Neue Profs: Stefan Scholten

Er macht Fachleute für die moderne Pflanzenzüchtung  [12.03.18]

Prof. Dr. Stefan Scholten, neuer Leiter des Fachgebiets Quantitative Genetik und Genomik der Nutzpflanzen. | Foto: Universität Hohenheim / Dorothea Elsner

Mit einem Blick ins Erbgut der Pflanzen im Vorfeld abschätzen, welche Eigenschaften ihre Nachkommen haben – das kann die Pflanzenzüchtung erheblich beflügeln. Prof. Dr. Stefan Scholten am Fachgebiet „Quantitative Genetik und Genomik der Nutzpflanzen“ lehrt und erforscht diese molekularbiologischen Methoden.


Die pflanzliche Reproduktion ist sein Steckenpferd: Seit Mitte Dezember letzten Jahres baut Prof. Dr. Scholten das neue Fachgebiet am Institut für Pflanzenzüchtung, Saatgutforschung und Populationsgenetik auf.


Herr Scholten, „Quantitative Genetik und Genomik der Nutzpflanzen“ heißt Ihr Fachgebiet. Was genau ist das?

Die Genetik beschäftigt sich mit den einzelnen Genen und ihrer Funktion. Die Genomik betrachtet die Gesamtheit der Gene und wie sie zusammenarbeiten. Und bei der Quantitativen Genetik geht es um Merkmale, die von vielen Genen abhängen statt von einem einzigen.

Es ist ein neues Fachgebiet in Hohenheim?

Ja, es ist ganz neu entstanden. Es verbindet quantitativ genetische mit genomweiten molekularbiologischen Ansätzen. Ich arbeite dabei nicht nur mit der DNA-Ebene, sondern vorwiegend mit RNA, die für die Regulation der Gene zuständig ist. Die Molekularbiologie hier in Hohenheim stärker mit der Züchtungsforschung zu verbinden sehe ich als wichtige Aufgabe.

Was genau sind denn Ihre Forschungsthemen?

Das die verschiedenen Bereiche meiner Forschung umspannende Thema ist die pflanzliche Reproduktion. Ich untersuche z.B. die elterlichen Beiträge, also welche Gene von welchem Elternteil aktiver sind, welche Konflikte es gibt und wie die beiden Genome zusammenwirken. Das ist wichtig für die Hybridforschung und für die Samenentwicklung. Dabei betrachte ich einerseits die Gameten und frühe Stadien der Embryonalentwicklung, andererseits Züchtungspopulationen. Hybride, also Mischlinge in der ersten Generation, erbringen häufig eine höhere Leistung als ihre Eltern. Ein Effekt, den man Heterosis nennt und der in der Hybridzüchtung für höhere und stabilere Erträge genutzt wird.

Freies Assoziieren



Wir nutzen genomische Daten der Elternlinien von Züchtungspopulationen, um die Leistung der Hybriden vorherzusagen. Mit dieser Vorhersage können wir die Züchtung unterstützen. Wir nutzen diese Daten auch, um das Phänomen Heterosis besser zu verstehen. Pflanzliche Zellkulturen sind auch ein wichtiger Teil meiner Arbeit, z.B. um bestimmte Mutanten durch gezielte Edierung des Genoms herzustellen, die dann zur Aufklärung von Funktionen eingesetzt werden.

Vorwiegend ist das Grundlagenforschung, aber auch Vorbereitung auf die neuen Züchtungstechniken. Ich bin auch ein begeisterter Methoden-Entwickler, sowohl bei Einzelzellanalysen als auch auf epigenetischer Ebene, bei der man erforscht, welche Faktoren die Aktivität eines Gens steuern und welche erworbenen Eigenschaften in die nächste Generation weitergegeben werden.

Was fasziniert Sie besonders an Ihrer Tätigkeit?

Bei der Pflanzenreproduktion fasziniert mich, dass sich aus einer einzigen somatischen Zelle wieder ein ganzer Organismus entwickeln kann.

Welche Pflanzenarten sind denn Ihre Versuchsobjekte? Die beliebte Modellpflanze Arabidopsis?


Nein, kein Arabidopsis. Sie hat in der Grundlagenforschung absolut ihre Berechtigung, doch wir haben heute Methoden und Technologien, um direkt mit den Nutzpflanzen zu arbeiten. Viele Mechanismen, die die vielfach komplexeren Genome der meisten Nutzpflanzen bestimmen, sind bei Arabidopsis gar nicht vorhanden. Ich arbeite vor allem mit Mais, aber auch mit Raps und Weizen.

Kommen wir zur Lehre. Was möchten Sie Ihren Studierenden beibringen, Herr Scholten?

Vor allem Begeisterung für die Forschung. Sie sollten die Zusammenhänge verstehen, wofür die Forschung wichtig ist, den Bezug zur Praxis haben und verstehen, wozu Spezialwissen benötigt wird.

Was bedeutet für Sie gute Lehre?

Wichtig ist die unmittelbare Betreuung und die Interaktion, sowohl bei Vorlesungen als auch in Praktika. Die Lehre muss möglichst realitätsbezogen sein, und dafür sollten die Studierenden so früh wie möglich auch in die Forschung eingebunden werden.

Demnach dürfte Ihnen Humboldt reloaded gut gefallen…

Ja, das finde ich ganz prima. Im Moment biete ich allerdings noch kein Humboldt reloaded-Projekt an, weil das Labor erst im Aufbau ist und auch das Pflanzenmaterial noch angezogen wird. Der Mais ist erst vier Wochen alt, er blüht erst mit drei Monaten.

Ich bin auch gerade dabei, ein Konzept zu überlegen, so dass die Studierenden angemessen und sinnvoll in Forschungsprojekte eingebunden werden. Mit Humboldt-Projekten, aber natürlich auch Bachelor- und Masterarbeiten. Bei den Labor-Arbeiten der Genetik und Genomik sind sehr viele Arbeitsschritte, oft in Abfolge über mehrere Jahre, nötig, so dass die studentischen Arbeiten dann idealerweise Teilprojekte von größeren Forschungsprojekten sind.

Wie sieht es denn mit HiWi Jobs bei Ihnen aus?

Die gibt es auch, aber natürlich mehr für die eher routinemäßigen Arbeiten wie Probenaufbereitung etc. Und außerdem gibt es auch noch Praktika während des Studiums, die sehr wichtig sind, um die Methoden zu erlernen.

Fachgebiet „Quantitative Genetik und Genomik der Nutzpflanzen“

Seit 15. Dezember 2017 leitet Prof. Dr. Stefan Scholten das neu eingerichtete Fachgebiet. Die Besetzung der Professur erfolgt erstmals im Programm „Master 2016“, mit dem das Land Baden-Württemberg die Kapazitäten in Master-Studienplätzen ausbauen will.


Wo arbeiten denn Ihre Absolventen später?

Zum Beispiel in der Pflanzenzüchtung, aber auch in der Forschung oder der Industrie. Manche arbeiten auch als Bioinformatiker – das spielt insofern in meinen Bereich mit hinein, weil die Bioinformatik wichtig ist, um genomweite Ansätze zu analysieren.

Welchen guten Rat geben sie den Studierenden mit auf den Weg?

Mein Rat ist ganz einfach: Lassen Sie sich von Ihrer eigenen Begeisterung und Ihren Interessen leiten. Und ordnen Sie sie nicht vermeintlich chancenreicheren Gebieten unter.

Sie waren zuvor in Hamburg im Biozentrum Klein Flottbek?

Ja, das stimmt. Da habe ich auch schon eng mit Prof. Melchinger und Prof. Piepho kooperiert. Ich habe einen Großteil meiner wissenschaftlichen Karriere in meiner Heimatstadt Hamburg verbracht. Ein Jahr war ich an der Universität Oxford zu einem Forschungsaufenthalt, vier Monate als Gast-Professor in Japan, und hier in Hohenheim war ich auch schon drei Jahre lang – bis Ende 2016 – in Vertretung von Prof. Weber im Bereich Pflanzenzüchtung und Biotechnologie.

Dann hatten Sie also keinen Kulturschock durch den Wechsel?

Nun ja, der Abschied ist schwer, aber das Ankommen leicht. Es ist ein sehr netter Kollegenkreis hier. Und in meiner Freizeit bin ich bin auch schon auf der Suche nach einem Chor, in dem ich singen kann. Segeln als Hobby entfällt ja nun, aber ich tausche das Wasser gegen die Berge ein und will wieder mit Drachenfliegen beginnen.

Dann wünschen wir Ihnen allzeit guten Flug – und bedanken uns für das Gespräch!


Interview: Dorothea Elsner

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