Wassermanagement

Hohenheimer Gärten leiden unter Trockenheit  [31.08.23]

Ohne künstliche Bewässerung würden die grünen Baumriesen im Schlossgarten Schaden nehmen. Bild: Uni Hohenheim

In den Hohenheimer Gärten werden über 8.000 verschiedene Pflanzenarten kultiviert, darunter 200 Jahre alte Baumveteranen und Exoten aus aller Welt. Darüber hinaus ist die grüne Oase ein Biodiversitäts-Hotspot für heimische Wildarten und erfüllt wichtige Funktionen für das Stadtklima. Doch die aktuelle Trockenperiode macht den denkmalgeschützten Parkanlagen immer mehr zu schaffen. Schon jetzt muss die Uni pro Jahr ca. 20 Mio. Liter Trinkwasser für die Bewässerung der Gärten aufwenden. Das entspricht rund 10 % ihres jährlichen Wasserverbrauchs. Kluges Wassermanagement ist deshalb das Gebot der Stunde.


Gefühlt war der Sommer in diesem Jahr über weite Strecken kühl und verregnet. Doch zur Erholung der Böden hat das bei weitem nicht ausgereicht.

„Wir haben kurz nach den Regenwochen Anfang August Bodenproben genommen: Bis in 40 cm Tiefe war alles immer noch staubtrocken…“, berichtet Dr. Helmut Dalitz, wissenschaftlicher Leiter der Hohenheimer Gärten, mit Sorgenfalten auf der Stirn.

Die Böden sind inzwischen so ausgetrocknet, dass sie bei starkem Regen nur noch einen kleinen Teil des Wassers aufnehmen können. Für eine echte Regeneration müsste es deshalb über deutlich längere Perioden immer wieder mäßig regnen. Als Folge des Klimawandels ist aber eher mit einem stetigen Wechsel von Wetterextremen wie Dürre und Starkregen zu rechnen.

Hohenheimer Gärten

Vor allem Flachwurzler leiden schon heute unter den trockenen Böden. „Eine große Buche beispielsweise braucht an einem heißen Tag ca. 600 bis 800 Liter Wasser. Da ihre Wurzeln nicht sehr tief in feuchtere Bodenschichten vordringen, müssen wir besonders viel zugießen und können den Bedarf vermutlich trotzdem nicht voll decken“, erklärt Dalitz.

Unterschiede in einzelnen Garten-Bereichen

Die Hohenheimer Gärten untergliedern sich in vier Bereiche, die unterschiedlich stark von der Problematik betroffenen sind.

Im Schlossgarten gibt es viele alte Baumjuwele, die das Erscheinungsbild der Hohenheimer Gärten in besonderer Weise prägen. Gerade diese grünen Riesen sind immer stärker auf künstliche Bewässerung angewiesen. Das Wasser dafür muss vollständig aus dem Trinkwassernetz bezogen werden.

Der Bereich „Vegetationsgeschichte“ südlich des Schlossgartens beherbergt ausschließlich heimische Pflanzen: Ein echter Hotspot der Biodiversität, der Hohenheim den Titel „Artenreichster Campus Europas“ eingebracht hat. Bislang ist in diesem Bereich keine Bewässerung notwendig. Allerdings drohen die südlich gelegenen Eiszeitteiche immer wieder auszutrocknen und müssen deshalb seit einigen Jahren verstärkt mit Trinkwasser aufgefüllt werden.

Der Landschaftsgarten im Süden wurde in den späten 1990er Jahren angelegt und hat keine natürlichen Zuflüsse. Insbesondere neu angepflanzte Bäume und Sträucher müssen deshalb bewässert werden.

Im Exotischen Garten im Westen können Bäume aus aller Welt bewundert werden, die zum Teil auf Bewässerung angewiesen sind. Zwar sorgen zwei natürlichen Quellen für Wasserzufluss. Der Grundwasserkörper ist jedoch nicht sehr groß. Im Lauf der Jahre hat die Wassermenge aus den Quellen tendenziell abgenommen und sie unterliegt größeren Schwankungen. Gründe dafür sind vermutlich die trockene Witterung sowie die Versiegelung von Flächen durch Bebauung. Aus den Bachläufen des Exotischen Gartens kann deshalb kein Wasser für die Bewässerung entfernt stehender Bäume entnommen werden.

Land setzt auf Regenwasser

Das Landesamt für Vermögen und Bau, das für alle Baumaßnahmen auf dem Campus zuständig ist, setzt sich unter anderem für eine stärkere Nutzung von Regenwasser ein. Erste kleinere Projekte sind bereits umgesetzt oder befinden sich in Vorbereitung.

So wird beispielsweise das Regenwasser vom Dach der neuen Bienenkunde in den benachbarten „Langen See“ geleitet. Von dort fließt es weiter in die südlichen Eiszeitteiche und wirkt dort der drohenden Austrocknung entgegen.

Auch die Bachläufe im Exotischen Garten speisen die großen Eiszeitteiche in der Vegetationsgeschichte. Allerdings ist das Flussbett sehr durchlässig, ebenso wie die Ufer der beiden Teiche, die das Wasser auf seinem Weg passiert. Das Landesamt für Vermögen und Bau plant deshalb Abdichtungsmaßnahmen, damit mehr Wasser in den Eiszeitteichen ankommt, wo es besonders dringend benötigt wird.

Zukunftsprojekt Regenwasserspeicher

„Maßnahmen wie diese gehen in die richtige Richtung“, meint Dalitz. „Von einem umfassenden Regenwassermanagement sind wir aber noch weit entfernt. Im Moment können wir das Wasser ja immer nur dann nutzen, wenn es regnet. Wir bräuchten es aber vor allem, wenn es trocken ist. Das heißt, wir müssten eigentlich große Reservoirs bauen, um das Regenwasser zu speichern.“

Doch wo und wie könnte so etwas realisiert werden? Chancen sieht Dalitz beispielsweise bei künftigen Neubauprojekten: „Die Baugruben könnten mit vergleichsweise geringem Zusatzaufwand tiefer ausgehoben werden, um unter den Kellern Zisternen anzulegen. Idealerweise sollte so eine Option in Zukunft automatisch mitgedacht werden. Im Moment ist das aber leider noch Zukunftsmusik.“

Dabei ist das Prinzip alles andere als neu: „Schon in historischen Plänen aus der Entstehungszeit der Hohenheimer Gärten sind oberirdische Regenwasserspeicher eingezeichnet“, weiß Dalitz: „Herzog Carl Eugen wollte damit offenbar barocke Wasserspiele betreiben. Letztlich wurde der Entwurf damals aber nicht umgesetzt.“

Bewässerung bei Nacht

Derweil beschäftigten den Leiter der Hohenheimer Gärten Maßnahmen, die sich schneller verwirklichen lassen.

„Ein großer Fortschritt wäre es bereits, wenn wir überall nachts bewässern könnten, um weniger Wasser durch Verdunstung zu verlieren“, sagt Dalitz. „Dazu müssen wir die Schläuche allerdings zuerst unter die Erde verlegen. Wir haben damit im westlichen Teil des Schlossgartens begonnen und wollen dieses Prinzip nun sukzessive ausweiten“.

Leider sei dies mit erheblichem Aufwand verbunden. Beispielsweise dürfen beim Verlegen der Schlauchleitungen keine Baumwurzeln zerstört werden, weshalb die Arbeiten nicht extern vergeben werden, sondern von den Gärtner:innen selbst durchgeführt werden.

Außerdem muss sichergestellt werden, dass kein Gießwasser in das Trinkwassernetz zurückfließt. „Die deutsche Gesetzgebung ist in diesem Punkt deutlich strenger als die EU. Die behördlichen Auflagen sehen für unsere geplante Art der Bewässerung freie Überlaufbecken vor. Diese kosten jeweils 50.000 Euro und mehr. Insgesamt brauchen wir ein gutes Dutzend davon. Wir können deshalb aktuell nur Schritt für Schritt vorgehen“, sagt Dalitz.

Smarte Bewässerung

Am liebsten würde Dalitz die Bewässerung noch viel präziser an den tatsächlichen Bedarf der Bäume anpassen. Denn dieser kann je nach Standort stark variieren. Grund dafür ist die heterogene Beschaffenheit der Böden in den Hohenheimer Gärten, die Wasser unterschiedlich gut speichern.

„Das Problem: Rein äußerlich sieht man vielen Bäumen Wassermangel lange Zeit nicht an. Doch wenn sich im Feinastbereich erstes Totholz bildet, können die Bäume unter Umständen bereits stark geschädigt und in ihrer Vitalität eingeschränkt sein“, erklärt Dalitz.

Bislang setzen die Hohenheimer Gärten auf das Erfahrungswissen der Gärtner:innen, um Zeitraum und Intensität der Bewässerung festzulegen. Dalitz‘ Vision ist jedoch ein neuartiges, intelligentes Bewässerungssystem, das Satellitendaten und Daten über den Zustand einzelner Bäume kombiniert, um die Bewässerung so exakt wie möglich auf den jeweiligen Standort abzustimmen.

„Wir bemühen uns aktuell um die Finanzierung für ein solches Pilotprojekt“, verrät Dalitz.

Neue Baumarten

Langfristig wird auch die Summe all dieser Maßnahmen wohl nicht ausreichen, um die Hohenheimer Gärten in ihrer heutigen Gestalt unverändert zu bewahren. „Letztlich müssen wir uns fragen, welche Bäume in Zukunft an diesem Standort überhaupt noch ausreichend gute Bedingungen vorfinden werden“, so Dalitz.

Im Lauf der Jahrtausende sind Baumarten immer schon gewandert, um sich klimatischen Veränderungen anzupassen. Im Bereich der Vegetationsgeschichte werden diese Veränderungen für Besucher.innen anschaulich demonstriert. Doch der menschengemachte Klimawandel verläuft so schnell, dass die natürliche Migration der Bäume vermutlich schwer Schritt halten kann.

„Wir müssen deshalb dringend überlegen, inwieweit es sinnvoll ist, Bäume jetzt bei ihrer Migration gezielt zu unterstützen. Dabei gilt es aber auch die Konsequenzen kritisch mit zu bedenken. Die besondere Herausforderung dabei: Maßnahmen von heute wirken sich erst in 50 bis 100 Jahren voll aus“, erklärt Dalitz.

Das Mammutprojekt betrifft Wald- und Forstverwaltungen in ganz Europa und wirft noch viele Fragen auf. Denn nicht jeder Baum, der heute in südlichen Gefilden gedeiht, wird sich morgen automatisch in Mitteleuropa wohlfühlen. So ist in Baden-Württemberg beispielsweise in Zukunft nicht nur mit zunehmender Trockenheit, sondern auch weiterhin mit Frost zu rechnen.

„Eigentlich fehlen uns noch viele Daten, um die Auswahl neuer Baumarten wirklich auf fundierter Grundlage treffen zu können. Diese zu sammeln, ist das Ziel eines groß angelegten EU-Forschungsprojekts, das 66 Baumarten auf ihre Klimaresilienz hin testet. Trotzdem muss schon jetzt schrittweise mit dem Waldumbau begonnen werden, sonst könnte es zu spät sein. Auch wir in den Hohenheimer Gärten haben es uns zur Aufgabe gemacht, klimaresistente Baumarten zu etablieren. Dies ist allerdings in einer vergleichsweise kontrollierten Parksituation sehr viel einfacher als in einem Wald“, so Dalitz.

Text: Leonhardmair

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