Neue Profs: Caroline Ruiner

Sie erforscht, wie sich Arbeit verändert  [06.02.20]

Prof. Dr. Caroline Ruiner | Foto: Uni Hohenheim / Corinna Schmid

Stichwort Arbeit 4.0: Die Digitalisierung verändert die Arbeitswelt der Menschen. Das ist eines der Forschungsfelder von Prof. Dr. Caroline Ruiner. Sie leitet seit Oktober 2019 das Fachgebiet Soziologie.


Ihre gesamte Laufbahn seit dem Studium ist interdisziplinär zwischen BWL und Soziologie angelegt. Daher fühlt sie sich an der Fakultät Wirtschafts- und Sozialwissenschaften besonders gut aufgehoben.

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Frau Ruiner, Sie haben das Fachgebiet Soziologie von Ihrer Vorgängerin Prof. Sabine Pfeiffer übernommen. Der Name des Lehrstuhls ist gleich geblieben. Was ändert sich?

Natürlich bringe ich eigene Themen mit. Mein Schwerpunkt liegt im Bereich Arbeits- und Organisationssoziologie. Ich untersuche den Wandel von Arbeit und Arbeitsbeziehungen auf individueller, organisationaler und überbetrieblicher Ebene, d.h. die Ausprägungen und Auswirkungen des Wandels von Arbeit für Individuen, Organisationen und Institutionen der Interessenvertretung.

Was sind denn im Augenblick konkret Ihre Forschungsthemen?

Ein Forschungsthema ist die Veränderungen durch und Gestaltung von digitaler Arbeit für Individuen, Teams und die Führungsbeziehung. Das untersuche ich insbesondere im Bereich Produktion, Logistik und Handel.

Weiterhin erforsche ich neue organisationale Strukturen und Formen von Beschäftigung, die in letzter Zeit an Relevanz gewinnen. Zum Beispiel gibt es mehr Freelancer, und die arbeiten als Externe in Organisationen oftmals direkt mit den Internen zusammen. Ich betrachte das insbesondere im IT-Bereich und in Krankenhäusern. Mich interessieren hier vor allem die Wissenstransferprozesse und die Gerechtigkeitswahrnehmungen.

Und was sind Ihre weiteren Untersuchungsfelder?

Das ist zum Beispiel die Digitalisierung in der Logistik, insbesondere Lebensmittellogistik, weil hier eine effiziente Koordination zeitkritisch ist und neue Organisationsformen und Geschäftsmodelle wie Lieferando aufkommen, die über digitale Medien gesteuert werden. Dabei interessiert mich insbesondere das wahrgenommene Spannungsfeld von Arbeitskräften zwischen Autonomie und Kontrolle.

Welches Projekt würden Sie in Angriff nehmen, wenn Sie über unbegrenzte Mittel und Möglichkeiten verfügen könnten?

Da würde ich ein ganz reales Projekt erweitern: Wir starten gerade ein Projekt zum Thema Künstliche Intelligenz, das vom Ministerium für Wirtschaft, Arbeit und Wohnungsbau Baden-Württemberg gefördert wird. Darin erforschen wir, wie man Künstliche Intelligenz gestalten kann, so dass sie ethisch und sozial vertretbar ist, dass die Menschen die neuen Technologien als unterstützend wahrnehmen. Mein Traum wäre es, dazu ein Labor einzurichten und experimentell zu arbeiten.

Freies Assoziieren



Vorstellen könnte ich mir auch ein Projekt im Bereich Food Supply Chains: Wie die Digitalisierung dazu beitragen kann, nachhaltigeres Handeln zu fördern.

Können sich denn Studierende auch schon an Ihren Forschungsprojekten beteiligen?

Ja, klar, auch bereits im Studium. Denn Forschendes Lernen ist bei mir ganz großgeschrieben: Wir geben in den Master-Seminaren den thematischen Rahmen vor, aber die Studierenden können ihre eigenen Interessen einbringen. Ich fördere gerne eigene Ideen, denn so lernt man das wissenschaftliche Handwerkszeug am besten. Daraus kann dann auch eine Masterarbeit entstehen.

Außerdem sind wir immer auf der Suche nach HiWis – wer Interesse hat, kann sich sehr gerne bei uns melden.

Was sind denn wesentliche Punkte in Ihrer Lehre?

Wichtig ist mir die enge Verzahnung von Theorie und Empirie, indem sowohl klassische theoretische Ansätze als auch aktuelle, internationale und interdisziplinäre Forschungsergebnisse zum Wandel von Arbeit und neuen Arbeitsbeziehungen präsentiert, gemeinsam mit den Studierenden diskutiert und kritisch reflektiert werden. Außerdem ist Interdisziplinarität für ein umfassendes Verständnis des Wandels der Arbeitswelt wichtig.

Für eine systematische Verzahnung von Theorie und Empirie ist für mich die Partizipation der Studierenden im Sinne eines Forschenden Lernens zentral, die die begleitete eigenständige Forschungstätigkeit und wissenschaftliche Auseinandersetzung mit relevanten Fragestellungen impliziert, die aus den Interessen der Studierenden hervorgehen. Studierende sollten erkennen, dass Theorien auch kritisiert werden können, der kritische Geist muss geweckt werden: Was bringt eine Theorie? Wo liegen ihre Grenzen?

Außerdem ist die Übersetzung in die betriebliche Praxis, sind Anwendungsbezüge von großer Bedeutung: Welche Beispiele gibt es, welche eigenen Erfahrungen haben die Studierenden dazu gemacht. Ich suche dazu immer das Gespräch mit den Studierenden und lade auch Praxisvertreterinnen und  vertreter ein, um konkrete Probleme und Anwendungsbezüge aufzuzeigen.

Welche Inhalte lernt man denn bei Ihnen?

Ich führe in die Wirtschaftssoziologie ein. Es geht um den Wandel der Produktionsarbeit hin zur Dienstleistungsarbeit – von den Anfängen bis zu neueren Entwicklungen wie Industrie 4.0 und Arbeit 4.0. Die meisten Studierenden haben ja bereits eigene Berufserfahrungen gemacht. Da will ich sie abholen, denn dann werden die neueren Phänomene der Arbeitswelt besser verstanden.

Wo können denn Ihre Studierenden später arbeiten?

Das hängt von der Spezialisierung ab. Viele Unternehmen haben den besonderen Stellenwert von Soziologinnen und Soziologen in einer sich stark verändernden Arbeitswelt bereits erkannt, dass etwa die Zusammenarbeit in interdisziplinären Teams und das schnellen Aneignen von Theorien und Modelle zur Umsetzung in der Praxis immer wichtiger werden.

Fachgebiet Soziologie

Seit 1.10.2019 leitet Prof. Dr. Caroline Ruiner das Fachgebiet. Es wurde nach dem Wechsel ihrer Vorgängerin Prof. Dr. Sabine Pfeiffer an die Universität Erlangen-Nürnberg wiederbesetzt. mehr


Beispielsweise können sich Soziologinnen und Soziologen besonders einbringen, wenn Unternehmen neue Technologien einführen oder allgemein Arbeitsplätze und -prozesse umgestalten. Dann braucht es Expertinnen und Experten, um die Mitarbeitenden mitzunehmen und die Arbeitswelt im Unternehmen mitzugestalten, etwa in einer Stabstelle, in der Personalabteilung oder auch in der PR-Abteilung. Generell lässt sich beobachten, dass Studierende der Soziologie sich den Arbeitsmarkt auf immer vielfältigere Weise erschließen.

Haben Sie einen guten Rat für Ihre Studierenden parat?

Setzen Sie sich Ziele und arbeiten Sie daran, diese zu verwirklichen. Aber bleiben Sie dabei flexibel und stellen Sie sich auf Veränderungen ein. Und vergessen Sie dabei nicht, das Leben auch zu genießen!

Wie war denn Ihr Weg bis Hohenheim?

Meine gesamte Laufbahn seit dem Studium ist interdisziplinär zwischen BWL und Soziologie angelegt: Ich habe in Frankfurt Soziologie und BWL im Doppelstudium absolviert und in Augsburg in Soziologie promoviert. In meiner PostDoc-Phase bin ich an die Ruhr-Universität Bochum gegangen und dort in die BWL gewechselt. Dann bin ich wieder zurück in die Soziologie: Ich war Vertretungsprofessorin in Bochum und Trier sowie Juniorprofessorin für Soziologie an der Uni Trier. Mit dem Fachgebiet Soziologie an der Fakultät Wirtschafts- und Sozialwissenschaften der Universität Hohenheim kann ich beide Disziplinen wunderbar verbinden.

Da haben Sie ja ein paar Unis in Deutschland kennengelernt. Wie gefällt es Ihnen denn jetzt hier in Hohenheim?

Sehr gut! Es hat mir große Freude bereitet, die Studierenden hier in meinen ersten Veranstaltungen an der Universität Hohenheim kennenzulernen und freue mich auf die weiteren Semester. Die Uni ist insgesamt sehr dynamisch und ich habe gute Unterstützung von den Abteilungen, dass meine Projekte hierher wechseln können. Auch das Kollegium ist sehr aufgeschlossen, ich freue mich schon darauf, mit anderen gemeinsam zu forschen, auch über Fakultätsgrenzen hinweg. Ich kooperiere schon lange mit anderen Disziplinen, der Bereich Agrar ist neu für mich. Und ich gestehe, es ist für mich noch ein ungewohntes Bild, dass einem hier an der Uni öfters mal ein Traktor über den Weg fährt…

Bleibt Ihnen denn neben der Arbeit noch Freizeit, Frau Ruiner?

Aber ja, ich habe kleine Kinder, mit denen ich natürlich Zeit verbringe. Außerdem gehe ich gern Joggen und Reiten.

Wir danken Ihnen für das Gespräch!

Interview: Elsner

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