Studentische Gruppe Re2Queer
Bunte Pinguine für Hohenheim! [18.05.21]
Zoom-Call mit dem Organisationsteam vom Re2Queer. Bild: Uni Hohenheim
„Respect – Tolerance – Queer“: Die studentische Gruppe Re2Queer bietet seit 2019 eine Anlaufstelle für lesbische, schwule, bisexuelle, transgender und queere Studierende in Hohenheim. Herzlich eingeladen sind aber auch alle anderen. Denn es geht den Studierenden um ein respektvolles und lebendiges Miteinander auf dem Campus. Dass Vielfalt nicht überall als etwas Positives geschätzt wird, wissen insbesondere die internationale Mitglieder der Gruppe nur zu gut. Die Situation von queeren Menschen in der EU und in China wollen sie deshalb in den kommenden Wochen in zwei virtuellen Veranstaltungen zum Thema machen. Warum sie es gut fänden, wenn sich auch die Uni offen zu den Farben des Regenbogens bekennen würde, berichten die Studierenden im Zoom-Call mit dem Online-Kurier.
Als Symbol für ihre Gruppen haben sie einen bunten Pinguin gewählt. „Auch unter Pinguinen gibt es homosexuelle Pärchen“, erklärt Anne und grinst.
Am liebsten hätten sich die Studierende von Re2Queer schon einmal selbst in Pinguine-Kostüme geworfen, um auf dem Campus die Werbetrommel für die neue Initiative zu rühren erzählt Anja: „Alles war schon vorbereitet, wir waren kurz davor Flyer zu drucken – doch dann kam Corona…“
Termin-Tipps |
„Europa und seine queeren Menschen“ - Diskussion mit Europaparlamentarierer Moritz Körner (LHG & Re2Queer) A Personal Narrative on “Sustainable Masturbation”: when tradition meets liberation (Nachhaltigkeitswochen BaWü)
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Toleranz ist keine Selbstverständlichkeit
Gemeinsam Spaß haben, quatschen, Party machen – und dabei ruhig auch mal auffallen: Auf den ersten Blick mag das nicht unbedingt politisch klingen. Doch genau das ist es.
Inzwischen ist die Whatsapp-Gruppe von Re2Queer auf rund 20 bis 30 Leute gewachsen. Davide kennt die anderen bisher nur virtuell. Trotzdem ist er sehr froh über die Anlaufstelle:
„Ich komme aus Italien. Dort ist das Klima gegenüber Homosexuellen weniger offen als in Deutschland. ‚Schwul‘ ist immer noch ein echtes Schimpfwort. Es kann passieren, dass man auf der Straße offen angefeindet wird. Auch die Bedeutung der Religion spielt dabei natürlich eine Rolle. Ich tue mir ehrlich gesagt sehr schwer, mit allen in meiner Familie offen über meine Identität zu sprechen. Ich habe mich deshalb ganz bewusst für ein Studium in Deutschland entschieden, um etwas Abstand zu gewinnen. Re2Queer hilft mir, endlich so etwas wie Normalität zu finden“, erklärt Davide.
Das gesellschaftliche Klima in Deutschland nehmen die Studierenden insgesamt als vergleichsweise tolerant wahr. Insbesondere in den letzten Jahren seien wichtige Schritte für eine rechtliche Gleichstellung von homosexuellen Menschen erreicht worden. In allen Köpfen sei das aber noch längst nicht angekommen.
„Viele queere Menschen haben persönliche Erfahrungen mit Mobbing gemacht und haben deshalb das Gefühl, nicht überall offen mit ihrer sexuellen Orientierung umgehen zu können. Mein schwuler Arbeitskollege erzählte mir z.B. erst neulich, dass er sich nicht traut, mit seinem Freund, einen Tanzkurs zu belegen. Auch Händchenhalten in der Öffentlichkeit ist für viele ein Tabu. Solange man über so etwas noch nachdenken muss, sind wir von Normalität noch ein gutes Stück entfernt“, meint Anne.
Blick über den Tellerrand
Vor allem aber sorgen sich die Studierenden, dass sich das politische Klima auch wieder drehen könnte. Wie schnell so etwas passieren kann zeigt z.B. ein Blick ins EU-Nachbarland Polen, wo die rechtskonservative Partei 2019 mit einem homophoben Wahlkampf die absolute Mehrheit erreichte und sich in der Folge zahlreiche Gebietskörperschaften zu sogenannten „LGBTQ-freie Zonen“ erklärten.
Anja hat ein Praktikum im Europaparlament gemacht, was sie auf die Idee brachte, mit Re2Queer eine virtuelle Diskussionsveranstaltung zum Thema „Europa und seine queeren Menschen“ zu organisieren. Gemeinsam mit der Liberalen Hochschulgruppe hat sie dazu den offen schwul lebenden EU-Parlamentarier Moritz Körner (FDP) eingeladen (25.5., 20 Uhr).
Den Blick ins außereuropäische Ausland richtet Re2Queer bereits am 20.5. mit einer Veranstaltung im Rahmen der studentischen Nachhaltigkeitswochen. Der Titel ist etwas provokant formuliert: „A Personal Narrative on ‘Sustainable Masturbation’: when tradition meets liberation” Tatsächlich verbirgt sich dahinter jedoch ein ernstes Anliegen.
„Yingjie – vielen kennen ihn auch als ‚Andy‘ – ist ein Student aus China, der sich für ein Studium in Deutschland entschieden hat, weil er in seinem Heimatland nicht offen mit seiner sexuellen Orientierung umgehen konnte. Es ist ihm ein großes Anliegen, von seinen persönlichen Erfahrungen zu berichten“, erklärt Anne. „In der Veranstaltung will er u.a. aufzeigen, welche gravierenden Folgen es haben kann, wenn es in einer Gesellschaft keine angemessene Aufklärung über Sexualität gibt.“
Dialog auf dem Camus stiften
Zu beiden Veranstaltungen lädt Re2Queer ausdrücklich nicht nur Mitglieder LGBTQ-Community ein, sondern alle Studierenden, Beschäftigten und sonstigen Interessierten. Diese Offenheit ist der Gruppe auch bei ihren regulären Treffen wichtig. Denn ein erklärtes Ziel ist es, den Dialog auf dem Campus zu fördern und Menschen miteinander ins Gespräch zu bringen.
„Oft zeigt sich ja, dass Vorurteile nur so lange Bestand haben, bis man mal jemanden aus der jeweiligen Gruppe persönlich kennenlernt. Durch Re2Queer habe ich übrigens auch selbst schon eine Menge dazugelernt. Denn nur weil ich lesbisch bin, heißt das ja nicht, dass ich automatisch auch tagtäglich mit anderen Mitgliedern der LGBTQ-Community zu tun habe. Über Re2Queer bin ich z.B. zum ersten Mal mit Studierenden ins Gespräch gekommen, die sich als transgender identifizieren“, erzählt Anja.
Dass auch die Uni Hohenheim inzwischen an einem Diversitätskonzept arbeitet, freut die Mitglieder von Re2Queer deshalb sehr: „Es ist nicht so, dass wir uns an der Uni in besonderer Weise benachteiligt oder unterdrückt fühlen. Im Gegenteil: Das Klima ist eher offener als in vielen anderen Bereichen der Gesellschaft. Wenn die Uni jedoch als Institution ganz offiziell Farbe bekennen würde, wäre das schon ein wichtiges gesellschaftliches Statement. Und Initiativen wie unserer würde das viel Rückenwind geben“, meint Julia.
Ein Traum der Studierenden wäre es z.B., wenn die Uni Hohenheim zur Parade des Christopher Street Day im nächsten Jahr einen eigenen Wagen entsenden würde – so wie das bereits immer mehr Unternehmen und Institutionen in der Region tun. Wie sich die Studierenden von Re2Queer dafür in Schale werfen würden? Darüber muss Anja nicht lange nachdenken: „Als Regenbogen-Pinguine natürlich!“
Um solche Aktion in Zukunft Wirklichkeit werden zu lassen, würden sich die Studierenden im Moment sehr über Verstärkung freuen, meint Anne: „Im Orga-Team sind wir aktuell nur eine Handvoll Leute, und die meisten stehen kurz vor dem Ende ihres Studiums. Wer also Lust hat sich aktiv einzubringen: Einfach mal unverbindlich vorbeischauen und uns anquatschen!“
Text: Leonhardmair