Stabile Ernte trotz Klimawandel
Pflanzenforscher werben 900.000 € ein [23.02.17]
Bild: Uni Hohenheim
Startkapital für neues Forschungsnetzwerk: In der Landes-Ausschreibung „Regionale Forschungsallianzen“ haben Hohenheimer Pflanzenwissenschaftler gemeinsam mit Partnern der Uni Tübingen und des Max-Planck-Instituts 900.000 € eingeworben. Im Fokus der künftigen Zusammenarbeit steht die Frage, wie landwirtschaftliche Erträge trotz Klimawandel und zunehmenden Extremwetterereignissen in Zukunft stabil gehalten werden können. Mit der Förderung unterstützt das Wissenschaftsministerium Vorarbeiten für künftige Projekt-Anträge.
Für die Gutachter, die über die Förderung großer wissenschaftlicher Verbundprojekte entscheiden, zählen nicht nur gute Ideen und ehrgeizige Pläne, sondern vor allem eins: konkrete Vorarbeiten.
Neue Initiativen haben es in diesem Wettbewerb hingegen nicht leicht. Diese leidvolle Erfahrung musste auch die Uni Hohenheim in den letzten Jahren wiederholt machen.
Vor diesem Hintergrund ist der aktuelle Erfolg in der Ausschreibung „Regionale Forschungsallianzen“ eine besonders wichtige Chance: Denn die Förderung des Wissenschaftsministeriums zielt konkret darauf ab, ambitionierte Forschungsgruppen in Baden-Württemberg dabei zu unterstützen, sich für künftige, gemeinsame Anträge, wie z.B. Sonderforschungsbereiche bei der DFG, in Stellung zu bringen.
Als eines von acht fach- und institutionenübergreifenden Netzwerken erhält eine Forschungsgruppe unter der Federführung der Uni Hohenheim dazu nun einen Zuschlag in Höhe von 900.000 €. Die gleiche Summe steuern die Uni Hohenheim und ihre Projektpartner aus eigenen Mitteln bei.
Klimawandel setzt Pflanzenzüchter unter Zeitdruck
Beteiligt an der neuen Forschungsallianz sind 6 Hohenheimer Fachgebiete aus den Bereichen Pflanzenzüchtung und Molekulargenetik, sowie die Landessaatzuchtanstalt. Als externe Partner mit im Boot sind die Uni Tübingen und das Max-Planck-Instituts für Entwicklungsbiologie Tübingen.
Gemeinsam widmen sich die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler einer großen Zukunftsfrage: Wie können landwirtschaftliche Erträge trotz Klimawandel und zunehmenden Extremwetterereignissen wie Dürreperioden in Zukunft stabil gehalten werden?
Die Herausforderung: Moderne Hochleistungssorten haben im Lauf ihres Zuchtprozesses häufig bedeutende Gene und Gengruppen eingebüßt, die den Pflanzen dabei helfen, sich gegen Stressfaktoren wie Trockenheit oder Schädlingsbefall zu wappnen.
Ein mögliches Gegenmittel besteht darin, Pflanzen mit wilden Vorläuferarten kreuzen, die diese Fähigkeit noch haben. Um diese auszusuchen, nehmen die Züchter heute schon gezielt das Erbgut unter die Lupe.
Trotz aller technologischen Fortschritte ist es jedoch nach wie vor schwierig, den tatsächlichen Zuchtwert einer Pflanze vorauszusagen. Züchtungsprozesse dauern deshalb noch immer mehrere Jahre.
Einen Durchbruch versprechen sich die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler nun von einem neuen Ansatz. Er soll Erkenntnisse der Molekularbiologie systematisch in die praktische Pflanzenzucht einbeziehen. Züchter sollen dadurch deutlich schneller optimale „Eltern“ für eine Kreuzung finden.
Kluft zwischen Fachkulturen überwinden
„Tatsächlich hat sich das Wissen über die molekulargenetischen Grundlagen von bestimmten Eigenschaften einer Pflanze in den letzten Jahren vervielfacht. Die molekularbiologische Forschung an Modell-Pflanzen im Labor ist der an Nutzpflanzen jedoch außerordentlich weit voraus“, erklärt Prof. Dr. Uwe Ludewig, Leiter des Fachgebiets Ernährungsphysiologie der Kulturpflanzen und Sprecher des neuen Forschungsnetzwerks.
„Im Unterschied zum Labor wirken auf dem Acker jedoch vielfältige Stressfaktoren, die im Zusammenhang erforscht werden müssen. So können z.B. Trockenheit und Schaderreger ihre negativen Wirkungen auf den Ertrag gegenseitig verstärken. Andererseits kann der Stress, den Pflanzen durch Trockenheit oder Nährstoffmangel erleben, auch positive Effekte haben. So gibt es einzelne Pflanzenvarianten, die dadurch sogar resistent gegenüber Schädlingen werden.“
Die Herausforderung für das Netzwerk bestehe deshalb zunächst darin, Erkenntnisse aus Bereichen wie Genomik, Metabolomik, Proteomik oder Epigenetik auf die realen Bedingungen auf dem Acker zu übertragen. Anschließend gilt es, diese Daten für den praktischen Züchtungsprozess nutzbar zu machen.
Text: Leonhardmair