Schätze der Sammlungen

Die Hufeisensammlung im Tiermedizinischen Museum  [18.12.17]

Zum Jahreswechsel taucht es auf Grußkarten und als Tischdekoration auf, gemeinsam mit Schweinchen, Schornsteinfegern und anderen glückbringenden Symbolen: Das Hufeisen. Besonders viel Glück dürfte demnach ein Besuch im Zoologisch-Tiermedizinischen Museum der Uni Hohenheim bringen, denn dort sind etliche historische, medizinische und andere besondere Hufeisen ausgestellt. Sie zeigen, mit welchen Mitteln der Mensch sein treues Zug-, Reit- und Lasttier im Laufe der Jahrhunderte geschützt und gestützt hat – aber auch, wie sich die Bedeutung des Pferdes bis heute gewandelt hat.


Römische „Hipposandalen“ mit Lederbändern zur Befestigung, Hufeisen der schwedischen Armee aus dem 30-jährigen Krieg oder auch sogenannte orientalische Hufplatten aus der Türkei und dem Nahen Osten: Über 300 Exponate umfasst die Hufeisensammlung im Tiermedizinischen Teil des Museums unter der Schlosskuppel.

In einer Doktorarbeit sind die Funde aufwendig katalogisiert – zum Glück, meint Thorben Schilling vom Fachgebiet Infektions- und Umwelthygiene bei Nutztieren: „Die hier gezeigten Hufeisen und Hilfsmittel sind zum Teil so speziell, dass sich ihre genaue Funktion und Herkunft oft nicht ohne weiteres erschließt.“

Hufeisen ist eben nicht gleich Hufeisen, wie die 1921 aus Beständen der Tierarzneischule Stuttgart übernommene Sammlung eindrucksvoll demonstriert. „Die Exponate sollten für die Lehre besondere Funktionen und Herstellungsweisen abbilden. Einige davon waren sicher auch als abschreckendes Beispiel gedacht, da sie der Hufgesundheit eher geschadet haben dürften.“

Schnee und Eis oder Wüstensand: Hufeisen für jeden Untergrund

Zwei hauptsächliche Funktionsbereiche lassen sich in der Sammlung erkennen: Hufbeschläge für medizinische und orthopädische Zwecke, und solche, die das Gehen auf schwierigen Böden erleichtern sollten. Dazu zählt unter anderem tiefer Schnee und eisiger Untergrund, für den im Laufe der Zeit verschiedene Lösungen ausprobiert wurden.

Die verbreitetste: eiserne Stollen an der Unterseite des Hufeisens, die mehr Halt auf rutschigem Untergrund bieten. Bis zu einen Zentimeter tief graben sich die spitzen oder abgestumpften Metallstifte beim Auftreten in den Untergrund. Ein besonders auffälliges Exponat sollte wohl das Gehen auf Tiefschnee erleichtern: Eine Holzplatte, auf der der Huf mithilfe einer Schraube eingespannt wurde – ähnlich dem Schneeschuh für Menschen. Einige Hufeisenmodelle besitzen ein ausgeprägtes Profil oder lassen sich mit Schneeketten versehen wie ein Autoreifen.

Auch an andere Untergründe wurden Pferde mithilfe verschiedener Beschläge angepasst. So stammen einzelne Eisen aus der Türkei, Jugoslawien und nicht näher differenzierten Ländern des „Orients“. Die Anmerkung „von Arabern verwandt“ an einem der orientalischen Hufeisen deutet darauf hin, dass diese Hufeisen auf sandigem Wüstenboden zum Einsatz kamen – die vergleichsweise große Grundfläche der Metallplatten, vermutet Thorben Schilling, boten eine größere Trittfläche und dadurch mehr Halt auf sandigem Untergrund.

Das Zoologische und Tiermedizinische Museum

Direkt unter der Kuppel des Hohenheimer Schlosses beeindruckt das Zoologische und Tiermedizinische Museum mit einer beachtlichen Schausammlung. Sie beinhaltet einen exemplarischen Querschnitt durch das gesamte Tierreich. Zu den Highlights zählen neben den Insekten-Biologien die umfangreiche Sammlung einheimischer Singvögel, Abstammungslinien verschiedener Haustiere oder Beispiele für Fehlentwicklungen in der Embryoentwicklung von Wirbeltieren. Geöffnet hat das Museum wieder ab Januar sonntags von 10:00 bis 16:00 Uhr, der Eintritt ist frei.


Hufschmied und Tierarzt arbeiten zusammen

Eine zweite wichtige Überlegung, die vielen der ausgestellten Hufeisen zugrunde liegt: Was tun, wenn ein Pferd am Huf verletzt ist? Auf vielfältige Weise haben sich Schmiede im Laufe der Zeit hier beholfen wie ein Blick auf eine Reihe seltsam geformter Eisen zeigt: Asymmetrisch, mit einem diagonalen Querbalken oder einem verschraubbaren Bügel über der Vorderseite des Hufs.

Andere Eisen sind unten mit einer Platte oder einem ledernen Überschuh verschlossen. Bei stark blutenden Verletzungen ermöglichen sie das Anlegen eines Druckverbandes. Auch Fehlstellungen beim Gang wurden über die Beschläge korrigiert oder ausgeglichen: Eisen mit metallenem Sporn oder eiförmigem Gewicht an der vorderen Hufspitze verhindern, dass Pferde den Huf schleifen lassen und dabei zu sehr abnutzen.

Jede Sonderform hat ihren speziellen Zweck, so Thorben Schilling: „Das Modell mit dem Bügel über der Huf-Vorderseite soll dabei helfen, einen Spalt im Huf wieder zusammenwachsen zu lassen. Asymmetrische Hufeisen hingegen verteilen das Gewicht so auf dem Huf, dass eine verletzte Stelle entlastet wird. Dieses Prinzip wendet man heute noch an, zum Beispiel bei Entzündungen.“ Für einige der so behandelten Beschwerden habe die Tiermedizin heute aber auch andere Methoden, zum Beispiel eine spezielle Ernährung.

Das Urmodell: Ein Dauerbrenner

Abgesehen von solchen Spezialformen hat sich jedoch die berühmte Grundform des Hufeisens bewährt, U-förmig und hinten offen. Mit gutem Grund, erklärt Thorben Schilling: „Sonderformen, die den Huf komplett abdecken oder hinten geschlossen sind, haben meistens eine spezielle stützende Funktion und sollten auch nicht dauerhaft getragen werden.“

Im Regelfall, so der Veterinärmediziner, sollte das Hufeisen hinten offen sein, da das Hufgewebe hier elastischer ist. Beim Auftreten gibt es leicht nach und spreizt sich nach außen. „Die Eisenform muss mit dieser Bewegung mitgehen können, sonst kommt es langfristig zu Schmerzen und Beschwerden.“

Auch wenn heute mehr medizinisches und physiologisches Wissen zur Verfügung steht als noch vor Jahrzehnten oder Jahrhunderten: diese grundsätzliche Beobachtung muss schon vor langer Zeit gemacht worden sein; erste wissenschaftliche Aufzeichnungen dazu finden sich in Europa ab dem 18. Jahrhundert. „Aber schon immer war den Menschen natürlich daran gelegen, die Gesundheit und Arbeitskraft ihrer Tiere zu erhalten. Dazu gehört auch ein guter Hufbeschlag.“

Vom Arbeits- zum Freizeittier

Die Exponate sind mehr als eine Kuriositätensammlung aus der Geschichte der Tiermedizin: Sie zeigen auch, wie sich die Bedeutung des Pferds im Laufe der Zeit geändert hat: Einst als Last-, Zug-, Arbeits- und Transportmittel und zu Kriegszeiten sogar in der Schlacht eingesetzt, sind Pferde heute, zumindest in den Industrienationen, vorwiegend Haustier und Freizeitsport-Begleiter.

Jahrhundertelang hatten Pferde deutlich mehr zu tun. Davon zeugt auch die große Zahl Hufeisen für Kaltblüter, im Durchmesser so groß wie ein Dessertteller und bis zu einem Zentimeter dick. In Städten zogen sie Brauereiwägen über Kopfsteinpflaster, in ländlichen Gegenden Pflüge und Heuwägen, in Waldgebieten wurden sie in der Forstarbeit eingesetzt.

All das ist heute Geschichte – mit wenigen Ausnahmen. „Vereinzelt ist das Zugpferd in der Forstarbeit wieder im Einsatz“, erzählt Thorben Schilling. „Selbst schwere Zugpferde belasten und verdichten den Waldboden deutlich weniger als schweres Gerät, sind wendiger im dichten Wald und natürlich emissionsfrei. Doch solche Fälle sind heute die Ausnahme.“

Viele Tiere werden heute nicht mehr beschlagen, berichtet der Veterinärmediziner, oder tragen die Eisen nicht durchgehend. „Das ist von Pferd zu Pferd verschieden und unter den Besitzern zum Teil auch eine ideologische Frage. Letzten Endes kommt es aber auf die Nutzung und den Huf des einzelnen Pferdes an.“

Text und Fotos: Barsch

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