Jubiläum im Hohenheimer Online-Kurier
Bilder:
Uni-Chor: Stabwechsel nach 50 Jahren [10.10.18]
50 Jahre Uni-Geschichte hat er live miterlebt – und weiß sich anekdotenreich zu erinnern: Anlässlich des 150. Uni-Jubiläums im Jahr 1968 trat Walter Pfohl als Leiter des damals neu gegründeten Uni-Chors an. Zum 200. Uni-Jubiläum übergibt er nun nach über 6000 Chor-Stunden den Taktstock an seinen Nachfolger Sebastian Herrmann. Der Online-Kurier hat beide Musiker zum Kaffee im Schloss getroffen. Wer noch mehr Geschichten aus 5 Jahrzehnten hören möchte, dem sei das große Stabwechselkonzert am 21.10. im Balkonsaal empfohlen – und die begleitende Ausstellung „50 Jahre Uni-Chor“, die vom 21.10. bis 13.11. in der Säulenhalle im Schloss zu sehen ist.
-
Herr Pfohl, Sie haben 2 Uni-Jubiläen und 9 Rektoren erlebt und rund 1500 Hohenheimer Sängerinnen und Sänger dirigiert – das ist schon eine beeindruckende Bilanz!
Pfohl: Herzlichen Dank! Nach 50 Jahren im Einsatz als Chor-Leiter bin ich tatsächlich vielleicht der Dienstälteste Hohenheimer. Die Schlossräume, in denen wir uns gerade befinden, stecken für mich voller Erinnerungen. Unser erster Probenraum war der Balkonsaal, der damals mit einem großen Kaminofen beheizt wurde und hochgradig baufällig war. Und wenn ich an der Ahnengalerie der Rektoren vorbeigehe, fallen mir zu allen Portraits eine ganze Reihe von Geschichten ein.
Ich habe im Uni-Chor die unterschiedlichsten Menschen kennen- und schätzen gelernt. Reinigungskräfte und Professoren, Studierende und Verwaltungsangestellte und nicht zuletzt auch Bürgerinnen und Bürger aus der Umgebung der Universität. Zwischen den Sängerinnen und den Sängern kam es zu zahlreichen Verbindungen und Hochzeiten. Inzwischen ist sogar die Tochter eines Chor-Paares selbst aktives Mitglied bei uns. Für all das bin ich sehr dankbar!
Stabwechselkonzert & Generalprobe (21.10.) |
---|
Die Eintrittskarten (15 €) können per Mail an unimusik@uni-hohenheim.de oder telefonisch unter 0711 / 459-24072 bestellt werden. Der Eintritt zur Generalprobe erfolgt über eine kostenlose Zugangskarte, die ebenfalls über die Uni-Musik reserviert werden kann. |
Wahrscheinlich können Sie in Stuttgart nicht spazieren gehen, ohne jemandem auf der Straße zu treffen?
Nicht nur in Stuttgart! Akademiker zieht es ja bekanntlich in die ganze Welt. Wie oft habe ich schon irgendwo im Ausland oder im Flugzeug den Satz gehört: „Ach, da ist ja der Herr Pfohl! Erinnern Sie sich noch an mich?“ Für viele Alumni ist das Mitwirken im Chor eine Erinnerung an Hohenheim, die auch Jahren nach dem Studium noch besonders lebhaft nachwirkt. Das freut mich natürlich!
Dies liegt sicherlich auch an der integrativen Kraft, die vom Uni-Chor ausgeht. Menschen aus den unterschiedlichsten Berufs- und Altersgruppen, die andernfalls vielleicht nie ins Gespräch gekommen wären, bilden im Chor eine starke Gemeinschaft.
Beispielhaft wird das etwa beim Thema Wohnungssuche, die Hohenheimer Studierenden ja durchaus nicht erst seit Neustem plagt. Über die ortsansässigen Chor-Mitglieder und ihr nachbarschaftliches Netzwerk konnten wir schon etlichen verzweifelten Nachwuchs-Sängerinnen und Sänger zu einer uni-nahen Bleibe verhelfen.
Herr Herrmann, Sie sind 23 Jahre jung und Student der Kirchenmusik. Wie fühlt es sich an, in solche Fußstapfen zu treten?
(lacht)
Herrmann: Ja, man spürt es schon, ich trete ein großes Erbe an! Ein Fun-Fact ist, dass Herr Pfohl als er den Chor 1968 begründete im genau gleichen Alter war wie ich heute. Er war damals ebenfalls Musikstudent. Es gibt also auch Parallelen – das macht Mut!
Mitsingen beim Uni-Chor! |
---|
Neue Mitglieder sind im Uni-Chor jederzeit willkommen! Alle Interessierten sind herzlich zum Probenbesuchen eingeladen und kann sich nach den ersten Proben für den Chor entscheiden, ohne dazu vorsingen zu müssen. Die Proben finden donnerstags von 18:45 Uhr bis 21 Uhr im Euroforum statt. |
Erfahrungen in Sachen Uni-Musik sammele ich bereits seit einiger Zeit an der Uni Tübingen, wo ich den Universitätsmusikdirektor als Korrepetitor und Assistent bei den Proben mit dem Akademischen Chor und dem Kammerchor unterstütze.
Bei dem Stabwechselkonzert in Hohenheim werde ich bereits zwei Stücke dirigieren. Bei der ersten Chor-Probe wurde ich hier letzte Woche sehr herzlich empfangen und ich freue mich nun wahnsinnig auf die Aufgabe in Hohenheim!
Herr Pfohl, erinnern Sie sich denn noch an Ihren Start vor 50 Jahren?
Pfohl: Wie könnte ich nicht! Zu meinem Vorstellungsgespräch fuhr ich mit der Straßenbahn, die damals noch direkt auf dem Campus hielt. In dieser Zeit gab es in Hohenheim nur knapp 500 Studierende. Es gab kein Biogegebäude und keine Mensa. Das Schloss erinnerte an eine baufällige Ruine. Der Abriss wurde ernsthaft diskutiert.
Es empfing mich Unirektor Walter Rentschler, der damals noch direkt im Schloss wohnte. Anlässlich des bevorstehenden 150. Jubiläums war man auf der Suche nach Programmpunkten für den Festakt. Wenige Jahre zuvor hatte die Landwirtschaftliche Hochschule den Status einer Universität erlangt. Nun war man der Meinung, dass ein eigener Chor und ein Orchester der Einrichtung gut zu Gesicht stünden.
Ursprünglich handelte es sich um eine Anstellung für 3 Semester, mit der ich meine Zeit bis zum Examen füllen wollte. Doch der erste große Auftritt beim Uni-Jubiläum war so erfolgreich, dass man mich um eine Verlängerung des Projekts bat…
Es dürfte eine hochspannende Zeit gewesen sein. Das Gründungsjahr des Chors, 1968, gilt als Höhepunkt der Studentenrevolten…
Das kann man wohl sagen, auch wenn die Hochschulen in Stuttgart erst etwas später davon erfasst wurden. Als Uni-Chor waren wir mittendrin im Geschehen. Denn die Hochschulleitung beschloss damals, dass der Chor der Verfassten Studierendenschaft angegliedert werden sollte. Es war ein Zugeständnis mit dem Kalkül, der Chor möge einen mäßigenden Einfluss auf die Studierenden ausüben. De facto ist uns das allerdings nicht gelungen.
Unvergesslich bleibt mir eine Chor-Probe im Balkonsaal, die durch das Hereinstürmen eines völlig aufgelösten Hausmeisters jäh unterbrochen wurde: „Herr Pfohl, die Roten stehen vor der Tür! Sie wollen die Revolutionsflagge auf der Schlosskuppel hissen! Sie haben doch einen Generalschlüssel, schnell!“ Das Vorhaben der Studierenden wurde durch die Schlüsselübergabe verhindert…
Der heutige Ministerpräsident Winfried Kretschmann erzählt, dass er in seiner wilden Studentenzeit als linker AStA-Vorsitzender in Hohenheim an den Plänen mit der roten Flagge durchaus beteiligt war. Außerdem heißt es, er habe im Uni-Chor mitgesungen. Ist das richtig?
Sein Name befindet sich ein Semester lang auf der Teilnehmerliste – ich weiß allerdings nicht mehr, wie oft er tatsächlich erschienen ist. Unlängst konnte ich Herrn Kretschmann beim Schupfnudelessen auf diese Episode ansprechen. Er selbst erinnert sich jedoch ebenfalls nur dunkel.
Da wir der AStA-Forderung nicht nachkamen, den mehrstimmigen Chorgesang zugunsten populärer Songs der Friedensbewegung aufzugeben, war das Verhältnis zur Studierendenvertretung im Allgemeinen jedenfalls eher getrübt. Ich weiß noch, dass wir bei unseren Budget-Anträgen mit den Studierenden um jede D-Mark feilschen mussten.
Konzertreisen nach Rom, Paris und Co, lustige Probenwochenenden, liebgewonnene Traditionen und zahlreiche besondere Auftritte: Erinnerungen an 50 Jahre Uni-Chor sind auch das Thema einer Ausstellung, die vom 21. Oktober bis 13. November in der Säulenhalle im Schloss zu sehen ist.
Herr Herrmann, Sie haben sich die Ausstellung bestimmt bereits angesehen. Wird es in Zukunft ähnlich bunt weitergehen?
Herrmann: Na, das will ich doch sehr stark hoffen! Auch wenn sich mein Tübinger WG-Zimmer vielleicht nicht so gut für geselliges Beisammensein eignet wie der Garten von Herr Pfohl, der als Standort der Chor-Eiche ja offenbar seit 25 Jahren zum traditionellen Treffpunkt geworden ist.
Aber wie heißt es so schön über Traditionen: Man soll das Feuer weitertragen und nicht die Asche anbeten. Sicherlich lässt sich an vieles anknüpfen – aber auch neue Ideen werde ich einbringen. Für Konzertfahrten bin ich auf jeden Fall zu haben! Denn: Was kann es Schöneres geben als zusammen mit vielen Menschen, die man mag, tolle Orte zu bereisen – und dann auch noch dort gemeinsam singen? Als aktives Chormitglied spreche ich hier auch aus eigener Erfahrung.
Übrigens: Wer Lust bekommen hat, sich dem Uni-Chor anzuschließen – der Semesterauftakt, ist ein besonders guter Zeitpunkt! Wir freuen uns über jeden Neuzugang. Einfach mal unverbindlich vorbeikommen! Vorsingen ist nicht notwendig. Das nächste musikalische Projekt ist das Requiem von Wolfgang Amadeus Mozart mit Chor, Orchester und Solisten mit zwei Konzerten im April nächsten Jahres.
Und was erwartet das Publikum beim großem Stabwechselkonzert am 21. Oktober im Balkonsaal?
Pfohl: Wir lassen 5 Jahrzehnte Uni-Chor noch einmal heiter Revue passieren. Musikalisch – vor allem aber auch mit jeder Menge Anekdoten. Zur Aufführung kommen weltliche Chorstücke, die 1968, 1978, 1988, 1998 und 2008 schon einmal im Balkonsaal erklungen sind.
Als besonderes Highlight des Abends steht anschließend eine Uraufführung auf dem Programm, komponiert von unserem Ehrenmitglied Alexander Quadt, einem hochtalentierten Musiker und Komponisten. Passend zum Uni-Jubiläum und den landwirtschaftlichen Wurzeln Hohenheims vertonte er vier Gedichte aus der Sammlung „Lust, Lob und Trost der edlen Landwirtschaft“, die 1862 herausgegeben wurde.
Als schwungvolle Ergänzung für den Abend konnten wir die Stuttgarter Saloniker gewinnen. Einige Karten für das Konzert sind noch über die Uni-Musik verfügbar – wer keine mehr ergattert, dem lege ich unsere öffentliche Generalprobe am Nachmittag desselben Tages ans Herz. Auch hier ist allerdings eine kostenfreie Voranmeldung erforderlich.
Man darf gespannt sein! Vielen Dank für das Gespräch – und Ihnen beiden alles Gute für die Zukunft!
Interview: Leonhardmair