Nachruf Professor Gierschner [27.03.13]
Die Universität Hohenheim trauert um
Herrn Prof. Dr.-Ing. Karlheinz Gierschner
Er verstarb am 27. Februar 2013 im Alter von 82 Jahren
Karlheinz Gierschner wurde am 17. März 1930 in Hindenburg/Oberschlesien geboren. Nach dem Abitur in Dessau arbeitete er von 1948 bis 1951 als Pharmazie-Assistent am dortigen ASID-Seruminstitut. Anschließend nahm er an der Technischen Universität Berlin das Studium der Chemie auf, das er 1959 mit dem Diplom abschloss. 1964 wurde er promoviert und 1969 erfolgte seine Habilitation jeweils bei Prof. A. Mehlitz am Institut für Frucht- und Gemüseverwertung in Berlin-Dahlem.
1966 folgte er einem frühen Ruf an das neu geschaffene Institut für Nahrungsmitteltechnologie der seinerzeitigen Landwirtschaftlichen Hochschule Hohenheim, wo er zunächst als Dozent und Wissenschaftlicher Rat und ab 1978 als Universitätsprofessor das Fachgebiet Gemüse- und Früchtetechnologie einrichtete. Bereits 1967 erfolgte unter maßgeblicher Beteiligung von Prof. Gierschner die Gründung des ersten gemeinsamen universitären Studiengangs für Lebensmitteltechnologie und Ernährungswissenschaft, aus dem 1972 zwei eigenständige Studiengänge hervorgingen, wobei die Entwicklung eines zukunftsweisenden Curriculums für Lebensmitteltechnologen eines der Hauptanliegen Prof. Gierschners war. Durch die solide naturwissenschaftliche Fundierung dieses Studiengangs im Grundstudium und den breitgefächerten Fächerkanon im Hauptstudium, schuf er die Voraussetzungen für den großen Erfolg dieses bewährten Diplomstudiengangs, der seinen Absolventen weltweit beste Berufschancen garantierte. Wesentliche Erfolgsgaranten waren der sukzessive Ausbau des Studiengangs durch Berufungen weiterer Fachvertreter sowie die Errichtung eines Technikums, das mit seinen zentralen Versuchsräumen die bereits vorhandene Versuchs- und Lehrmolkerei bzw. -brennerei ergänzte. Dieser konsequente Ausbau des Studiengangs war nicht zuletzt der stets liebenswürdigen, aber unbeirrbaren Beharrlichkeit und dem Verhandlungsgeschick Prof. Gierschners zu verdanken.
Seit 1970 nahm er als deutscher Vertreter an sämtlichen Generalversammlungen der International Union of Food Science and Technology (IUFoST) teil und hatte in deren Ausschuss für Ausbildungsfragen weltweiten Einfluss auf die Ausbildungspläne und die Profilierung des noch jungen Berufsbilds der Lebensmitteltechnologen. Neben seiner Arbeit im internationalen Dachverband IUFoST engagierte sich Prof. Gierschner in dessen europäischer Organisation EFFoST und insbesondere im Deutschen Nationalkomitee (DNK), dessen Vorsitz er 1985 übernahm. Prof. Gierscher sah es immer als seine vornehmste Pflicht an, den Lebensmitteltechnologen unabhängig von ihrer Qualifikation an Fachhochschulen oder Universitäten eine einheitliche Stimme zu verleihen. 1977 trat er dem Verband der Lebensmitteltechnologen (VLT) kurz nach seiner Gründung als ordentliches Mitglied bei und wurde darauf in den Wissenschaftlichen Beirat gewählt, als dessen Vorsitzender er über viele Jahre erfolgreich wirkte. Da der Bund Deutscher Lebensmitteltechnologen (BDL) als alleiniger Interessensverband der Fachhochschulabsolventen keine ganzheitliche Repräsentanz aller Lebensmitteltechnologen in Deutschland zuließ, nutzte Prof. Gierschner seinen Vorsitz im DNK, um 1990 durch Fusion von VLT und BDL zur Gesellschaft Deutscher Lebensmitteltechnologen (GDL) endlich eine einheitliche Berufsvertretung mit internationaler Anerkennung zu schaffen.
In der Forschung hat sich Prof. Gierschner zunächst mit Aromen, der Verbesserung der Herstelltechnik von Fruchtsäften sowie Pektin und anderen Strukturelementen der pflanzlichen Zellwand befasst. Hieraus ergab sich in seiner späten Schaffensphase ein vertieftes Interesse an der Textur von Lebensmitteln, wobei er sich durch die Verbesserung der Technologie milchsaurer Sauergemüse und die Entwicklung des „Hohenheimer Verfahrens“ zur Herstellung texturverbesserter Gemüsekonserven einen Namen gemacht hat. Bis zu seinem Ruhestand, den er im Mai 1996 antrat, entstanden unter seiner Anleitung 220 Diplomarbeiten und 35 Dissertationen sowie eine Habilitation.
Als akademischer Lehrer, Doktorvater und väterlicher Mentor hatte er immer ein offenes Ohr für die Belange der Studierenden und des akademischen Nachwuchses. Sein Rat wurde allerseits sehr geschätzt. Für sein Lebenswerk und die Verdienste auf dem Gebiet der Lebensmitteltechnologie wurde Herr Prof. Gierschner 1996 mit dem Bundesverdienstkreuz am Bande und der Alfred-Mehlitz-Medaille der GDL ausgezeichnet.
Auch nach seinem Ausscheiden aus dem aktiven Dienst hielt er, soweit dies seine Gesundheit zuließ, gerne den Kontakt zur Universität Hohenheim und engagierte sich in seiner Wahlheimat Gammertingen in der Erwachsenenbildung, wobei ihm weiterhin daran gelegen war, der Entfremdung zwischen Konsumenten und industrieller Lebensmittelproduktion entgegenzuwirken.
Die Universität Hohenheim wird Herrn Prof. Dr.-Ing. Karlheinz Gierschner ein ehrendes Andenken bewahren.
Prof. Dr. Stephan Dabbert
Der Trauergottesdienst findet am 5. März 2013 um 14 Uhr in der Evangelischen Kirche in Gammertingen statt.