Ein Kaffee mit… Dr. Heide Lange, Leiterin der Personalabteilung

Neue Regeln für Befristungen von Wissenschaftlern  [29.04.16]

Dr. Heide Lange, Leiterin der Personalabteilung

Eine umstrittene Sonderregelung ließ Universitäten bislang große Spielräume bei der Befristung wissenschaftlicher Mitarbeiter. Um Fehlentwicklungen entgegenzutreten, hat der Bundestag im März mit einer Gesetzesänderung nachjustiert. Welche Auswirkungen diese Reform für die Uni Hohenheim konkret hat, erklärt Dr. Heide Lange, Leiterin der Personalabteilung, beim Kaffee mit dem Online-Kurier.


Hintergrund: Das alte Wissenschaftszeitvertragsgesetz erlaubte, dass wissenschaftliche Beschäftigte ohne Angabe von Gründen insgesamt 12 Jahre befristet angestellt werden dürfen, 6 Jahre vor und 6 Jahre nach der Promotion. Auch Kettenverträge mit kurzen Vertragslaufzeiten waren rechtlich möglich.

Zum Vergleich: Ohne zulässigen Grund, i.d.R. ein zeitlich abgegrenztes Projekt oder eine Elternzeitvertretung, dürfen Arbeitnehmer in der freien Wirtschaft nur maximal 2 Jahre befristet angestellt werden. Mehrere aufeinanderfolgende Kurzzeitverträge bei demselben Arbeitgeber sind nicht erlaubt.


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Frau Lange, warum gibt es überhaupt ein eigenes Befristungsgesetz für Wissenschaftler?

Wissenschaft ist ein besonderes Arbeitsfeld. Die Qualifizierungsphase kann sehr lange dauern und lässt sich nicht scharf abgrenzen.

Beispielsweise benötigen viele Nachwuchswissenschaftler im Vorfeld einer Promotion oder Habilitation Zeit, um Themen zu finden und um erste Erfahrungen zu sammeln. Diese Übergangszeit dient häufig auch dazu, auszuloten, ob es sich tatsächlich um eine lohnende Karriereoption handelt.

Das Wissenschaftszeitvertragsgesetz soll diesen Rahmenbedingungen Rechnung tragen. Da ein Großteil der wissenschaftlichen Beschäftigten über Drittmittel-Projekte eingestellt ist, werden Kurzzeit-Verträge darüber hinaus auch häufig zur Überbrückung zwischen zwei verschiedenen Projekten genutzt.

Auch wenn die Flexibilität in vielen Fällen im Sinn der Beschäftigten sein mag, war das Gesetz von Beginn an durchaus umstritten – denn Missbrauch lässt sich de facto nicht ausschließen. Wenn ein Lehrstuhl beispielsweise eine 2-jährige Probezeit vor der Habilitation gewissermaßen voraussetzt und bei Bedarf sogar noch auf Verlängerung besteht, dann ist das nicht im Sinne der Beschäftigten.

Auch der Gesetzgeber hat diese Problematik erkannt und mit der Reform des Wissenschaftszeitvertragsgesetzes nun nachjustiert.

Hohenheimer Selbstverpflichtung

Hohenheim verabschiedete als erste Uni in Baden-Württemberg eine freiwillige Selbstverpflichtung über die Vertragslaufzeiten für wissenschaftliche Mitarbeiter.

Eine überarbeitete Fassung, die auf die Gesetzesänderung Bezug nimmt,  soll in der nächsten Senatssitzung beschlossen werden.

Zum aktuellen "Code of Conduct"

Was ändert sich konkret?

Neu ist, dass jede Befristung ab sofort begründet werden muss. Als zulässige Gründe gelten entweder zeitlich befristete Projekte, z.B. im Drittmittel-Bereich, oder eine wissenschaftliche Qualifizierung.

Die Qualifizierungsphase umfasst in erster Linie die Promotion und die Habilitation. Nach unserer Einschätzung lässt sich der Begriff allerdings noch etwas weiter fassen. Beispielsweise können auch Lehrtätigkeit, das Verfassen von Drittmittelanträgen oder das Erlernen einer neuen wissenschaftlichen Methode in gewissem Umfang als Qualifizierung angesehen werden.

Der maximale Befristungszeitraum bleibt gleich, kann nun jedoch aufgrund einer chronischen Erkrankung oder Behinderung um 2 Jahre erweitert werden. Allerdings muss die Dauer der Befristung der jeweiligen Qualifizierung angemessen sein. Die Art der Qualifizierung muss deshalb bei jeder Befristung ab sofort genau dargelegt werden.

Was bedeutet „angemessen“?

Darüber lässt sich tatsächlich streiten. Denn das Gesetz macht dazu keine genauen Angaben. Beispielsweise wurde offenbar bewusst auf die Formulierung verzichtet, dass die Befristung der Dauer einer Promotion bzw. Habilitation entsprechen muss.

Ich gehe also davon aus, dass erst Gerichtsprozesse und erste Grundsatzurteile hier für eine klare Orientierung sorgen werden.

Als erste Uni in Baden-Württemberg hat Hohenheim schon 2013 eine Selbstverpflichtung verabschiedet, die Richtlinien für die Befristung im wissenschaftlichen Mittelbau festlegt. Hieran werden wir uns vorerst weiter orientieren.

Während einer Promotion oder Habilitation sollten Verträge die Laufzeit von 3 Jahren in der Regel nicht unterschreiten. Bei Drittmittelprojekten gilt: Die Laufzeit des Vertrags sollte in der Regel der Laufzeit des Projektes entsprechen, außer wenn es sich um ein klar abgrenzbares Teilprojekt handelt.

Eine überarbeitete Fassung unserer Selbstverpflichtung soll übrigens in der nächsten Senatssitzung verabschiedet werden. Der neue „Code of Conduct“ soll dann auch Richtlinien für den nicht-wissenschaftlichen Bereich beinhalten.

Wenn es an der Uni Hohenheim schon eine Selbstverpflichtung gibt, bringt die Gesetzesänderung dann überhaupt noch größere Veränderungen?


Die freiwillige Selbstverpflichtung hatte schon in der Vergangenheit spürbare Auswirkungen: Die durchschnittliche Laufzeit befristeter Verträge hat sich seit der Einführung um rund 3 Monate verlängert. Im vergangenen Jahr lag sie bei Drittmittel-finanzierten Beschäftigten bei 12,5 Monaten (vormals 9,9), bei den Beschäftigten auf Landesstellen bei 15,9 Monaten (vormals 12,8).

Da sich der gewünschte Effekt bereits in gewissem Umfang eingestellt hat, vermute ich, dass die Gesetzesänderung in Hohenheim nur noch begrenzt zu Buche schlagen wird.

Praktische Auswirkungen hat die Gesetzesänderung allerdings durchaus. So müssen Befristungsgründe ab sofort genauer dokumentiert – und seitens der Personalabteilung geprüft werden, was auch zu längeren Bearbeitungszeiten führen kann.

Künftig wird es dazu einen Erhebungsbogen geben, der dem Einstellungs- bzw. Verlängerungsantrag beigelegt werden muss. Die Personalabteilung bietet dazu im Einzelfall auch Beratung an.

Der Begriff „Qualifizierung“ ist, wie gesagt, recht weit gefasst. Dennoch wird es sicherlich auch Fälle geben, in denen sich kein zulässiger Befristungsgrund mehr finden lässt. Das bedeutet, dass einzelne Beschäftigte nach Ablauf bestehender Verträge nicht erneut befristet weiterbeschäftigt werden können.

Eine besondere Schwierigkeit sehe ich im Bereich der Qualitätssicherungsmittel. Die QSM werden immer nur befristet bewilligt. Das allein ist allerdings kein zulässiger Befristungsgrund. Denn im Unterschied zu Drittmitteln, geht es bei den QSM ja meistens nicht um Projekte im eigentlichen Sinn, sondern um dauerhafte Aufgaben.

Um eine Person unbefristet einzustellen, benötigen die Uni allerdings eine genehmigte Landes-Stelle. Hier ist der Spielraum der Uni leider sehr begrenzt.

Abgesehen vom „Code of Conduct“, was plant die Uni Hohenheim, um die Beschäftigungsbedingungen im wissenschaftlichen Mittelbau zu verbessern?

Unser generelles Ziel ist es, Qualifizierungsprozesse strukturierter zu gestalten.

Im Bereich Promotion sind wir hier schon relativ weit: Noch in diesem Jahr soll die neue Hohenheimer Graduiertenakademie ihre Arbeit aufnehmen – eine zentrale Anlaufstelle für Anliegen rund um die Promotion, die auch Weiterbildungsmöglichkeiten für Doktoranden koordiniert.

Auch für die Personengruppe der Postdocs wollen wir die Personalentwicklungsmaßnahmen in den kommenden Jahren ausbauen. Unser neuer Schwerpunkt für das Jahr 2016 im Bereich der Personalentwicklung wird die Erarbeitung eines Konzepts für die Förderung der Postdocs sein. Wir freuen uns, dass wir hierfür eine neue Kollegin gewinnen konnten: Irena Rathgeb wird sich intensiv des Themas annehmen.

Parallel werden wir unser Berichtswesen für den Bereich des wissenschaftlichen Mittelbaus erweitern, um mehr Transparenz und Kontrolle über laufende Entwicklungen zu erhalten. Dazu zählt eine fortlaufende Statistik über Vertragslaufzeiten, Befristungsgründe, Geschlecht, etc. Damit kommen wir insbesondere auch einer Forderung der Landesregierung nach.

Wir werden berichten. Vielen Dank für das Gespräch!

Interview: Leonhardmair

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