Eliteprogramm der BW-Stiftung fördert Hohenheimer Postdoc
Roboter lernt Pflege von Streuobstwiesen [20.02.20]
Dr. David Reiser beschäftigt sich am Institut für Agrartechnik mit der Entwicklung autonomer Feld-Roboter.
113.000 Euro für ein besonderes Projekt: Der Hohenheimer Agrartechniker Dr. David Reiser profitiert in den kommenden Jahren vom Eliteprogramm für Postdoktorandinnen und -doktoranden der BW-Stiftung. Das Geld will er nutzen, um einen Agrar-Roboter zu entwickeln, der Obstbäume auf Streuobstwiesen selbständig beschneidet. Die kleinen, autonomen Helfer könnten in Zukunft einen Beitrag zum Erhalt dieser traditionellen Kulturflächen leisten, die vielen seltenen Tier- und Pflanzenarten Lebensraum bieten.
Die Phase zwischen Promotion und eigenem Lehrstuhl ist mit zahlreichen Herausforderungen verbunden: Um den wissenschaftlichen Nachwuchs zu unterstützten und schneller akademische Selbstständigkeit zu ermöglichen, hat die Baden-Württemberg-Stiftung ein Eliteprogramm für Postdoktorandinnen und –doktoranden ins Leben gerufen. Pro Jahr werden bis zu 15 Personen mit überdurchschnittlichen Promotionsleistungen aufgenommen. Sie erhalten eine individuelle Förderung von bis zu 150.000 Euro für Personal-, Sach-, Reise- und Investitionskosten. Ein besonderes Augenmerk liegt dabei auch auf der Vernetzung. Mehr zum Programm...
Streuobstwiesen prägen die traditionelle Kulturlandschaft Baden-Württembergs. Sie sind nicht nur landschaftlich reizvoll und tragen zum Erhalt alter Obstsorten bei, sondern spielen auch für die Biodiversität eine wichtige Rolle: So weist eine Streuobstwiese gegenüber einer extensiv bewirtschafteten Obstplantage z.B. ca. 85% mehr Spinnenarten auf, 50% mehr Laufkäfer, 6x mehr Fluginsekten und 16x mehr Bienenarten.
Noch immer finden sich in Südwestdeutschland die größten zusammenhängenden Bestände Europas. Doch die Streuobstwiesen sind akut bedroht. Denn ökonomisch rechnet sich die Bewirtschaftung der kleinräumigen Kulturflächen, die verschiedenen Obstbäume unterschiedlichen Alters kombinieren, trotz Fördermaßnahmen kaum noch. Aktuell werden daher die Bäume auf rund 80% der Flächen nicht oder nur unregelmäßig geschnitten. Dies wäre jedoch erforderlich um sie langlebig und gesund zu erhalten.
Der Roboter-Prototyp "Phönix" kommt heute schon in Weinbergen zum Einsatz. Bild: David Reiser
Roboter soll Astschnitt auf Streuobstwiesen lernen
Diese Problematik forderte den Tüftlergeist des Hohenheimer Agrartechnikers Dr. David Reiser heraus, der sich am Lehrstuhl für Verfahrenstechnik in der Pflanzenproduktion der Entwicklung autonom agierende Roboter verschrieben hat.
„Prototypen werden immer besser darin, mit den komplexen Umgebungen auf dem Feld oder im Weinberg umzugehen. Jedoch ist der Einsatz der Roboter bisher nur in reihenbasierten Strukturen umgesetzt, welche leichter als 3D-Modell rekonstruiert werden können. Um solche Maschinen auch für den Astschnitt auf Streuobstwiesen einsetzen zu können, ist eine Menge innovative Entwicklungsarbeit erforderlich“, erklärt Reiser.
Im Rahmen eines aktuellen Forschungsprojekts will der Hohenheimer Postdoc diese Herausforderung nun annehmen. Ausgangspunkt ist ein bereits existierender raupenförmiger Roboter-Prototyp („Phoenix“), der mit einem speziellen Greifarm mit Sensorik und Aktorik ausgestattet werden soll, damit er Bäume als 3D-Objekte erkennen und Äste bis zu einer Höhe von 7 Meter zurückzuschneiden kann. Diese Aufgabe soll der Roboter zuerst teilautonom, d.h. unter Anleitung, und anschließend komplett selbstständig erledigen.
113.000 € Förderung für herausragenden Nachwuchswissenschaftler
Für die Verwirklichung des Vorhabens gelang es Dr. Reiser nun 113.000 Euro aus dem Eliteprogramm für Postdoktorandinnen und Postdoktoranden der Baden-Württemberg-Stiftung einzuwerben. Das Programm wurde ins Leben gerufen, um in der anspruchsvollen Phase zwischen Promotion und eigenem Lehrstuhl Unterstützung zu leisten.
Denn tatsächlich stehen Nachwuchswissenschaftlerinnen und –wissenschaftler in dieser Zeit vor großen Herausforderungen: Exzellente Forschung und herausragende Publikationen werden ebenso erwartet wie zahlreiche Aufgaben in der Lehre. Nicht selten sind Postdocs darüber hinaus im Wissenschaftsmanagement oder der akademischen Selbstverwaltung aktiv. Die Rahmenbedingungen sind dabei gekennzeichnet von großer Konkurrenz um wenige Stellen, hoher Abhängigkeit vom eigenen Lehrstuhl und z.T. geringen finanziellen Spielräumen bei der Entwicklung eigener Forschungsschwerpunkte.
„Ich habe während meiner Promotion zum ersten Mal von dem Programm gehört – und im vergangenen Jahr schließlich die Gelegenheit ergriffen, mich mit dem Robotik-Projekt zu bewerben. Über die Zusage habe ich mich riesig gefreut. Ohne die Förderung der BW-Stiftung könnte ich das Vorhaben in der jetzigen Form nicht verwirklichen. Zugleich empfinde ich es als große Anerkennung meiner Arbeit“, so Dr. Reiser.
2-stufiges Antragsverfahren
Die Anzahl der möglichen Bewerbungen pro Hochschule ist begrenzt (Hohenheim: 5 Anträge pro Jahr). Deshalb findet zunächst eine uni-interne Vorauswahl statt. Interessierte Postdocs reichen dazu eine 1-seite Skizze der Projektidee sowie ein Qualifizierungskonzept ein, das u.a. einen wissenschaftlichen Lebenslauf und künftige Schritte für eine strategische Karriereplanung beinhaltet.
Die Senatskommission Forschung der Uni Hohenheim wählt bis zu 5 Antragsskizzen aus. Nach einem positiven Bescheid bleiben den Postdocs anschließend rund 8 Wochen für die Ausarbeitung des vollständigen Antrags. Die Abteilung Forschungsförderung bietet dabei Unterstützung an.
Text: Leonhardmair