.

Wie war Ihr erster Eindruck von Hohenheim?

Dass es toll wäre hier zu arbeiten. Der Campus wirkt so freundlich, nicht zu groß und nicht zu klein. Ich bin sehr glücklich, hier zu arbeiten. Die Studierenden haben einen vielfältigen Hintergrund, sowohl in akademischer als auch in geografischer Hinsicht. Das ist sehr wichtig für die Wissenschaft und für neue Ideen.

Übrigens fand ich das Jubiläum letztes Jahr sehr erfolgreich – sehr gut organisierte Veranstaltungen! Vor allem der Tag der offenen Tür für die Öffentlichkeit war klasse, das gibt der Uni auch in der öffentlichen Wahrnehmung Gewicht.

Was machen Sie denn in Ihrer Freizeit, Herr Chagunda?

Ich spiele gerne Golf. Ich bin darin zwar nicht besonders gut, aber es ist schön, an der frischen Luft zu sein. Ich habe 12 Jahre in Schottland gelebt, dort ist Golf sehr weit verbreitet, es war fast unvermeidlich mitzuspielen. Ich liebe ausgedehnte Spaziergänge und lese gern populärwissenschaftliche Bücher, die nicht in mein eigenes Arbeitsgebiet fallen. Mich interessiert zum Beispiel brennend alles rund um das Thema Weltraumforschung, die Internationale Raumstation, die NASA und die internationale Zusammenarbeit im Bereich der Weltraumforschung. Ich schätze, ich habe eine Vorliebe für Astronomie.

Herzlichen Dank für das Gespräch!


Interview: Dorothea Elsner

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