Humboldt reloaded-Projekt des Tages: Hopportunity

Der Hopfen macht das Bier  [22.07.20]

Neue Hopfensorten durch Präzisionszüchtung: Dr. Michael Helmut Hagemann begeistert Studierende seit mehreren Semestern für sein Forschungsprojekt. Bild: Uni Hohenheim

Bier und Hopfen als Forschungsgegenstand – das kommt bei Hohenheimer Studierenden gut an. Kaum ein anderes Humboldt reloaded-Projekt ging so oft in die Verlängerung wie „Hopportunity“ – und jedes Mal nahmen die Studierenden dabei einen anderen Aspekt unter die Lupe. Der Online-Kurier sprach mit dem Projektleiter Dr. Michael Helmut Hagemann vom Fachgebiet Ertragsphysiologie der Sonderkulturen und wollte unter anderem von ihm wissen: Wie klappt das forschende Lernen unter Corona-Bedingungen?

 


Herr Hagemann, worum geht es bei „Hopportunity“ genau?


Im Mittelpunkt stehen neuen Methoden der Präzisionszüchtung, um sehr gezielt neue Hopfensorten zu entwickeln. Das ist z.B. notwendig, um sich an den Klimawandel oder neue Schaderreger anzupassen. Aber auch wenn es darum geht, neue Geschmacksnuancen zu kreieren, die etwa in der Craft-Beer-Szene sehr stark nachgefragt werden. Dazu sind genaue Kenntnisse über die Erbeigenschaften des Hopfens wichtig.

Alle Humboldt reloaded-Projekte, die ich bisher unter dem Titel angeboten habe, bauen auf dem Grundlagenprojekt GHop auf oder etwas sperriger: „Genombasierte Präzisionszüchtung für zukunftsweisende Qualitätshopfen“.

Im Rahmen von Humboldt reloaded gab es in den letzten Jahren darüber hinaus aber auch spannende interdisziplinäre Kooperation mit anderen Fachgebieten. Beispielsweise wurden bestimmte Inhaltsstoffe des Hopfens auf die potentielle Anwendung in der Medizin hin untersucht. Und im Jubiläumsjahr haben sich Studierende mit einem Marketingkonzept für das „Hohenheimer Jubiläumsbier“ befasst.

Worum dreht sich das aktuell laufende Humboldt reloaded-Projekt?

Gerade arbeitet eine Studentin am Thema Aroma. Es heißt ja oft, für das Bieraroma sei eine Vielzahl von Stoffen verantwortlich, darunter viele die gar keine Trivialnamen haben, sondern nur über ihre chemischen Bezeichnungen definiert werden können. Wenn man aber genauer hinguckt, dann reduziert sich die Fülle an Stoffen auf ca. 50. Und letztendlich bleiben vor allem vier Substanzen übrig, die das Aroma entscheidend prägen. Das sind Geraniol, Myrcen, Humulon und Linalool, wobei letzteres zum Großteil erst bei der Vergärung durch die Hefe entsteht.

Von Brauern, vor allem denen von Craft-Bieren, werden exotische Aromen gewünscht, die im Hopfen vorkommen sollen. Inzwischen ist bekannt, dass es beispielsweise bei einem ausgeprägten Zitrus-Aroma auf das Verhältnis von Myrcen zu einer weiteren Stoffgruppe, den Sesquiterpenen, ankommt. Über kurz oder lang ist es so vielleicht möglich, gezielt Hopfen zu züchten, der verschiedene Zitrusnoten in seinem Aroma hat.

Warum kommt „Hopportunity“ bei Studierenden seit vielen Semestern so gut an?

Bier und Hopfen als Forschungsgegenstand das ist wahrscheinlich für viele attraktiv. Ein wesentlicher Teil des Erfolgs ist ganz sicher aber auch, dass die Humboldt reloaded-Projekte Teil eines realen Forschungsprojekts sind. Was die Studierenden erarbeiten ist also mehr als eine abstrakte Übung. Vieles fließt tatsächlich in meine Forschungsarbeit ein. Wir ziehen also gemeinsam an einem Strang. Natürlich hoffe ich, dass meine eigene Leidenschaft dabei auf die Studierende überspringt.

Ganz allgemein liegt mir der Kerngedanke von Humboldt reloaded sehr am Herzen:

Viele Studierende führen hier zum ersten Mal ein Projekt von Anfang bis Ende durch. Angefangen bei der Literaturrecherche über die ersten Schritte im Labor bis hin zum fertigen Endergebnis, das sie gelegentlich auch auf einer wissenschaftlichen Fachtagung vorstellen dürfen. Das alles ist eine sehr gute Vorbereitung für die Bachelorarbeit.

Wie laufen die Projekte ab? Und was ist Ihnen bei der Betreuung wichtig?

Die Studierende arbeiten sehr viel eigenständig. Auf diesem Weg will ich sie aber natürlich bestmöglich begleiten. Am Anfang erhalten sie von mir erst einmal zwei oder drei Literaturstellen – eine zum Einstieg in das Thema und eine vertiefende. Dazu kommen beispielsweise noch Einführungen in die Laborarbeit und Sicherheitsunterweisungen.

Bevor ich den Weg zu genau vorgebe, gucke ich gerne erst einmal, was von den Studierenden selber kommt. Eventuell helfe ich dann noch mit Hinweisen weiter. Und manchmal bin ich richtig überrascht, zu welchen Lösungen sie kommen. Das deckt sich zwar nicht immer mit meinen ursprünglichen Ideen, aber sie sind meist zielführend.

Für die Betreuung nehme ich mir im Moment rund einen halben bis einen Tag pro Woche Zeit. Wobei ich die Humboldt-Studentin gemeinsam mit meinen Bacheloranden betreue.

Was hat sich in der Zeit verändert?

So wie sich das Projekt weiterentwickelt hat, habe auch ich mich weiterentwickelt. Im Laufe der Jahre kam immer mehr hinzu. Am Anfang lag der Fokus noch auf Untersuchungen, die viel labororientierter waren, wie zum Beispiel Arbeiten zum Aminosäure-Stoffwechsel des Hopfens.

Nach und nach hat die Bioinformatik stark an Stellenwert zugenommen. Inzwischen beträgt der Anteil der Labor-Arbeit nur noch rund zehn Prozent. Also weg vom „wet lab“ hin zum „dry lab“.

Das muss Ihnen angesichts der Corona-Auflagen ja sehr entgegenkommen sein?

Ja, in der Tat. Auch wenn sich das zufällig so entwickelt hat. Im Labor bereiten wir nur noch die Gensequenzen über PCR auf und das konnten zu Corona-Zeiten die technischen Assistentinnen und Assistenten übernehmen. Sie sind in darin sowieso viel schneller und routinierter.

Alles andere findet am Computer statt: Der Schwerpunkt liegt im Bereich bioinformatischer Methoden und Recherche zur genomischen Organisation der Gene. Dazu werden zunächst die Gensequenzen mit verschiedenen Datenbanken abgeglichen, um anschließend die Geneigenschaften genau zu beschreiben. Dabei arbeiten wir mit speziellen Bioinformatik-Tools, die vor allem unter Linux laufen – bei mir lernt jeder, mit der Kommandozeile umzugehen.

Was war denn dann die größte Umstellung? Und was davon möchten Sie beibehalten?

Was ich sicherlich aus der Corona-Zeit mitnehme ist die verstärkte Nutzung von Videokonferenzen und von Projektmanagement-Tools. Natürlich lässt sich der direkte persönliche Kontakt dadurch nicht ersetzen, aber ein gewisser Anteil der Kommunikation lässt sich durchaus sehr gut online realisieren.

Langfristig werden wir noch stärker in Richtung Biotechnologie gehen und einzelne Gene oder Genabschnitte modifizieren, um herauszufinden, welche Aufgaben sie haben. Bei der Analyse solcher modifizierten Genotypen kann dann wieder viel am PC gemacht werden. Und wo der dann steht, ist egal.

Interview: Stuhlemmer

Mehr zum Thema im Online-Kurier