Uni-Angehörige wünschen sich mehr Nachhaltigkeit
Nachgefragt: Abfall auf dem Dies [06.08.19]
Einwegteller und -besteck auf dem Dies academicus sind mehreren Uni-Angehörigen und Gästen in diesem Jahr negativ aufgefallen. Auch in der Kommentarspalte des Online-Kuriers entspann sich eine Diskussion zum Thema Müllvermeidung. Zwar setzte das Studierendenwerk auf kompostierbare Zuckerrohrteller und Besteck aus Bio-Plastik. Dennoch ist auch die Nachhaltigkeit dieser biobasierten Produkte umstritten. Die Veranstaltungsleitung hofft, dass gemeinsam mit dem Studierendenwerk bis zum nächsten Jahr eine umweltfreundlichere Lösung gefunden werden kann.
An den Ständen des internationalen Studierenden-Jahrmarkts bieten studentische Gruppen auf dem Dies academicus Essen und Getränke aus aller Welt an, zumeist serviert auf Papptellern und in Plastikbechern. Die meisten Getränke und Speisen gehen am Festwochenende allerdings an den Ständen des Studierendenwerks über den Tresen.
Strenge Sicherheitsauflagen
Mensa-Chef Dubrau sieht sich dabei mit wachsenden Herausforderungen konfrontiert. Während Teller, Gläser und Besteck aus der Mensa in früheren Jahren noch ganz selbstverständlich im Einsatz waren, dürfen diese inzwischen nicht mehr im Schlosshof ausgegeben werden.
„Die Sicherheitsauflagen für den Dies academicus seitens der Stadt wurden stetig verschärft. Die Gläser könnten z.B. als Wurfgeschoss dienen. Diese Sicherheitsmaßnahe ist sicherlich gut nachvollziehbar. Aber auch unser Teller aus der Mensa, die aus einer Art Hartglas (Acropal) hergestellt sind, dürfen wir inzwischen leider nicht mehr verwenden. Die Arbeitssicherheit der Uni hat sich außerdem gegen unser Metall-Besteck aus der Mensa ausgesprochen“, so Mensa-Chef Dubrau.
Lediglich im Festzelt sind Krüge im Moment noch zugelassen. Allerdings muss durch Security-Personal sicherstellt werden, dass diese nicht in den Außenbereich mitgenommen werden.
Zuckerrohrteller und Besteck aus Bio-Plastik
Anstatt Gläser setzt das Studierendenwerk deshalb inzwischen auf ein Pfandsystem mit mehrfach verwendbaren Plastikbechern. Bei der Suche nach Alternativen für Teller und Besteck fiel die Entscheidung hingegen auf kompostierbare Einwegprodukte des Herstellers Bio-Futura.
Laut Herstellerangeben bestehen die Teller zu 100 Prozent aus biobasierten Materialien. Hergestellt werden sie aus einem Nebenprodukt, das bei der Produktion von Rohrzucker anfällt (Bagasse). Das Besteck besteht aus Bio-Plastik auf Basis von Maisstärke (CPLA) und ist, ebenso wie die Teller, als kompostierbar zertifiziert.
„Die Müllsäcke, die wir vor unseren Ausgabeständen aufgestellt hatten, wurden nicht einfach auf dem Restmüll entsorgt“, betont Dubrau. „Wir arbeiten mit dem Recyling Unternehmen ‚Alba Group‘ zusammen, das Essensreste und kompostierbare Materialien einer Verwertung zuführt, z.B. in Biogasanlagen.“
Wie gut die Ökobilanz der Produkte unterm Strich tatsächlich ausfalle, sei nicht einfach zu beurteilen, räumt Dubrau ein. Allerdings gelte das auch für mögliche Alternativen, wie wiederverwendbare Plastikteller, die zugleich in der Anschaffung vergleichsweise teuer seien.
„Wir haben diese Variante letztendlich verworfen. Auch deshalb, weil wir von dem Material der Plastikteller nicht überzeugt sind. Die gängigen Produkte werden im sog. Ornamin-Verfahren hergestellt und können bei höheren Temperaturen ausdünsten“, so Dubrau.
Ökologische Vorteile von Bio-Plastik nicht eindeutig
Obwohl für die Herstellung von Bio-Plastik keine fossilen Rohstoffe benötigt werden und die CO2-Bilanz erheblich besser ausfällt, sind die ökologischen Vorteile gegenüber herkömmlichem Plastik nicht so eindeutig wie es auf den ersten Blick erscheint.
Das Bundesumweltamt kommt zur Einschätzung, dass Bio-Kunststoffe vor allem dann einen ökologischen Vorteil haben, wenn die Rohstoffe aus nachhaltiger, an ökologischen Kriterien orientierter landwirtschaftlicher Produktion stammen, vermehrt Reststoffe aus der landwirtschaftlichen und Nahrungsmittelproduktion eingesetzt werden, die Produktgestaltung eine mehrfache Verwendung möglich macht und eine hochwertige stoffliche oder energetische Verwertung am Ende des Produktlebenslaufes stattfindet.
Obwohl die Produkte das Label „kompostierbar“ tragen, bereite die Kompostierung von Bio-Plastik häufig technische Probleme, erklärt Dr. Jan Endrikat vom Fachgebiet Nachhaltigkeitsmanagement an der Uni Hohenheim.
„Die Kompostierung ist auch nicht ökologischer vorteilhafter als eine Verbrennung, da die gebundene Energie weitgehend verloren geht und keine wertvollen Bodenbestandteile entstehen. Es findet lediglich ein Abbau zu CO2 und Wasser statt. In Biogasanlagen leistet Bio-Plastik in der Regel keinen nennenswerten Beitrag zur Gewinnung von Biogas, daher wird Bio-Plastik häufig vorab aussortiert und verbrannt“, so Dr. Endrikat.
EU-Richtlinie zur Vermeidung von Einwegplastik
In vielen Fällen scheint eine Mehrweg-Lösung die ökologisch vorteilhaftere Variante zu sein. Dennoch lasse sich ad hoc kein allgemeingültiges Urteil treffen, so Dr. Endrikat: „Dazu müsste man mittels einer Ökobilanz z.B. genau evaluieren, wie das Geschirr bei einer Mehrwegvariante an- und abtransportiert wird, wie lange es genutzt wird und wie es genau gereinigt wird etc. Bei der genutzten Einweg-Variante spielen dann z.B. auch Faktoren wie die Weglänge und Art des Transportes zu einer Biogas- bzw. Kompostierungsanlage sowie deren Wirkungsgrad eine Rolle.“
Bis 2021 dürfte die Diskussion über das Einwegbesteck auf dem Dies academicus voraussichtlich jedoch aus anderen Gründen weiter an Fahrt aufnehmen. Bis dahin muss Deutschland die neue EU-Richtlinie zur Vermeidung von Einwegplastik umsetzen, die insbesondere auf den Schutz der Meere vor Plastik-Verschmutzung abzielt. Nach Auskunft des Bundesumweltamts werden von den Verboten auch biobasierte, biologisch abbaubare und kompostierbare Kunststoffe betroffen sein, da diese im Meer sehr langsam abgebaut werden.
Also doch eine Rückkehr zum Metall-Besteck aus der Mensa? Zumindest was den Sicherheitsaspekt betrifft ließen sich die Hürden aus dem Weg räumen.
Javanshir Hosseinzadeh, Fachkraft für Arbeitssicherheit der Uni Hohenheim erklärt: „Wir hatten uns dagegen ausgesprochen, weil das Besteck in der Vergangenheit ohne Pfand ausgegeben wurde. Es ist in großen Mengen verschwunden und fand sich überall auf dem Campus. Das birgt in der Tat ein gewisses Sicherheitsrisiko. Eine einheitliche Pfand-Lösung für Besteck und Teller wäre aus unserer Sicht jedoch unbedenklich und aus Aspekten der Nachhaltigkeit auch sehr zu begrüßen.“
Veranstaltungsleitung spricht sich für neues Abfall-Konzept aus
Sandra Weidinger vom Referat Marketing und Veranstaltungen in der Abteilung Hochschulkommunikation, die seitens Uni für die Veranstaltungsleitung zuständig war, hofft, dass das Abfall-Konzept bis zur Veranstaltung im nächsten Jahr optimiert werden kann.
„Als Universität haben wir uns das Thema Nachhaltigkeit in der Forschung und in der Lehre auf die Fahne geschrieben. Uni-Angehörige fordern zu recht, dass wir uns bemühen, diesem Anspruch auch auf unseren Veranstaltungen gerecht zu werden. Die bisherigen Maßnahmen des Studierendenwerks sind ein erster Schritt in die richtige Richtung. Wir wollen das Gespräch jedoch fortsetzen und prüfen lassen, ob es noch bessere Alternativen gibt, die sich umsetzen lassen, auch wenn damit möglicherweise höhere Kosten verbunden sind. Müllvermeidung ist dabei aus ökologischen Gesichtspunkten sicher der beste Weg“, so Weidinger.
Wünschenswert sei, dass auch die Stände des Studierendenjahrmarkts in ein einheitliches Müllvermeidungs-System integrieren werden. „Außerdem nehmen wir aus der Diskussion mit, dass über das Abfallkonzept vor Ort besser informiert werden sollte“, so Weidinger.
Text: Leonhardmair