Ein Kaffee mit… Prof. Dr. Korinna Huber und Dr. Folkert Degenring

Lehre im Wandel  [15.02.19]

Die Prorektorin für Lehre bekommt Unterstützung von einer neuen Stabstelle. Bild: Uni Hohenheim | Leonhardmair

Die Unis stehen im Bereich Lehre vor einer Reihe Herausforderungen: Die Jahrgänge werden kleiner, der Wettbewerb mit anderen Unis größer, die Studierendenschaft wird heterogener und die Aufgaben der Unis vielfältiger. Wer sich auch in Zukunft als attraktiver Studienstandort positionieren will, sollte zudem die Chancen der Digitalisierung für sich nutzen. Mit einer neuen Stabsstelle für die Weiterentwicklung der Lehre will die Uni Hohenheim dem Wandel Rechnung tragen und zur Vernetzung der unterschiedlichen Akteure beitragen. Der Online-Kurier hat die Prorektorin für Lehre, Prof. Dr. Korinna Huber, und Dr. Folkert Degenring von der neuen Stabsstelle zum Kaffee getroffen.

 


Frau Huber, Herr Degenring, warum genau wurde die neue Stabsstelle für die Weiterentwicklung der Lehre eingerichtet?

Huber: Die universitäre Lehre befindet sich seit einigen Jahren in einem tiefgreifenden Wandel, den wir aktiv gestalten wollen und auch müssen. Da gibt es z.B. die stetig wachsende Bereitschaft junger Menschen, ein Studium aufzunehmen und den stark gewachsenen Anteil von Studierenden pro Jahrgang.

Gleichzeitig müssen wir uns in Zukunft auf einen immer stärkeren Wettbewerb mit anderen Universitäten um Studierende einstellen, an denen auch die Zuweisung von Haushaltsmitteln hängt. Und nicht zuletzt gibt es den Mega-Trend Digitalisierung, der auch die Universitäten in vielfacher Weise betrifft.

Das Fazit aus diesen Beobachtungen ist: Die Universität muss in ihrer Lehre auf die veränderten Bedingungen einstellen, wenn sie erfolgreich bleiben will.

Degenring: Genau darum geht es bei der neuen Stabsstelle: Um eine koordinierte und vernetzte Vorgehensweise und die Unterstützung bei Themen, die sich an allen drei Fakultäten manifestieren.

Huber: Auch hochschulpolitische Entwicklungen sind zu nennen: Beispielweise werden Fördermittel im Bereich Lehre zunehmend im Wettbewerb vergeben – ganz ähnlich wie es im Bereich Forschung schon längst gang und gäbe ist. Auch hier wird Herr Degenring in Zukunft unterstützen: Bei der Antragstellung wie bei der Koordination der Projekte.

Wie ist Hohenheim für all diese Veränderungen aufgestellt?

Huber: In den vergangen Jahren haben wir uns diesen Herausforderungen sehr erfolgreich gestellt.

So ist uns z.B. gelungen, überdurchschnittliche viele Mittel für die Lehre einzuwerben: Angefangen von unserem preisgekrönten Reformprojekt „Humboldt reloaded“ bis hin zu unseren erfolgreichen Anträgen beim Fonds Erfolgreich Studieren in Baden-Württemberg.

Degenring:
Wir konnten in der Vergangenheit z.B. Mittel einwerben, um Studienanfänger besser dabei zu unterstützen, sich an der Uni zu orientieren und etwaige Wissenslücken zu schließen.

Andere Ziele von Projekten in der Lehre sind:  Lehrinhalte noch besser aufeinander abzustimmen und klar zu definieren, in welchem Modul Studierende welche Kompetenzen erwerben. Besonders wichtig ist dabei auch, von Anfang an deutlich zu machen, wozu man bestimmte Lehrinhalte später überhaupt benötigt. Prüfungen sollten den Fokus ebenfalls auf die erworbenen Kompetenzen legen und nicht etwa das bloße Auswendiglernen fördern.

Huber: All diese Aktivitäten wollen wir auch in Zukunft weitertreiben, und die erfolgreich angestoßenen Initiativen weiterführen. Die Fakultäten und das Rektorat waren sich einig, dass wir dafür dauerhaft einen zentralen Ansprechpartner brauchen. Er soll die Prorektorin für Lehre unterstützen, Akteure vernetzen und helfen, neue Fördermittel für die Lehre einzuwerben und nicht zuletzt Angebote für die Fakultäten und Studiengänge entwickeln, wenn Veränderungsbedarf festgestellt wird.

Wir sind sehr froh, dass wir Herrn Degenring für diese Aufgabe gewinnen konnten, der bereits das Projekt STEP up! koordiniert hat.

Sie haben einige Herausforderungen angesprochen, denen sich die Uni im Bereich Lehre stellen muss. Können Sie das noch etwas mehr ausführen? Ist es denn z.B. nicht in eine gute Sache, wenn immer mehr junge Menschen studieren wollen? Gerade wenn man an die sinkende Geburtenrate denkt?

Degenring: In der Tat. 2001 studierten ca. 36% eines Jahrgangs, 2017 waren es 57%. Diese Entwicklung halte ich persönlich für sehr erfreulich, denn es bedeutet größere Diversität.

Nichts desto trotz ist der Trend zur „Massenuniversität“ für uns mit Herausforderungen verbunden. Denn gleichzeitig geht er einher mit sehr unterschiedlichen Wissens- bzw. Kompetenz-Niveaus zum Studienstart.

Besonders deutlich ist das z.B. in Fächern wie Mathematik. Wir können nicht mehr davon ausgehen, dass alle Studienanfänger gleichermaßen das notwendige Grundlagenwissen fürs Studium mitbringen. Deshalb haben wir in der Studieneingangsphase eine Reihe von Angeboten geschaffen, um alle Studierende auf das gleiche Level zu bringen: z.B. Brückenkurse, vertiefende Tutorien oder spezielle Angebote für die Prüfungsvorbereitung.

Auch über diesen fachlichen Aspekt hinaus ist es unser Ziel, die Orientierung in den ersten Semestern zu erleichtern und auf unterschiedlichen Bedürfnisse der Studierende besser einzugehen.

Mit dem Abitur erwirbt man sich doch eigentlich die allgemeine Hochschulreife. Werden hier nicht Aufgabe an die Unis übertragen, die im Grunde an den Schulen geleistet werden müssten?

Huber: Man kann die Entwicklung durchaus unterschiedlich bewerten. Ich persönlich bin der Ansicht, dass es besser wäre, wenn sich die Universitäten voll auf ihre eigentliche Aufgabe, die wissenschaftliche Ausbildung, konzentrieren könnten. Feststeht aber: Die aktuelle Entwicklung wird auf absehbare Zeit andauern. Wir müssen uns also den Herausforderungen stellen und das Beste aus den Rahmenbedingungen machen.

Obwohl prozentual gesehen immer mehr junge Menschen studieren, scheinen sich die geburtenschwachen Jahrgänge doch allmählich an den Unis bemerkbar zu machen. In diesem Semester sind Einschreibungen an der Uni Hohenheim um ca. 3% gesunken, die Bewerbungen sogar um 13%.

Worauf muss sich die Uni Hohenheim künftig einstellen? Droht die Gefahr, dass Studienangebote ggfs. auch wieder zurückgefahren werden müssen? Denn weniger Studierende bedeutet ja automatisch auch weniger Geld und Stellen.


Huber: Natürlich wollen wir das in Hohenheim soweit als möglich vermeiden. Gelingen wird uns das allerdings nur, wenn wir uns im Wettbewerb mit anderen Universitäten als besonders attraktiver Studienstandort behaupten.

Dazu ist es wichtig, dass wir neben den bereits angesprochenen Aktivitäten zur Weiterentwicklung der Lehre auch das besondere Profil der Hohenheimer Studiengänge noch besser herausarbeiten und kommunizieren. Als kleine Campus-Universität arbeiten wir traditionell besonders eng zusammen und konnten so einzigartige Studienangebote wie z.B. den interfakultären Studiengang Bioökonomie aus der Taufe heben. Diesen Vorteil sollten wir uns noch stärker zu Nutze machen.

Übrigens lässt sich der vergleichsweise starke Rückgang bei den Bewerbungen möglicherweise auch noch anders interpretieren…

Inwiefern?

Huber: Die Uni Hohenheim und auch viele andere Universitäten arbeiten darauf hin, dass sich junge Menschen vor dem Studium noch besser informieren und ihre Entscheidung für einen Studiengang bzw. einen Studienort ganz bewusst treffen.

Wir erhoffen uns davon einerseits einen Rückgang von Parallel-Bewerbungen und weniger Aufwand für das Nachrückverfahren. Vor allem aber geht es uns darum, dass unsere Studierenden wirklich mit vollem Herzen dabei sind und ihr Studium auch entsprechend erfolgreich abschließen. Vielleicht zeigen diese Bemühungen ja bereits erste Erfolge.

Degenring: An der Uni Hohenheim unterschützen wir Studieninteressierte bei der Entscheidungsfindung z.B. durch das Projekt „Virtuelle Studienorientierung“ (ViStO). Wir haben unsere Info-Seiten zu den einzelnen Studiengängen in diesem Rahmen aktuell komplett neu überarbeitet.

Sie haben vorhin auch den digitalen Wandel angesprochen. Was bedeutet er für Hohenheim konkret?

Degenring: Digitalisierung betrifft uns auf ganz unterschiedlichen Ebenen. Einerseits verändern sich die Bereiche, die wir erforschen und lehren: Die Landwirtschaft ist schon seit vielen Jahren an der vordersten Front der Digitalisierung mit dabei und war z.B. Vorreiter bei der Nutzung von GPS-Daten. Und der Finanzsektor durchläuft aufgrund neuer Technologien bereits seit Längerem eine fundamentale Transformation – um nur zwei Beispiele zu nennen.

Aber die Digitalisierung betrifft auch alle Verwaltungsabläufe an der Uni und nicht zuletzt natürlich auch die Art und Weise, wie gelehrt und gelernt wird. Hier wollen das Potential der Digitalisierung durch neue Lehrformate in Zukunft noch besser ausschöpfen.

Können Sie ein Beispiel nennen?

Degenring: Ein Ansatz, der in Hohenheim auch schon praktiziert wird, ist z.B. das Konzept des „Flipped Classroom“.

Dabei gibt es nicht mehr die eine Autoritätsperson, die vorne steht und 90 Minuten redet, während die Studierenden zuhören. Stattdessen eignen sich Studierende Inhalte mit Hilfe digitaler Materialien selbstständig an.

Die Zeit im Hörsaal kann dann effektiver genutzt werden, um das Erlernte mit Dozenten und Kommilitonen zu diskutieren, zu vertiefen, anzuwenden und Fragen zu stellen. Wir wollen in Zukunft die Bedingungen schaffen, um solche zeitgemäßen Lehr- und Lernformate weiter auszubauen.

Wir werden berichten, vielen Dank für das Gespräch!

Interview: Leonhardmair

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