Neue Profs: Philipp Schlüter

Er blickt hinter die Kulissen der Evolution  [28.01.19]

Prof. Dr. Philipp Schlüter, neuer Leiter des Fachgebiets Biochemie des pflanzlichen Sekundärstoffwechsels | Foto: Universität Hohenheim / Dorothea Elsner

Wie entstehen Arten? Das ist eine der ganz grundlegenden Fragen, die sich Prof. Dr. Philipp Schlüter bei seiner Forschung stellt. Der Österreicher leitet seit Oktober letzten Jahres das Fachgebiet Biochemie des pflanzlichen Sekundärstoffwechsels an der Uni Hohenheim.


Seinen Studierenden gibt der Grundlagenforscher vor allem viel methodisches Handwerkszeug mit auf den Weg – und nicht zuletzt auch die Fähigkeit zum kritischen Diskurs.


Herr Schlüter, Sie sind der Nachfolger von Herrn Spring. Hat sich denn der Fachgebiets-Name mit dem Wechsel geändert?

Das hat er. Es hieß früher „Biodiversität und pflanzliche Interaktion“. Mein Schwerpunkt liegt mehr auf der Biochemie, aber ich verwende auch Methoden aus der Ökologie, Genetik und anderen angrenzenden Feldern. Vor allem evolutionäre Fragestellungen finden Eingang.

„Biochemie des pflanzlichen Sekundärstoffwechsels“ heißt das Fachgebiet also nun. Was müssen wir uns unter Sekundärstoffwechsel vorstellen?

Der Begriff Sekundärstoffwechsel ist eher historisch begründet. Als primär gelten alle Prozesse, die für die zelluläre Funktion unerlässlich sind. Sekundär sind die ‚nicht‘-essentiellen Prozesse, wobei das nicht immer ganz klar zu trennen ist. Aus Sekundärstoffwechsel entstehen auch Stoffe, die den Interaktionen von Pflanzen mit anderen Organismen zugrunde liegen. An den beteiligten Molekülen sind wir biochemisch interessiert, wir arbeiten auf molekularer Basis. Und die Bestäuber, die mit den Pflanzen interagieren, betrachten wir dann auch im evolutionären Kontext.

Wie sehen denn Ihre Forschungsthemen im Überblick aus?

Es geht um die Frage, wie pflanzliche Biodiversität entsteht. Wir untersuchen Artbildungsprozesse, auch von der genomischen Seite her – also wie funktionieren Selektion, Adaptation etc. Dabei betrachten wir sowohl die Populationsebene und die molekular-biochemische Ebene.

Freies Assoziieren



Ein Beispiel ist die Frage, wie die bestäubergetriebene Artbildung funktioniert. Wie agieren Bestäuber, wie reagieren Pflanzen, was geschieht auf der genomischen Ebene bei der Genregulierung, welche Gene sind beteiligt? Je enger die Verbindung zwischen Geno- und Phänotyp ist, desto mehr ist zu erwarten, dass Divergenz rasch vonstattengeht. Anders ausgedrückt: Eine starke Präferenz der Bestäuber führt zu schneller Artbildung, zumindest wenn die relevanten Merkmale eine relativ einfache genetische Architektur haben.

Eine andere Frage, die wir kürzlich auch schon in einer Pressemitteilung an bestimmten Orchideen im Kontext paralleler Evolution dargestellt hatten: Eine vergleichbare Mutation, die sich in mehreren Populationen unabhängig voneinander durchsetzen kann, während andere Mutationen mit dem gleichen phänotypischen Effekt anderswo ausgefiltert werden und wieder verschwindet. Warum ist das so? Das verstehen wir erst, wenn wir die molekulare Ebene betrachten: Ein Gen, das sich auf mehrere Merkmale auswirkt, kann an einer anderen Stelle negative Auswirkungen haben und sich dadurch dann unter Umständen nicht durchsetzen. Es schwingt also immer die Frage mit: Wie wiederholbar ist die Evolution?

Können sich Studierende denn an Ihren Forschungsprojekten beteiligen?

Ja, im Prinzip auf allen Ebenen von der Bachelor- bis zur Doktorarbeit. Wenn das Interesse zum Fachgebiet passt und die Rahmenbedingungen gegeben sind, ist alles möglich.

Wie sieht es mit Humboldt reloaded und Hiwi-Jobs aus?

Humboldt reloaded ist eine tolle Idee, da möchte ich gern mitmachen. Für dieses Semester war es nur bereits zu spät. Hiwi-Jobs wird es sicher auch noch geben – aber damit muss ich mich erst noch befassen. Hiwis gibt es in der Schweiz, wo ich die letzten Jahre gearbeitet habe, in dieser Art nämlich gar nicht.

Mit welchen Kollegen kooperieren Sie denn hier in Hohenheim?

Mit einigen Insektenforschern hier an der Uni, sowie mit Pflanzenforschern, Ökologen und Genomikern habe ich mich schon zu Gesprächen getroffen, bzw. hier sind Gespräche geplant. Ich komme zwar von einer anderen Seite, betreibe Grundlagenforschung, aber pflanzliche Anpassungs-Prozesse können durchaus auch für angewandte Themen interessant sein.

Kommen wir zur Lehre, Herr Schlüter. Was möchten Sie den Studierenden beibringen?

Zunächst will ich natürlich Grundlagen vermitteln. So erhalten die Studierenden eine Diskussionsbasis. Aber wir leben in einer Zeit, in der Detailwissen jederzeit leicht auffindbar ist. Viel wichtiger ist es daher, dass man lernt, die Verlässlichkeit von solchem Detailwissen zu evaluieren, kritische Fragen zu stellen, selbstständig kritisch zu denken und sich eine eigene Meinung zu bilden.

Fachgebiet Biochemie des pflanzlichen Sekundärstoffwechsels

Prof. Dr. Philipp Schlüter leitet seit dem 1.10.2018 das Fachgebiet. Davor hieß es „Biodiversität und pflanzliche Interaktion“ und stand unter der Leitung von Prof. Dr. Otmar Spring, der in den Ruhestand gegangen ist.


Ich denke, so entstehen gute Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, doch auch in anderen Bereichen kann man sich mit diesen Fähigkeiten konstruktiv an Diskursen beteiligen.

Wie sieht denn das Berufsfeld für Ihre Absolventinnen und Absolventen aus?

Das ist schwer einzugrenzen. Da wir sehr breit arbeiten, lernen sie bei mir viele Methoden, die übertragbar sind. Damit kann man natürlich in die Wissenschaft gehen, aber die Genomik zum Beispiel wird oft auch im angewandten Bereich gebraucht. Das Gleiche gilt etwa auch für Methoden der Datenanalyse, die gut auf völlig andere Felder übertragen werden können.

In Großbritannien, wo ich studiert habe, ist es durchaus üblich, dass man später oft etwas ganz anderes macht als man studiert hat. Bei uns ist das ähnlich, wir geben auch Tools mit, die auf andere Dinge übertragbar sind.

Haben Sie einen guten Rat, den Sie den Studierenden mit auf den Weg geben?

Auch das ist schwer zu verallgemeinern und hängt immer von den Interessen einer Person ab. Bei allem sollte man aber nie die persönliche Komponente außer Acht lassen. Nehmen wir an, jemand möchte promovieren – und sucht sich ein Labor nur danach aus, wie viele wichtige Publikationen daraus hervorgegangen sind. Davon würde ich unbedingt abraten; machen Sie sich lieber auch schlau, wie die Atmosphäre in der Arbeitsgruppe ist, ob die anderen sich wohlfühlen. Und wenn man gut miteinander auskommt, wird man auch später immer wieder gern kooperieren.

Speziell was die Laufbahn in der Wissenschaft angeht: Seien wir offen, auf dem akademischen Markt sind die Stellenchancen im Grunde nicht sehr rosig. Diese Laufbahn sollte man also nur einschlagen, wenn das Herz für ein Thema schlägt, und nicht wegen der Karrierechancen. Für die Grundlagenforschung ist die intellektuelle Neugier besonders wichtig. Schließlich besteht die Welt nicht nur aus ein paar Modellorganismen.

Sie haben eben schon Großbritannien und die Schweiz erwähnt – wie war den Ihr Weg bisher?

Biologie hat mich eigentlich schon von Kindesbeinen an interessiert. Studiert habe ich dann Biochemie in Oxford. Den evolutionären Kontext habe ich dann in der Promotion nachgeholt. Das war in meiner österreichischen Heimat, in Wien. Anschließend war ich insgesamt fast 12 Jahre als Post-Doc und dann als Gruppenleiter in Zürich – zunächst kurz an der ETH und dann an der Universität Zürich.

Und jetzt also Deutschland. Wie gefällt es Ihnen denn hier in Hohenheim

Gut, hier herrscht ein sehr gutes Arbeitsklima, alle sind sehr kooperativ und hilfsbereit. Ich fühle mich hier sehr gut aufgehoben. Ein tolles Umfeld mit interessanten Leuten. Natürlich ist jetzt am Anfang noch alles etwas stressig – ich muss erst noch lernen, wer wofür zuständig ist, und ich stecke viel Zeit in die Vorbereitung der Lehre.

Bleibt Ihnen denn da noch Freizeit?

Kaum. Vor allem da wir noch auf Wohnungssuche sind und aktuell noch an der Schweizer Grenze wohnen, ich pendle momentan noch. Und die Zeit zuhause möchte ich dann primär mit meiner Familie verbringen. Aber wenn mal wieder mehr Zeit bleibt, würde ich gern wieder mehr Musik machen, zum Beispiel Klavier oder Schlagzeug spielen. Außerdem lese ich gern, vor allem englische Literatur. Und ich bin gern in freier Natur – was sich ja mit dem Beruf immer wieder gut verbinden lässt.

Das ist wahr. Dafür wünschen wir Ihnen alles Gute, Herr Schlüter!

Interview: Elsner

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