Besser wär besser - GREEN

Mehr Photovoltaik für den Campus  [12.04.24]

Die erste PV-Anlage auf dem Campus befindet sich auf dem Dach des Audimax (2016). Bild: Uni Hohenheim

Im Rahmen von "Besser wär besser - GREEN" sucht die Uni Hohenheim das Sommersemester über nach grünen Ideen. Eine drängt sich geradezu auf: Wie steht es mit Photovoltaik-Anlagen für den Campus? Wir haben uns schlau gemacht. Dabei stießen wir auf konkrete Pläne, visionäre Ideen – aber auch auf dicke Bremsklötze.

 

Mehr zum Aktionssemester "Besser wär besser GREEN":


Zusammenfassend lässt sich sagen: Die Uni Hohenheim investiert bereits jetzt viel Zeit und Geld in echte Photovoltaik-Visionen.

Schon in wenigen Jahren könnte die Uni vor dem Problem stehen: Was tun, wenn wir auf dem Campus mehr Solarstrom produzieren als wir verbrauchen können? (Spoiler: Das ist kein Luxus-Problem, sondern eine echte Herausforderung und bringt die Köpfe in der Verwaltung schon jetzt ganz schön zum Rauchen.)

Ob alles klappt – und ob sich der Aufwand am Ende auch finanziell rechnet, ist noch unsicher. Der Grund: ein Wirrwarr an Auflagen und verschiedenen Zuständigkeiten. Außerdem besteht die Gefahr, dass die Uni eine Menge Geld ausgeben muss – während Vorteile an ihr vorbeigeleitet werden.

Doch der Reihe nach.

Grüne Ideen für den Campus

Lasst uns gemeinsam Energie & CO2 sparen und den Campus nachhaltiger machen!

Neuste Einträge:

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  • Absenkung der Bordsteine (TMS, Bibliothek)
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  • LED-Beleutung und Abschalt-Automatik

Alle Einträge werden geprüft, beantwortet - und falls möglich weiterverfolgt. Mehr...

Status quo: Wo stehen wir?

Gibt es an der Uni Hohenheim eigentlich schon Photovoltaik-Anlagen? Diese Frage kann man sich durchaus stellen, wenn man über den Campus spaziert. Denn ins Auge springen sie nicht gerade.

Tatsächlich wurde die 2016 die erste Hohenheimer PV-Anlage in Betrieb genommen - ganz zentral auf dem Dach des Audimax. 2023 folgte eine zweite auf dem Neubau der Bienenkunde. Pro Jahr erzeugen sie zusammen rund 46 Megawattstunden (MWh) Energie.

"Bei einem campus-weiten Jahresstromverbrauch von 16.000 MWh ist das eher ein Tropfen auf den heißen Stein", ordnet Kanzlerin Dr. Katrin Scheffer ein. "Würde der Ausbau in diesem Tempo weitergehen, könnte die Uni Hohenheim wohl keinen nennenswerten Beitrag zur Energiewende leisten. Genau das ist aber unser Anspruch."

Konkret geplant: PV-Anlagen auf neuen Gebäuden

Tatsächlich kommen die Dinge langsam, aber sicher ins Rollen. Das Landesamt für Vermögen und Bau, das für alle Baumaßnahmen auf dem Campus zuständig ist, sagt zu: Immer, wenn auf dem Uni-Gelände ein Gebäude neu gebaut wird, sollen weitere Photovoltaik-Anlagen hinzukommen.

So sollen voraussichtlich noch in diesem Jahr an der Versuchsstation Agrarwissenschaft zwei neue PV-Anlagen in Betrieb gehen. Diese befinden sich auf den Dächern von Ställen, die aktuell am "Unteren Lindenhof" in Eningen erneuert werden.

Außerdem fest eingeplant sind Solar-Module auf dem Forschungsneubau für die Tierwissenschaften (HoLMiR), der aktuell hinterm Biogebäude entsteht, auf dem neuen Kleintierhaus oder den Betriebsgebäuden des Phytotechnikums (im Zuge eines zweiten Bauabschnitts). Auch bei der landwirtschaftlichen Mehrzweckhalle, die die Universität ausnahmsweise selbst baut, ist eine Dach-PV eingeplant.

Erwartete Stromerzeugung durch die neuen Anlagen insgesamt: Knapp 1.000 MWh pro Jahr.

Ausblick: Externer Investor

Und was ist mit Dächern der bestehenden Gebäude? Auch diese werden auf PV-Tauglichkeit geprüft. Denn die Landesregierung hat sich vorgenommen, bis 2030 so viele landeseigene Gebäude wie möglich mit PV-Anlagen auszurüsten.

Laut Beschluss des Finanzministeriums soll die Umsetzung an der Uni Hohenheim und der Uni Stuttgart mit Hilfe eines externen Investors erfolgen. Das Landesamt für Vermögen und Bau bereitet dazu aktuell eine Ausschreibung vor. An beiden Uni-Standorten sollen zusammen insgesamt 50.000 m² Dachfläche für das Investoren-Programm bereitgestellt werden.

Allerdings gibt es aus Sicht der Uni Hohenheim dazu noch viele offene Fragen, die vor einer erfolgreichen Umsetzung zwingend geklärt werden müssen:

  • Können ggfs. notwendige Dachsanierungen angesichts des Sanierungsstaus auf dem Campus überhaupt zeitnah realisiert werden?
  • Wie wird das uni-eigene Stromnetz (inkl. Mess- und Regelungstechnik) fit für die neuen Anforderungen?
  • Woher kommen die Fachkräfte, die für Betrieb und Steuerung einer großen Anzahl von Anlagen notwendig sind? Und wie können sie bezahlt werden?
  • Was passiert mit dem überschüssigen Strom, den die Uni z.B. an sonnigen Wochenenden nicht selbst verbrauchen kann? (Mehr zu dieser Problematik s.u.)

Wie viele PV-Anlagen bis 2030 also tatsächlich über das Investoren-Programm in Hohenheim entstehen können, ist derzeit noch völlig offen.

Agri-PV

Hoch aufgeständerte Agri-PV Anlagen können Pflanzen vor Dürren schützen.
Bild: Uni Hohenheim / Schweiger

Ausblick: Agri-PV-Forschung

Schon einen Schritt konkreter - und von der Dimension her sogar noch größer - sind zwei weitere Projekte, die visionäre Wissenschaftler:innen an der Uni Hohenheim umsetzen wollen.

Auf gut zwei Hektar Ackerfläche wollen der Pflanzenökologe Jun.-Prof. Dr. Andreas Schweiger und sein Team Versuche zum Thema Agri-PV durchführen. Auch viele weitere Arbeitsgruppen wollen Fragestellungen rund um Agri-PV bearbeiten. Vorgesehen dafür sind Versuchsfelder des Heidfeldhofs neben dem Phytotechnikum (Campus Hohenheim) und des Ihinger Hofs (Renningen).

Agri-PV bedeutet: Landwirtschaft und Stromproduktion durch PV-Anlagen werden auf einer gemeinsamen Fläche kombiniert. Die PV-Paneele werden dazu beispielsweise auf mehrere Meter hohen Stelzen angebracht oder auch zwischen landwirtschaftlich genutzten Parzellen. So können landwirtschaftliche Maschinen darunter oder dazwischen hindurchfahren.

Strom als Nebenprodukt der Forschung

Auf den ersten Blick scheinen Ernteeinbußen dabei unvermeidbar. Denn die PV-Anlagen werfen auf einen Teil des Ackers Schatten. Tatsächlich könnte sich das in Zeiten von zunehmenden Dürren und Hitzeperioden auf Ackerpflanzen allerdings sogar positiv auswirken. Denn die landwirtschaftlichen genutzten Pflanzen verlieren dadurch weniger Wasser und können dieses effizienter nutzen.

Hierzu gibt noch viel Forschungsbedarf, ebenso zur Frage wie sich Agri-PV-Anlagen auf die Biodiversität rund um die Felder auswirkt. Die Hohenheimer Forschungsprojekte wollen genau diesen Fragen nachgehen und somit den Weg ebnen, damit Agri-PV bald auch in größerem Maßstab im Ackerbau in Deutschland betrieben werden kann - im Einklang mit Biodiversität und Landwirtschaft.

Der in den Forschungsanlagen produzierte Strom ist bei diesen Forschungsprojekten eigentlich nur ein positiver Nebeneffekt (der allerdings für Teilprojekte durchaus eine Rolle spielt). Für die Energieversorgung des Campus fällt der "Nebeneffekt" auf jeden Fall mächtig ins Gewicht: Die Agri-PV-Anlage auf dem Heidfeldhof könnte pro Jahr bis zu 1000 MWh produzieren. Die Anlage auf dem Ihinger Hof weitere 200 MWh.

Uni muss Planung selbst in die Hand nehmen

Fördergelder und Projektpartner sind bereits organisiert. Trotzdem steht das endgültige Go noch aus. Denn wie bei Bauprojekten üblich, sind verschiedene Vorarbeiten und Gutachten notwendig, die z.T. noch etwas Zeit benötigen. U.a. verlangt die Stadt ein Gutachten, ob die Anlage auf dem Heidfeldhof Wildtiere beeinträchtigt, da sich die Flächen in der Nähe eines Naturschutzgebiets befinden.  

Eine weitere Herausforderung: Das Landesamt für Vermögen und Bau, das eigentlich für Planung und Umsetzung zuständig wäre, hat im Moment keine Kapazitäten frei. Die Fördergelder sind jedoch zeitlich befristet. Ausnahmsweise gestattet das Land, der Uni Hohenheim daher, den Anlagenbau selbst auszuschreiben und den Bau zu überwachen (Ihinger Hof) bzw. die Anlage über einen Partner planen und bauen zu lassen (Heidfeldhof). Das Landesamt für Vermögen und Bau erwartet allerdings weiterhin eine enge Abstimmung.

"Einerseits schafft uns das Freiraum, anderseits bedeutet es aber auch immensen Aufwand. Denn die rechtlichen und administrativen Fragen sind sehr komplex. Die notwendige Expertise müssen wir uns z.T. erst aneignen bzw. extern einholen. Außerdem muss die Uni viele Kosten selbst übernehmen, z.B. für Baugrunduntersuchungen, artenschutzrechtliche Gutachten, ein Mess- und Regelungskonzept, künftige Wartungen sowie einen späteren Rückbau", so die Kanzlerin.

Zu viel Solarstrom könnte zum Problem werden

Paradoxerweise könnte ausgerechnet die große Menge des erzeugten Stroms zum Haupt-Problem werden. Das gilt vor allem dann, wenn am Wochenende die Sonne scheint.

"Samstags und sonntags sinkt der Energieverbrauch des Campus deutlich. Bei gutem Wetter könnte es dazu kommen, dass wir insgesamt mehr Strom produzieren als wir verbrauchen. Man darf dabei nicht vergessen: Neben den PV-Anlagen erzeugen wir auch über unser Blockheizkraftwerk Strom", erklärt die Kanzlerin. "Wir müssen die PV-Anlagen an solchen Wochenenden deshalb entweder abregeln oder die Überproduktion ins öffentliche Stromnetz einspeisen."

Aufgrund der Anlagengröße kommt die Uni in die Pflicht, den Strom über einen Direktvermarkter an Stromkunden weiterzuverkaufen. Auch hierfür fallen Kosten an - und der Preis für den eingespeisten Strom ist viel geringer als der Preis für eingekauften Strom. Hinzukommt ein beträchtlicher bürokratischer Aufwand. Denn die Uni muss hierfür einen Betrieb gewerblicher Art anmelden.

Je nach Szenario könnte sich dieser Aufwand zudem noch drastisch erhöhen. Etwa dann, wenn der Universität die Rolle einer Netzbetreiberin zufallen sollte, weil Strom in einer bestimmten Menge über das uni-eigene Mittelstromnetz an Dritte weitergeleitet wird.

Darf die Uni erzielte Einnahmen behalten?

Ob sich der hohe bürokratische Aufwand für die Stromvermarktung finanziell rechnet ist dabei nicht ausgemacht.

"Das Haushaltsrecht für Universitäten ist sehr komplex", erläutert die Kanzlerin dazu. "Es gibt eine Vielzahl unterschiedlicher Rahmenbedingungen, die regeln, wie wir mit erzielten Einkünften umgehen müssen. Im Moment stellt sich für uns die Gretchen-Frage: Dürfen wir eingenommene Gelder behalten oder werden sie uns am Ende wieder vom Budget abgezogen? Und wenn ja: In welchem Umfang?"

Aus Sicht der Kanzlerin geht es dabei auch um übergeordnete Fragen:

"Die Landeshaushaltsordnung schreibt uns vor, wirtschaftlich und sparsam zu handeln. Rein betriebswirtschaftlich betrachtet, sind viele Maßnahmen schwierig, da sie mit zusätzlichen Kosten verbunden sind und es ist unklar, ob wir Einnahmen behalten dürfen. Gleichzeitig erwartet das Land von uns als Landeseinrichtung, dass wir bis 2030 klimaneutral werden. Als Universität mit einem nachhaltigen Profil unterstützen wir dieses Ziel. Wie notwendige Investitionen finanziert werden oder der höhere Aufwand im Betrieb getragen wird, ist allerdings bislang völlig offen. Es wäre eigentlich nur logisch, dass wir zumindest zusätzliche Kosten gegenüber dem Land geltend machen können. Sonst müssten wir Ressourcen umwidmen, die uns eigentlich für andere Aufgaben zur Verfügung gestellt wurden", so Scheffer.

Kanzlerin: "Wir geben nicht auf!"

Trotz aller Widrigkeiten hält Scheffer fest: "Wir wollen einen Weg finden, wie wir die Agri-PV-Projekte realisieren können. Denn wir wollen mit unserer Forschung wichtige Zukunftsfragen bearbeiten und einen Beitrag zur Energiewende leisten. Und wir wollen unsere eigenen Klimaziele auf dem Hohenheimer Campus erreichen!"

Update folgt...

Text: Leonhardmair

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