Interview mit Lisa Röthinger, Organisatorin des Stuttgart Science-March

March for Science: Wie geht es weiter?  [02.03.18]

Lisa Röthinger, Organisatorin des Stuttgarter Science March.

In 22 deutschen Städten und über 600 Städten weltweit haben Menschen am 22. April 2017 für den Wert von Wissenschaft und gegen „alternative Fakten“ protestiert. Auch die Uni Hohenheim hatte zur Aktion aufgerufen. Ein einmaliges Ereignis – oder der Auftakt für eine Bewegung? Das könnte sich am 14. April entscheiden. Dann soll der weltweite March for Science in die zweite Runde gehen. Lisa Röthinger hat den Stuttgarter Science March im letzten Jahr – hochschwanger – mit ins Rollen gebracht. Nun sucht sie Unterstützung für die Fortsetzung. Der Online-Kurier hat sie interviewt.

 

 



Science March Stuttgart 2018:

Verstärkung für Orga-Team gesucht!

  • Kontakt: sciencemarchstuttgart@gmail.com
  • Nächstes Treffen: 15.3., 18 Uhr, Hochschul- und Wissenschaftsregion Stuttgart e.V. in der Friedrichstraße 10
  • Das Hohenheimer Promovierendenkonvent unterstützt die Aktion: Kontakt

Interview Lisa Röthinger

Frau Röthinger, Sie haben den Stuttgarter Science March letztes Jahr maßgeblich angestoßen und mitorganisiert. Was verbindet Sie mit dem Thema – und was bewegt Sie?

Vorweg muss ich sagen, ich selbst bin keine Wissenschaftlerin. Ich habe studiert und arbeite jetzt bei YAEZ, der Agentur für Kinder- und Jugendkommunikation. Den Science March Stuttgart habe ich als Bürgerin organisiert, weil ich überzeugt bin, dass Wissenschaft und rationale Debatten für unsere Demokratie überlebenswichtig sind.

Sogar in meinem Bekannten- und Verwandtenkreis fiel mir auf, dass Wissenschaft immer mehr zur Glaubensfrage geworden ist. Ob es um die Evolution, den Klimawandel oder das Thema Impfen geht – wissenschaftliche Erkenntnisse gelten oft nur noch als eine Meinung unter vielen. Was nicht ins eigene Weltbild passt, wird zur Seite gewischt. Frei nach dem Motto: Das ist deine Ansicht, ich sehe es eben anders.

Ich vermute, dass dieser Trend durch neue Kommunikationsformen verstärkt wird. Soziale Medien leben von Bildern und pointierten Aussagen mit möglichst wenig Zeichen. Für komplexe Zusammenhänge ist hier oft kein Platz mehr. Das finde ich alarmierend. Denn die Welt und die Probleme, die es zu lösen gilt, sind nun mal komplex.

Science March Stuttgart

Gab es einen Schlüsselmoment, in dem Sie sich dachten: Jetzt muss ich aktiv werden?

Für mich war das der Women’s March im Januar 2017. Es war ein Protestmarsch für Frauen- und Menschenrechte, initiiert von Frauen, die damit u.a. ein Zeichnen gegen rassistische und frauenfeindliche Äußerungen des neuen US-Präsidenten setzen wollten. Die Aktion fand in Washington statt, aber es gab auch kleinere Solidaritätsmärsche in deutschen Städten.

Mein Freund und ich haben davon leider erst im Nachhinein erfahren – und dann sehr bedauert, dass wir die Gelegenheit verpasst hatten und dass es in Stuttgart keine Veranstaltung gab.

Wenig später las ich dann in der New York Times von dem geplanten March for Science. Ich war zu diesem Zeitpunkt hochschwanger. Trotzdem dachte ich mir: Okay, dieses Thema ist mir wirklich wichtig. Jetzt nicht wegducken, sondern aktiv werden! Zumindest solange es mir vor dem Geburtstermin noch möglich ist.

Wie ging es weiter?

Eigentlich wollte ich nur als Demonstrantin teilnehmen und andere dazu mobilisieren. Aber dann bin ich auf eine Website gestoßen, deren Ziel es war, Akteure in deutschen Städten untereinander zu vernetzen. So kam es zum ersten Treffen in Stuttgart, an dem neben meinem Freund und mir noch zwei weitere Personen teilnahmen.

Wir waren alle sehr euphorisch und haben noch am selben Abend eine öffentliche Facebook-Veranstaltung angelegt. Am nächsten Tag kam dann allerdings schon mein Baby zur Welt – 10 Tage früher als erwartet …

In den kommenden Wochen wuchs das Team und es kam Vieles ins Rollen, z.B. sagte die Giordano-Bruno-Stiftung finanzielle Unterstützung für den Science March zu. Trotzdem war natürlich noch eine Menge zu tun. Also habe ich nach einer kurzen Pause wieder mitorganisiert. Ungefähr zwei Wochen vor dem Termin konnten wir z.B. auch die Uni Hohenheim und die Uni Stuttgart offiziell als Unterstützer gewinnen.

Am Ende haben sich für den Science March auf dem Stuttgarter Schlossplatz rund 400 Menschen eingefunden. Natürlich gab es in anderen Städte noch deutlich größere Märsche, in Tübingen waren es z.B. über 2000 Menschen. Aber ich dachte mir: Hey, für meine erste selbstangemeldete Demo – gar nicht mal so schlecht!

Mitorganisieren

  • Kontakt: sciencemarchstuttgart@gmail.com
  • Nächstes Treffen: 15.3., 18 Uhr, Hochschul- und Wissenschaftsregion Stuttgart e.V. in der Friedrichstraße 10
  • Das Hohenheimer Promovierendenkonvent unterstützt die Aktion: Kontakt

Auch die Medien haben ausführlich über den Science March berichtet.

Weltweit hatten sich 600 Städte am March for Science beteiligt. Ein starkes Zeichen – wohl auch unter dem Eindruck der Trump-Wahl. Inzwischen steht der Termin für den 2. Science March fest. Wird es am 14. April noch einmal gelingen, so viele Menschen zu mobilisieren?

Ich war, wie viele andere, überrascht und begeistert vom weltweiten Erfolg des Science March. Für mich war sofort klar: Diese Energie darf jetzt nicht verpuffen! Es muss weitergehen. Denn die Probleme, die der March for Science thematisiert, haben sich ja keineswegs erledigt.

Auch wenn die US-Wahl damals der initiale Auslöser gewesen sein mag: Für die Organisatorinnen und Organisatoren in Deutschland war immer klar: Es geht hier nicht um eine Anti-Trump-Veranstaltung.  Die Relativierung von wissenschaftlichen Erkenntnissen ist ein weltweites Phänomen, das auch uns ins Deutschland betrifft. Viele sprechen sogar von einem drohenden „postfaktischen Zeitalter“.

Darüber hinaus geht es um Solidarität mit Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, die in ihren Ländern Repressionen erfahren, z.B. in der Türkei oder Ungarn, zunehmend allerdings auch in den USA. Wissenschaft ist von ihrem Wesen her ein internationales Projekt, also sollte auch die Solidarität mit den Betroffenen international sein.

Ich habe mich deshalb entschieden, wieder eine Demonstration für Stuttgart anzumelden.  Der Erfolg steht und fällt jetzt damit, ob sich auch genügen Leute finden, die die Aktion mitorganisieren. Mein Kleiner fordert mich inzwischen viel mehr als vor einem Jahr – und ich fange im März wieder an zu arbeiten. Unterstützung ist also mehr als willkommen!

Was gibt es zu tun?

Vor allem geht es jetzt darum, ein Programm auf die Beine zu stellen. Letztes Jahr hatten wir verschiedene Redner aufs Podium geholt. Unter anderem war auch der Rektor der Uni Hohenheim und die AStA-Vorsitzende dabei.

Aus anderen Städte höre ich, dass in diesem Jahr z.T. ganz neue Formate geplant sind: Der Science March soll noch bunter und vielfältiger werden, z.B. mit Science Slams, Musik, interaktiven Formaten etc. Im Mittelpunkt steht der Dialog zwischen Wissenschaft und Gesellschaft. Vielleicht gelingt es uns ja, so etwas auch in Stuttgart auf die Beine zu stellen?

Natürlich brauchen wir auch Leute, die die Werbetrommel rühren, sich um Ordner und Bühne kümmern etc. Wer mitmachen will – einfach per E-Mail Kontakt aufnehmen! Vielleicht findet sich ja eine Hohenheimer Gruppe zusammen?

Es wäre natürlich super, wenn es uns gelingt, in diesem Jahr sogar noch mehr Menschen zu mobilisieren. Die Voraussetzungen dafür stehen nicht schlecht. Im Unterschied zu 2017 ist der Science March vielen inzwischen ein Begriff. Die Hochschul- und Wissenschaftsregion Stuttgart hat bereits offiziell ihre Unterstützung zugesagt.

Wir werden berichten! Vielen Dank für das Gespräch!


Interview: Leonhardmair


Mehr zum Thema im Online-Kurier