Prorektor für Internationalisierung im Interview

Corona-Krise: Unterstützung für Internationals?  [02.04.20]

Die Corona-Krise bereitet auch den internationalen Studierenden der Uni Hohenheim Schwierigkeiten und Sorgen: Insbesondere die Studiengebühren für Nicht-EU-Bürger in Höhe von 1.500 € pro Semester stellen für viele aktuell ein Problem dar. Was die Uni tut, um die Internationals zu unterstützen und was die Corona-Krise für Auslandsaufenthalte, internationalen Partnerschaften & Co bedeutet, berichtet der Prorektor für Internationalisierung Prof. Dr. Andreas Pyka im Interview mit dem Online-Kurier.

 

Mehr zum Thema: Coronavirus: Die Universität Hohenheim informiert


Herr Pyka, via Online-Petition fordern internationale Studierende zurzeit, dass die Studiengebühren im laufenden Sommersemester ausgesetzt werden sollen. In einem offenen Brief bitten sie auch die Uni-Leitung um Unterstützung. Teilen Sie das Anliegen?


Ja, denn die Sorgen, die uns die internationalen Studierenden schildern, sind gut nachvollziehbar. Wer seinen Nebenjob jetzt aufgrund der Corona-Krise verliert, kann in Bedrängnis geraten. Aufgrund der weltweiten Dimension des wirtschaftlichen Einbruchs ist vielleicht auch eine finanzielle Unterstützung durch die Familie nicht mehr in gewohnter Form möglich.

Zugleich ist in der aktuellen Situation ja tatsächlich auch noch nicht sichergestellt, ob wir im Sommersemester die Lehre in ihrer ganzen Breite anbieten können – auch wenn wir im Moment alle Hebel in Bewegung setzen, um alternative, vor allem Online-Formate zu entwickeln.

Allerdings handelt es sich bei den Studiengebühren um eine landesweite gesetzliche Regelung, die wir als Universität nicht einfach außer Kraft setzen können.

Unterstützt die Uni also die Online-Petition?

Ich weiß, dass viele Uni-Mitglieder dies als Privatpersonen tun. Als Universität sind wir aber selbst eine Einrichtung des Landes, deshalb schlagen wir einen anderen Weg ein.

Es tun sich im Moment im Zusammenhang mit der Corona-Krise ja eine Vielzahl an Problemen auf. Deshalb haben sich alle Landes-Unis zu einer Task Force zusammengeschlossen, die wöchentlich mit Vertretern des Ministeriums für Wissenschaft und Kunst tagt und mit der Politik an gemeinsamen und für Baden-Württemberg einheitlichen Lösungen arbeitet. Wir haben uns hier die Forderung der internationalen Studierenden zu eigen gemacht, und bringen sie aktuell in die laufenden Verhandlungen ein.

Könnte die Uni nicht zumindest den Teil der Gebühren zurückerstatten, der in ihren eigenen Haushalt fließt?

Von den 1.500 € verbleiben ja nur ca. 300 € direkt an der Uni, der Rest geht ans Land. Für die Studierenden wäre die Entlastung also vergleichsweise gering. Neben den rechtlichen Schwierigkeiten einer Rückzahlung wäre gleichzeitig der Koordinationsaufwand für die Uni sehr groß. Gerade in der aktuellen Situation würden wir das nach Möglichkeit gerne vermeiden. Eine allgemeine Lösung auf politischer Ebene wäre also die deutliche bessere Variante. Darauf setzen wir nun zunächst.

Unabhängig davon versuchen wir, die internationalen Studierenden seitens der Uni natürlich so gut es geht auf anderen Wegen zu unterstützen.

Inwiefern?

Beispielsweise stelle ich als Prorektor Empfehlungsschreiben aus, um Studierende bei der Job-Suche zu unterstützen. Vielleicht ergeben sich für einige auch Möglichkeiten als Erntehelfer in der Landwirtschaft, da hier ja aktuell sehr dringend Saisonkräfte benötigt werden. Hohenheimer Studierende haben sich beispielsweise am Hackaton der Bundesregierung beteiligt, und versuchen mit einer App Hilfswillige an landwirtschaftliche Betriebe zu vermitteln. Auch solche Initiativen wollen wir natürlich gerne nutzen, um zu helfen.

Es gibt auch in gewissem Umfang Fördergelder des DAAD, um internationale Studierende in finanziellen Notlagen zu unterstützen, damit sie ihr Studium fortsetzen können. Wir haben alle Fördergelder für das Sommersemester beschleunigt vergeben und werden nun die nächste Vergaberunde vorziehen, die normalerweise erst im September erfolgen würde.

Zudem haben wir seitens der Uni die angefallenen Kosten für den abgebrochenen Intensivsprachkurs Deutsch als Fremdsprache komplett übernommen, um die Studierenden zu entlasten. Zugleich stellen wir sicher, dass sie über alternative Online-Angebote des Sprachenzentrums weiter Deutsch lernen können.

Das Akademische Auslandsamt arbeitet seit Wochen im Hochbetrieb, um die internationalen Studierende über die aktuellen Entwicklungen auf dem Laufenden zu halten und ihre Fragen zu beantworten. Diese Woche wurde nun auch das zentrale Corona-Infoportal der Uni um spezielle FAQs für internationale Studierende und Outgoings ergänzt.

Außer den internationalen Studierenden, die in Vollzeit hier studieren, gibt es auch eine Vielzahl von Zeitstudierenden, die im Rahmen von Austauschprogrammen für ein oder zwei Semester nach Hohenheim kommen. Inwiefern sind sie von der Corona-Krise betroffen?

Glücklicherweise kommen im Sommersemester viel weniger Studierende neu nach Hohenheim als im Wintersemester: Akut betroffen sind 58 Incomings.

Das Akademische Auslandsamt steht seit Wochen in intensivem Kontakt mit diesen Studierenden. Die meisten sind auf Grund der Corona-Krise gar nicht erst nach Deutschland gekommen. Die Wenigen, die schon früher angereist sind, wollten vor Semesterstart eigentlich den Intensiv-Sprachkurs belegen. Nachdem das Präsenz-Format ausgesetzt wurde, ist der Großteil von ihnen inzwischen wieder abgereist. Einige der Incomings sind allerdings nach wie vor hier. Und wir wollen unser Möglichstes tun, um trotz der widrigen Umstände ein guter Gastgeber zu sein.

Eine offene Frage ist derzeit noch, wie mit Mieten für Wohnheimzimmer verfahren wird, wenn Studierende vorzeitig abgereist bzw. gar nicht gekommen sind. Denn das Studierendenwerk hatte diese Zimmer verbindlich reserviert. Natürlich wünschen sich die Studierenden, dass sie nicht auf den Kosten sitzen bleiben. Für das Studierendenwerk geht es dabei insgesamt um eine beträchtliche Summe. Auch hier versuchen wir seitens der Universität zu vermitteln, um den Schaden soweit wie möglich zu minimieren: In den laufenden Verhandlungen mit dem Ministerium setzten wir uns für eine finanzielle Unterstützung seitens des Landes ein.

Was bedeutet die Pandemie für Hohenheimer Studierende bzw. Wissenschaftler, die im Ausland sind oder einen Aufenthalt planen?

Das Auswärtige Amt hat eine weltweite Reisewarnung ausgesprochen. Geplante Aufenthalte sollten leider bis auf Weiteres ausfallen oder verschoben werden. Allen, die im Ausland sind, raten wir, schnellstmöglich zurückzukehren.

Aufseiten der Studierenden sind 72 Outgoings betroffen, die das ganze Akademische Jahr oder nur das Sommersemester im Ausland verbringen oder verbringen wollten. Bei Erasmus+-Studierenden und bei anderen Stipendiaten können die Kosten für die Rückreise sowie anfallende Storno-Gebühren bis zu einer gewissen Höhe aus dem Stipendium finanziert werden. Bei Outgoings an Übersee-Partnerunis und in den Landesprogrammen kann die Uni in gewissem Umfang einspringen.

Wissenschaftler, deren Auslandsaufenthalt durch Drittmittel finanziert wird, sollten sich diesbezüglich vor der Rückreise mit dem jeweiligen Geldgeber abstimmen.

Für alle, die ohne Stipendium bzw. Förderung im Ausland sind, möchten wir seitens der Uni gerne einen Notfonds einrichten, um wenigstens einen Teil der anfallenden Kosten übernehmen zu können. Dazu haben wir uns an die Förderer und Gönner der Universität gewandt. Zwei erste Zusage haben wir bereits erhalten: Das Helmut-Aurenz-Stipendium und das Herzog-Carl-Stipendium können für den Fonds umgewidmet werden.

Stellt die Corona-Krise eine Gefahr für die internationalen Partnerschaften der Uni Hohenheim dar?

Was den unmittelbaren Kontakt mit unseren Partner-Unis betrifft, kann davon im Moment keine Rede sein – im Gegenteil: Der Informationsfluss funktioniert nach wie vor hervorragend und wir spüren, dass alle in der Krise virtuell zusammenrücken. Seit Deutschland zu den besonders stark betroffenen Regionen gehört, erhalten wir beispielsweise auch zahlreiche Solidaritätsbekundungen. So hat sich etwa der Präsident der China Agricultural University (CAU) in Peking mit einem persönlichen Schreiben an unseren Rektor gewandt, in dem er uns Unterstützung anbietet.

Mit Blick auf die Zukunft mache ich mir allerdings durchaus Sorgen, dass die Krise nationale Egoismen befördern könnte und Gelder für internationale Kooperationen möglicherweise gekürzt werden. Das wäre in vielfacher Hinsicht fatal. Denn Antworten für andere große Krisen unserer Zeit, wie den Klimawandel, können wir schließlich nur gemeinsam entwickeln und voranbringen. Mit unserem Schwerpunkt Bioökonomie setzen wir an der Uni Hohenheim deshalb sehr stark auf die internationale Zusammenarbeit, heute und in Zukunft.

Vielen Dank für das Gespräch. Wir werden berichten.


Interview: Leonhardmair

Mehr zum Thema im Online-Kurier