Neue Profs: Michael Evers

Er lehrt das Verständnis von Geld  [29.03.18]

Prof. Dr. Michael Evers, neuer Leiter des Fachgebiets Geld und Währung | Foto: Universität Hohenheim / Dorothea Elsner

Seine Berechnungen sind zwar abstrakt, aber nicht kompliziert, denn sie sollen vor allem das Verständnis für die Zusammenhänge schärfen und die ökonomische Intuition fördern: Prof. Dr. Michael Evers ist seit Oktober letzten Jahres der neue Kopf des Fachgebiets Geld und Währung.


Abstrakt denken, komplexe Sachverhalte verstehen und intuitiv erfassen, Dinge hinterfragen – diese Tugenden will Michael Evers den Studierenden beibringen. Sie dürften nicht nur künftigen Volkswirtinnen und Volkswirten zugutekommen.

Herr Evers, der frühere Lehrstuhl Wirtschaftspolitik wurde zum Lehrstuhl für Geld und Währung. Wird es in Ihren Vorlesungen künftig nicht mehr um Politik gehen?

Doch, natürlich wird es auch um Wirtschaftspolitik gehen. Das Verständnis von Geld und Währung ist maßgeblich und Grundlage für die Ausgestaltung der Geldpolitik, genauso wie die Interaktionen zwischen Geld- und Fiskalpolitik.

Was möchten Sie den Studierenden in Ihren Vorlesungen beibringen?

Zu allererst möchte ich die Studierenden für die Makroökonomik und Finanzwirtschaft im Allgemeinen und das Thema Geld und Geldpolitik im Speziellen begeistern. Die Vorlesungen sollen den Studierenden einfache analytische Tools vermitteln, mit deren Hilfe sie die ökonomischen Fragen rund um das Thema Geld verstehen, Diskussionen nachvollziehen und hoffentlich auch selber führen können.

Mir ist dabei wichtig, dass die Studierenden lernen, in Zusammenhängen zu denken. Also die komplexen Sachverhalte in überschaubare Strukturen zerlegen, in diesen Strukturen denken und konsistente, logische Schlussfolgerungen daraus ableiten. Dazu gehört auch, kritisch zu sein und Dinge zu hinterfragen. Das Thema Geld und Geldpolitik ist nun mal sehr komplex.

Gute Lehre – was bedeutet das für Sie?

Ich möchte die Studierenden motivieren, zuzuhören und zum Nachdenken über Probleme anregen. Wir sind eine Sozialwissenschaft und keine Naturwissenschaft. Dennoch verwenden wir formale Ansätze. Man muss abstrakt denken können, und dafür braucht man eine Werkzeugkiste, die ich mitgeben möchte.

Zu guter Lehre gehört dann aber auch, das Erlernte auf aktuelle Diskussionen und Themen anzuwenden. Zum Beispiel haben wir in der Einführungsveranstaltung im Bachelor „Geld und Währung“ eine Extra-Vorlesungseinheit zum Thema Bitcoins angeboten. Auf Grundlage der bisherigen Vorlesungsinhalte konnten wir die Grundzüge von Kryptogeld darlegen und verstehen, wie moderne Informationstechnologie und Kryptologie die Anforderungen an Geld im digitalen, baren Zahlungsverkehr erfüllen kann.

Welche Instrumente setzen Sie bei Ihren Vorlesungen ein?


Bis jetzt sind meine Vorlesungen klassisch im Frontalunterricht mit Vorlesungsfolien. Die Folien werden vorab als PDF hochgeladen, so dass die Studierenden sie während der Vorlesung vor sich haben und mit Notizen versehen können. Die Folien sind recht ausführlich und ersetzen Extra-Skripte. Außerdem bemühe ich mich um Interaktion bei den Vorlesungen, stelle zum Beispiel Fragen. Ich brauche das Feedback, weil ich sonst Sorge habe, dass ich die Studierenden in der Vorlesung verliere.

In Zukunft würde ich allerdings gerne noch mehr interaktive Instrumente einsetzen, Votings über das Smartphone zum Beispiel. Das erhöht die Aufnahme der Vorlesungsinhalte sehr, wenn man als Studierender selbst aktiv sein muss.

Freies Assoziieren



Was sind denn gerade Ihre Forschungsschwerpunkte?

(lacht) Die Frage habe ich befürchtet – das ist nämlich relativ schwer zu erklären. Zurzeit mache ich eher Grundlagenforschung, die vor allem in der akademischen Welt von Interesse ist. Ich arbeite an sehr abstrakten formalen Methoden. Es geht um Lösungsansätze für mathematische, dynamische, nichtlineare, stochastische Gleichungssysteme.

Oha, hätten Sie dafür ein Beispiel?

Haushalte, Firmen oder Politiker müssen Entscheidungen treffen, die typischerweise von Unsicherheit überlagert sind. Zum Beispiel treffen Haushalte die Entscheidung, wie viel sie heute für Konsum ausgeben sollen und wie viel sie für die Zukunft sparen sollen. Sie können aber nicht konkret vorhersagen, wie hoch das Einkommen in der Zukunft sein wird. Firmen treffen Investitionsentscheidungen unter der Unsicherheit, wie hoch der Ertrag in der Zukunft tatsächlich sein wird.

Unsere Disziplin verwendet formale, mathematische Modelle, um das Verhalten dieser Akteure darzustellen. Dabei berücksichtigen wir, dass die Entscheidungen aller bestimmte Konsistenzeigenschaften erfüllen müssen. Das bedeutet zum Beispiel, dass natürlich nicht mehr Güter verwendet werden können als verfügbar sind, oder dass nicht mehr Kredite vergeben werden als tatsächlich nachgefragt sind. Typischerweise sind diese Modelle so komplex, dass sie nicht mehr einfach mit Bleistift und Papier zu lösen sind, sondern mit Hilfe von Computern simuliert werden. Dabei geht leider aus meiner Sicht oft die Intuition und das grundlegende Verständnis verloren.

Und das macht die Modelle nicht noch komplizierter?


Nein, im Gegenteil, ich möchte eben gerade nicht die Supercomputer bemühen und so numerische Lösungen erhalten, dass man die Ökonomik dahinter nicht mehr wirklich nachvollziehen kann. In meiner Forschung befasse ich mich mit Ansätzen, die eine einfache Darstellung der Lösung ermöglichen, die analytisch zu nutzen sind, d.h. wieder mit Papier und Bleistift zu lösen.

Kern meines Ansatzes ist, den Zusammenhang der Entscheidungen und das Ausmaß der Unsicherheit analytisch beschreiben zu können. Das bedeutet für die genannten Beispiele, dass der Einfluss von Unsicherheit auf das das Verhalten der Haushalte oder der Firmen analytisch dargestellt werden kann. Die Motivation für die Forschung ist, das Verständnis von diesen Zusammenhängen in den komplizierten Modellrechnungen zu erhalten und die ökonomischen Mechanismen und die Intuition dafür freizulegen.

Schwimmen Sie also gegen den Big-Data-Strom?

Nein, überhaupt nicht gegen den Big-Data-Strom. Das hat damit nicht viel zu tun. Aber sicherlich bewege ich mich gegen den Strom, der komplexe numerische Verfahren zur Lösung von Modellen einsetzt, die das Verhalten von Haushalten, Firmen und politischen Entscheidungsträgern beschreiben sollen, um daraus Erkenntnisse über ökonomische Zusammenhänge zu erzielen.

Haben Sie so etwas wie ein Traum-Thema, zu dem Sie gern mal forschen möchten?

Ja, tatsächlich würde ich gerne zu dem Thema Knappheit von Phosphor und die Folgen für die Welternährung arbeiten. Meines Wissens nach lässt sich Phosphor als Düngemittel nicht künstlich erzeugen, die natürlichen Ressourcen sind also irgendwann erschöpft. Ich finde die Fragestellung aus ökonomischer Sicht sehr spannend, wie die Knappheit zu bewerten ist und ob daraus technologische Innovationen resultieren, dieser Knappheit entgegenzuwirken. Da bin ich mit meinen Fragen in Hohenheim wirklich am richtigen Ort.

Können sich denn Studierende auch an Ihren Forschungsprojekten beteiligen?

Aber ja, selbstverständlich. Bei Abschlussarbeiten gebe ich eigentlich keine Themen vor. Ich denke, es ist ein ganz elementarer Teil der Arbeit, sich selbst das Thema, die Forschungsfrage und die Literatur eigenständig zu erarbeiten. Aber natürlich können Studierende auch Themen wählen, die direkt in meine Forschungsfragen fallen und sich daran beteiligen.

Fachgebiet "Geld und Währung"

Seit 1. Oktober 2017 leitet Prof. Dr. Michael P. Evers das Fachgebiet „Volkswirtschafts-lehre, insbesondere Geld und Währung“. Es ging aus dem früheren Fachgebiet Wirtschaftspolitik hervor, das nach der Emeritierung des Leiters Prof. Dr. Peter Spahn umbenannt wurde. mehr


Und was halten Sie von Humboldt reloaded?

Das erscheint mir sehr sinnvoll. Hier im Fachgebiet betreut Herr Molavi das Humboldt reloaded-Programm mit sehr viel Engagement.

Wie sieht es denn bei Ihnen mit Hiwi-Jobs aus?

Hiwi-Jobs gibt es natürlich, dabei kann man viel lernen. Als Hiwi kann man schon mal in den akademischen Betrieb reinschnuppern. Vor allem aber kann es auch als Einstieg in die Promotion dienen.

In welchen Berufsfeldern arbeiten Ihre Absolventen später?

Die Mehrzahl der Hohenheimer Studierenden scheint mir eine klare Vorstellung davon zu haben, was sie später machen möchten. Was das Gebiet Geld und Währung angeht, qualifizieren sich die Master-Absolventen bzw. diejenigen mit dem entsprechenden Profilfach vor allem für Finanzunternehmen, Zentralbanken, öffentliche Behörden und natürlich auch Forschungsinstitute.

Sie haben nun einige Jahre in Frankfurt gelehrt, waren davor in Bonn, Mannheim, London. Wie gefällt es Ihnen denn jetzt hier im kleinen Hohenheim?

Klein? Das ist doch nicht klein hier, mit über 5000 Studierenden in der Fakultät! Ich fühle mich hier sehr wohl, bin im Fachgebiet sehr herzlich aufgenommen worden, und auch die Studierenden sind ausgesprochen freundlich und engagiert hier.

Und noch eine letzte Frage, Herr Evers: Wie verbringen Sie denn Ihre Freizeit?

Meine freie Zeit verbringe ich am liebsten mit meiner Familie. Ich versuche außerdem, regelmäßig etwas Sport zu treiben und auch meine Freunde nicht ganz zu vernachlässigen.

Vielen Dank für das Gespräch, Herr Evers!

Interview: Dorothea Elsner

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