Ein Kaffee mit.... Rhinaixa Duque-Thüs

„Die Queen war eine lustige und bodenständige Frau"  [30.08.24]

Campus-Spaziergang mit der Leiterin des Hohenheimer Herbariums. Die Rosen am Forschungsweinberg sind eine echte Rarität. Bild: Uni Hohenheim / Fritz (KI-verändert)

Bereits mit 13 Jahren wusste sie, dass sie einmal in einem Herbarium arbeiten will. „Herba-was?“ denken heute noch viele Erwachsene. Doch ihr Kindheitstraum ist Wirklichkeit geworden: Seit 2017 leitet Rhinaixa Duque-Thüs die "Pflanzenbibliothek" der Uni Hohenheim. Was ihre Großmutter, ein Headhunter und die Queen damit zu tun haben, erzählt sie zum Auftakt einer neuen Mini-Serie im Interview.


In unserer Reihe „Hohenheimer Schätze“ stellt Rhinaixa Duque-Thüs in loser Abfolge verschiedene Pflanzen-Motive im Stuck von Schloss Hohenheim vor. Sie erklärt, die symbolische Bedeutung und welche Rolle die Pflanzen heute für die Forschung an der Uni Hohenheim spielen. Die erste Ausgabe ist schon erschienen – im Fokus: die Rose!

 

Herbarium

Ein Herbarium ist Pflanzen-, Pilze-, Flechten-, Moosarchiv und -bibliothek in einem. Hier werden Herbariumexemplare gesammelt und so konserviert, dass sie zu Forschungszwecken reaktiviert werden können. Auch die Erforschung längst ausgestorbener Pflanzensorten wird so möglich.

Das Herbarium der Uni Hohenheim beherbergt über 500.000 Pflanzen-Belege!

Frau Duque-Thüs, woher wussten Sie schon so früh, dass Sie in einem Herbarium arbeiten wollen?

Für Pflanzen interessierte ich mich schon immer. Das liegt daran, dass meine Großmutter ein Kraut gegen alles hatte. Mit 13 habe ich dann zum ersten Mal ein Herbar besucht. Das war in Caracas, der venezolanischen Hauptstadt, wo meine Mutter studierte.

Ich war bis über beide Ohren verliebt in den Ort. Und ich hatte Glück: Ich bekam die Gelegenheit, in diesem Herbarium zu arbeiten. Meine erste Lupe, die ich damals geschenkt bekam, trage ich noch immer als Glücksbringer um den Hals.

Das war also eine sehr prägende Zeit?


Auf jeden Fall! Ich habe dann Biologie in Caracas studiert. Und meine Vorgesetzte aus dem Herbarium war meine Botanik-Professorin. Sie legte auch den Grundstein für meinen Umzug nach Deutschland. Wie viele in Caracas hatte sie deutsche Vorfahren. Jüdinnen und Juden, die vor den Nationalsozialisten fliehen mussten. Unter ihnen waren viele Wissenschaftler:innen, die das Institut für Biologie der Universität Caracas gründeten. Sie legte mir ans Herz, mein Studium in Deutschland weiterzuführen.

Wie war das für Sie, nach Deutschland zu kommen?


Über den DAAD bekam ich zunächst die Möglichkeit, in Frankfurt am Main zu promovieren. Das war schon aufregend, mit 28 Jahren zum ersten Mal mein Heimatland zu verlassen und dann direkt in ein Land zu ziehen, dessen Sprache so viele Leute abschreckt. Aber nicht mich! Ich fand die deutsche Sprache faszinierend – ebenso wie die deutsche Geschichte und Kultur. Wussten Sie zum Beispiel, dass der Cannstatter Wasen ursprünglich eine Art Erntedank-Fest war, das denselben Ursprung wie die Universität Hohenheim hatte?

Wusste ich nicht.

Als wegen eines gewaltigen Vulkanausbruchs der Sommer 1816 ausfiel und es zu einer Hungersnot kam, beschlossen König Wilhelm von Württemberg und seine Frau Katharina die Gründung einer landwirtschaftlichen Forschungs- und Lehranstalt, der Vorläuferin der Universität. Aus demselben Grund veranlassten sie die jährliche Feier eines Erntedank-Fests – dem Wasen. Der Wasen ist also keine Kopie des Münchner Oktoberfestes, wie viele glauben.

Solche Dinge zu lernen, gehört für mich einfach dazu, wenn man neu in ein Land kommt. Das habe ich auch so gemacht, als ich in England gelebt habe.

Die Rose in Kunst & Forschung

Das Schloss der Uni steckt voller versteckter Botschaften. Wer innehält und den üppigen Stuck betrachtet, kann sie verstehen lernen. Rhinaixa Duque-Thüs erklärt, was man dazu über die Symbolik der abgebildeten Pflanzen wissen muss - und welche Rolle sie heute noch für die Forschung an der Uni Hohenheim spielen. Ausgabe 1: die Rose.

Stimmt es, dass Sie für die Queen gearbeitet haben?

Ja! In Frankfurt habe ich meinen Mann kennengelernt, dem ich den wunderbaren Namen „Thüs“ verdanke. Nach unserem Studium bekamen wir beide einen Anruf von einem Headhunter, der uns Jobs im Natural History Museum angeboten hat. Da haben wir beschlossen, nach London zu ziehen. Einige Jahre später habe ich einen Job in den Kew Gardens angenommen, der Teil der Royal Botanical Gardens ist.

Da haben wir auch öfter mal Überraschungsbesuch von der Queen bekommen. Aus Sicherheitsgründen wusste niemand außer der Spezialpolizei des Gartens Bescheid, wann sie kommt. Als sie das erste Mal mit ihren Corgis auftauchte, hätte ich sie fast darauf angesprochen, dass Hunde nicht erlaubt sind. Sie war aber ganz normal und fragte freundlich, ob wir eine Ausnahme für sie machen würden. Sie war eine sehr lustige Frau.

In meiner Zeit in den Kew Gardens habe ich sehr viel über Kunstgeschichte gelernt, da es für alle, die dort angestellt waren, notwendig war, die Bedeutungen der pflanzlichen Darstellungen den royalen Schlössern – Buckingham Palace, Windsor Castle – in- und auswendig zu kennen.

Von diesem Wissen profitiere ich auch heute noch, wenn ich durch das Schloss Hohenheim gehe. Gerade arbeiten wir mit der Presseabteilung der Uni an einer Mini-Serie zum hochinteressanten Rokoko-Stuck des Schlosses.

Wieso haben Sie London nach zehn Jahren verlassen?

Im Vorfeld des Brexits ist die Stimmung in Teilen der Bevölkerung Großbritanniens gegenüber Menschen "vom Kontinent" angespannter geworden. Außerdem waren die Lebenshaltungskosten in London auch mit zwei Vollzeitstellen im öffentlichen Dienst kaum noch zu stemmen. Da haben mein Mann und ich beschlossen, uns in Deutschland zu bewerben und fanden beide eine Stelle in Stuttgart.

Welche Qualitäten braucht man als Leiterin eines Herbariums?

Neben der Liebe zu Pflanzen und zu archivarischen Tätigkeiten ist überraschenderweise die Fähigkeit, für Sauberkeit zu sorgen, sehr wichtig. Hier wird jeden Tag gekehrt. Sobald ich bei neu eingetroffenen Pflanzen Anzeichen von Schimmel entdecke, behandle ich diese Exemplare ganz vorsichtig mit in Alkohol getränkten Wattestäbchen.

Aber auch seine Feinde muss man gut kennen: Über die Jahre habe ich mich zur Insekten- und Schädlingsexpertin entwickelt. Ich überwache alles, was an Tierchen in mein Herbarium kommt. Dieses entomologische Wissen ist essenziell, um die Belege vor Angriffen durch gefräßige Käfer oder Silberfischchen (einer Insektenart, die besonders gerne Etiketten frisst) zu schützen.

Was ist Ihre Lieblingspflanze?

Schwer zu sagen. Ich mag alles, was duftet. Es lädt dazu ein, einmal innezuhalten. Im Englischen gibt es die Redewendung „to stop and smell the roses“ – sie erinnert einen daran, dass wir ab und zu aus unserem beschleunigten Lebensstil ausbrechen sollten. Solche Pflanzen liebe ich.

Interview: Melina Fritz

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