Unsere Profs: Anja Schwering

Sie geht neue Wege im Controlling  [28.07.23]

Prof. Dr. Anja Schwering | Foto: Universität Hohenheim / Elsner

Controlling im Unternehmen dürften die meisten Menschen mit Zahlen und Finanzen verbinden. Doch das ist nicht alles: Ziel des Controllings können zum Beispiel auch Werte wie mehr Nachhaltigkeit sein. Das Thema sei eigentlich sehr breit angelegt, meint Prof. Dr. Anja Schwering. Sie leitet seit Februar 2023 das Fachgebiet „Betriebswirtschaftslehre, insbesondere Controlling“ an der Uni Hohenheim.


Studierende können bei ihrer Forschung mitwirken – als Proband:innen in ihren Studien. In der Lehre lässt sie ihren Studierenden die freie Wahl, ob sie lieber im Hörsaal oder vor dem Rechner sitzen – wobei sie jedoch nachdrücklich auf den Wert der Präsenzlehre schwört.


Frau Schwering, was genau versteht man unter Controlling?

Controlling unterstützt das Management eines Unternehmens oder einer Organisation bei der Steuerung von Finanzen, Risiken oder Erfolgen. Dazu beschafft man Informationen, bereitet sie auf und kommuniziert sie in das Unternehmen hinein. Ziel ist es, dass das Management gute, effiziente Entscheidungen mit Blick auf die jeweilige Zielsetzung trifft. Die Zielsetzung muss nicht zwingend gewinnorientiert sein, sondern kann sich auch an anderen Werten orientieren.

Das würde man als Laie eher nicht erwarten. Ist es das, was Sie an dem Thema fasziniert?

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Ja, Controlling ist sehr breit angelegt – eigentlich jede Art von Fragestellungen in einem Unternehmen kann damit unterstützt werden, man mischt gewissermaßen überall mit. Beim Controlling stehen natürlich vor allem finanzielle Fragen im Mittelpunkt, aber es kommen immer mehr nichtfinanzielle Themen dazu, etwa das Thema Nachhaltigkeit. Hinzu kommt die Perspektive des international Management Accounting, bei der es nicht nur darum geht Informationen aufzubereiten, sondern das Verhalten von Mitarbeitenden zu beeinflussen. Wir untersuchen zum Beispiel, wie Menschen auf Informationen reagieren und welche Anreize sie bei der Arbeit motivieren.

Wie sind Sie denn zum Thema Controlling gekommen?

Eigentlich brauchte ich in meinem Studium der Betriebswirtschaftslehre in Münster zunächst einfach einen zweiten Schwerpunkt – und an dem bin ich dann hängengeblieben. Im Kontakt mit dem Lehrstuhl dort wurde mir bewusst, dass es bei dem Thema nicht nur um Zahlen geht, sondern um die Frage, wie man das Verhalten von Menschen lenken kann.

Ich habe diese verhaltenswissenschaftliche Seite zunächst vertieft. In meiner Dissertation ging es zum Beispiel darum, wann sich Beschäftigte bei Fragen der Budgetierung ehrlich verhalten. Also nicht unbedingt möglichst hoch pokern bei der Frage, wie viel Geld ihre Abteilung im nächsten Jahr benötigt.

Und was sind momentan Ihre Schwerpunkte in der Forschung?

Ein aktuelles Projekt beschäftigt sich mit der Frage, wie Steuerungs- und Kontrollsysteme Unternehmen dabei helfen können, Resilienz aufzubauen, also Krisen zu überstehen und sogar gestärkt aus diesen hervorzugehen. Wir schauen uns zum Beispiel an, wie das Risikomanagement und die Unternehmensplanung Resilienz beeinflussen können.

Ein wichtiger Punkt ist auch die Digitalisierung des Controllings und die damit verbundene konkrete Ausgestaltung der Controllingfunktion. Charakteristisch für die digitale Transformation im Controlling sind z.B. Automatisierung und Standardisierung von Prozessen. Die Zeiträume für die Datenerfassung und -analyse für das Management Reporting verkürzen sich dadurch. Wir untersuchen, welche Chancen das für das Unternehmen birgt und was das für die Beschäftigten bedeutet.

Und dann beschäftigt uns das bereits erwähnte Thema Nachhaltigkeit und wie es sich auf allen Ebenen niederschlägt. Also welchen Beitrag Controlling zum Nachhaltigkeitsbericht des Unternehmens leisten kann, wie Nachhaltigkeit gefördert werden kann und wie sich das auf das Verhalten der einzelnen Mitarbeitenden auswirkt.

Arbeiten Sie dabei auch direkt mit Unternehmen zusammen?

Nein, mit einzelnen Unternehmen arbeiten wir bisher eher selten, mehr empirisch-quantitativ. So analysieren wir etwa die Geschäftsberichte vieler Unternehmen, oder wir machen selber Experimente. Dabei können Studierende auch mitmachen.

Auf welche Weise?

Als eine Art Minijob für Studierende, der auch noch Spaß macht: Wir laden Studierende ein und versetzen sie in verschiedene Szenarien. Dabei beobachten wir, wie die Proband:innen auf Anreize reagieren. Das kann zum Beispiel die Frage sein, ob man bereit ist mehr zu arbeiten, wenn ein Unternehmen sozial orientiert ist.  Im Experiment heißt das dann, dass wir für die Leistung der Studierenden eine kleine Summe spenden.

Fachgebiet BWL, insb. Controlling

Am 1.2.2023 übernahm Prof. Dr. Anja Schwering das Fachgebiet, nachdem ihr Vorgänger Prof. Dr. Ernst Troßmann in den Ruhestand trat. Es wurde in unveränderter Ausrichtung wiederbesetzt. mehr


Das klingt ja spannend. Bieten Sie denn auch Humboldt reloaded-Projekte an?

In diesem Semester noch nicht, aber ich kann mir das gut vorstellen. Forschendes Lernen ist etwas sehr Sinnvolles. Abschlussarbeiten mit empirischen Studien bieten wir aber jetzt schon an.

Was bedeutet gute Lehre für Sie?

Gute Lehre vermittelt Konzepte, wie man Gelerntes anpassen und anwenden kann, so dass sich die Studierenden später mit ihrem Basiswissen gut in der Welt zurechtfinden. Sie fördert kritisches Denken.

Und ich finde es wichtig, die Lebensrealität der Studierenden im Blick zu haben. Die Digitalisierung sollte man nutzen. Ich zeichne fast jede Lehrveranstaltung auf und stelle das zur Verfügung. Schließlich gibt es manchmal Terminkonflikte. Und man kann sich relevante Dinge zum richtigen Zeitpunkt noch mal vor Augen führen: So macht es zum Beispiel Sinn, Inhalte aus einem Kurs zum wissenschaftlichen Arbeiten zeitnah vor Abgabe der Abschlussarbeit noch mal abzurufen.

Das heißt, Sie setzen voll auf Online-Lehre?

Nein, keinesfalls! Ich empfehle unbedingt allen Studierenden, die Möglichkeiten des Austauschs mit den Kommiliton:innen vor Ort zu nutzen! Der Kontakt mit anderen ist sehr wichtig und birgt große Vorteile. Er bringt einen auf viele neue Ideen, baut aber auch das persönliche „Vitamin B“ auf, das berufliche und private Netzwerk.Und die Präsenzlehre hat den Vorteil, dass Rückfragen oder kurze Diskussionen möglich sind. Ich setze daher auf eine aktivierend gestaltete Präsenzlehre. Nur: Ich zwinge niemanden dazu, immer vor Ort zu sein. Studierende sollten das selbst entscheiden können. Ich kann nur den Rat geben: Leben Sie Ihr Studium! Außerdem ist der Campus hier wirklich sehr schön…

…das ist er in der Tat. Doch was machen Sie, wenn Sie mal nicht auf dem Campus sind?


Meine Freizeit verbringe ich vor allem mit der Familie. Ich habe zwei kleine Kinder, also verbringe ich momentan viel Zeit auf dem Spielplatz und am Planschbecken. Das sorgt für den richtigen Ausgleich, so dass man nicht mit den Gedanken immer im Job bleibt.

Herzlichen Dank für das Gespräch, Frau Schwering!


Interview: Elsner

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