Fehlentscheidung mit hohem Aufwand:
„Assessment Center wählen oft die Falschen aus“ [11.06.07]
Antworten aus der Wissenschaft: Prof. Dr. Heinz Schuler, Eignungsdiagnostiker der Universität Hohenheim, über die mangelhafte Aussagekraft des beliebtesten Auswahlverfahrens
Dilettantische Vorbereitung, schlampige Durchführung, falsche Methodenwahl – als Herausgeber des neuen Fachbuches „Assessment Center zur Potenzialanalyse“ stellen Sie Assessment Centern weltweit ein miserables Zeugnis aus. Ist das Assessment Center überhaupt noch zu retten?
Prof. Dr. Schuler: Das Problem ist, dass viele Unternehmen aus dem hohen Aufwand den falschen Schluss ziehen, dass er ein gutes Ergebnis garantiert. Denn das Assessment Center ist ein sehr aufwändiges Verfahren, bei dem verschiedene eignungsdiagnostische Methoden kombiniert werden. Doch durch falsche Handhabung kommt es zu Fehlern bei Durchführung und Auswertung und daraus folgt dann die geringe Aussagekraft, die das Assessment Center heute in den meisten Fällen nur noch besitzt.
Das Assessment Center – ein Irrtum in der Geschichte der Personalauswahl?
Prof. Dr. Schuler: Nein, das Problem ist, dass die Vorbereitung und Durchführung heute meist von Hobby-Psychologen ausgeführt wird. Gründlich vorbereitet und durchgeführt, ist es nach wie vor ein sehr gutes Verfahren zur Personalauswahl.
Worin liegt die Ursache für die aktuelle Assessment-Krise?
Prof. Dr. Schuler: Grundlage des Assessment Centers ist eine Anforderungsanalyse, die genau definiert, was der Mitarbeiter für die Tätigkeit mitbringen muss. Und die muss für jedes Unternehmen spezifisch erstellt werden. Erst danach können die richtigen Methoden ausgewählt werden, um genau diese Fähigkeiten zu prüfen. Psychologische Laien, die sich daran versuchen, sind dazu gar nicht in der Lage.
Also programmiertes Scheitern?
Prof. Dr. Schuler: Ja. Anstatt mehrere unterschiedliche Verfahren zusammenzustellen und die einzelnen Methoden genau den benötigten Bedingungen anzupassen, werden oft ausschließlich Verfahren zur Verhaltensbeobachtung verwendet. Doch gerade die Beobachtung birgt viele Fehlerquellen, wie zum Beispiel das Phänomen der Einzelbeobachtung, bei der einem Teilnehmer aufgrund seines Verhaltens eine Eigenschaft zugeschrieben wird, obwohl er im Normalfall so nicht handeln würde. Und wenn ein paar solcher Fehler zusammenkommen, sind die Ergebnisse aus dem gesamten Verfahren nicht mehr haltbar und das Unternehmen läuft Gefahr, die falschen Bewerber einzustellen.
Wäre es dann nicht besser, ein einfacheres - und wahrscheinlich sogar günstigeres - Verfahren zu verwenden?
Prof. Dr. Schuler: In der Tat kann man sagen, dass es besser ist, ein strukturiertes Interview auf Basis einer Anforderungsanalyse zur Personalauswahl zu verwenden als ein nicht gut erarbeitetes Assessment Center.
Zum Buch
Kein eignungsdiagnostisches Verfahren hat in den letzten Jahren eine so steile Karriere gemacht wie das Assessment Center. Doch es hat trotz hohen Aufwands an Qualität und Aussagekraft verloren. Einige der weltweit führenden Wissenschaftler beschreiben in diesem Band die aktuelle Lage, geben neue Erklärungen für die festgestellten Unzulänglichkeiten und zeigen Möglichkeiten der Verbesserung auf. An praktischen Beispielen wird dargelegt, wie Assessment Center zu gestalten sind, um hohe Prognosegenauigkeit und hohen monetären Nutzen zu gewährleisten. Das Buch ist eine unentbehrliche Informationsquelle für alle, die das Assessment Center in einer Form praktizieren möchten, die seinem Ruf, seinem Aufwand und dem Gewicht der nachfolgenden Personalentscheidungen gerecht wird.
Heinz Schuler (Hrsg): Assessment Center zur Potenzialanalyse, Verlag: Hogrefe-Verlag; Auflage 1 (2007), 397 Seiten, ISBN: 978-3-8017-2035-3
Zum Herausgeber
Prof. Dr. Heinz Schuler gilt als Deutschlands führender Wissenschaftler in den Bereichen Personalpsychologie, Berufseignungsdiagnostik, Leistungsforschung sowie -förderung. Mit einer großen Zahl von Publikationen und eignungsdiagnostischen Verfahren sowie als Herausgeber von Fachzeitschriften und Buchreihen hat sich Prof. Dr. Schuler weit über die Fachwelt hinaus einen Namen gemacht. Seitens der Wirtschaft ist seine Expertise bei Personalauswahl, Potenzialanalyse und Leistungsbeurteilung hoch geschätzt.
Kontakt für Medien:
Prof. Dr. Heinz Schuler
Universität Hohenheim, Lehrstuhl für Psychologie, 70593 Stuttgart
Tel.: 0711 459-22654, E-Mail: schuler@uni-hohenheim.de