Offener Brief an Politik:
Studierende fordern Rahmenbedingungen für mehr Präsenzlehre  [24.06.21]

Die Uni Hohenheim will im Wintersemester 2021/22 wieder mehr Lehre in Präsenz anbieten. Dafür, mahnen Studierende, müsse erst die Politik die nötigen Voraussetzungen schaffen.

Eine Lockerung der Abstandsregeln, eine eigenverantwortliche Entscheidung der Universitäten über den Zugang zu Lehrveranstaltungen und ein Impfprogramm für Studierende – das sind entscheidende Voraussetzungen für mehr Präsenzlehre im kommenden Wintersemester. Studierende der Universität Hohenheim in Stuttgart fordern die Politik auf, diese Rahmenbedingungen zu ermöglichen. In einem offenen Brief wenden sie sich im Namen der Fachschaft Agrar an Ministerpräsident und Ministerien. Ohne diese Voraussetzungen, so die Studierenden, würden die Öffnungsschritte für die Hochschulen denen des öffentlichen Lebens hinterherhinken – mit fatalen Folgen für die Betroffenen.


Die Studienzeit ist für die allermeisten Studierenden prägend für den Rest des Lebens: Freundschaften und berufliche Netzwerke entstehen. Engagierte, fachlich fundierte Diskussionen – in und außerhalb der Lehrveranstaltungen – schulen Fähigkeiten, die später im Beruf essentiell sind. Exkursionen und Praktika regen zu Ideen an und stellen den wichtigen Bezug zur Praxis her.

Das alles entgeht den Studierenden momentan durch die Corona-Pandemie – mit schwerwiegenden Folgen: In einer Befragung der Universität Hohenheim gaben 65 Prozent der Studierenden an, dass sie durch die fast präsenzlose Lehre psychische Probleme hätten. „Einsamkeit, Isolation und ein fehlendes Netzwerk waren häufig genannte Punkte, aber auch fehlende Motivation oder das Problem der Strukturierung des Alltags“, berichtet die Agribusiness-Studentin Marie-Luise Dralle.

„Der Lernstoff an sich ist nicht weniger, aber die sozialen Kontakte fehlen schon sehr deutlich. Das können auf Dauer auch nicht unsere Online-Vernetzungsangebote, wie die Fachschaftskneipe, kompensieren“, ergänzt ihr Kommilitone Hauke Delfs, Master-Student der Agrarwissenschaften. Er betont auch die fachlichen Defizite, die sich langfristig durch die Einschränkungen ergeben können: „Vor allem im Masterstudium fehlt jeglicher Praxisanteil, denn Exkursionen, Übungen und Praktika sind hier zum größten Teil im Wahlbereich verankert, der weggefallen war. Aber wie sollen wir Studierenden denn die Zusammenhänge zwischen Pflanzen und ihrer Umwelt verstehen, wenn wir nicht aufs Feld gehen können?“


Rahmenbedingungen müssen sich ändern, damit Präsenzlehre möglich wird

Die beiden Studierenden, die sich auch in der Gremienarbeit der Universität engagieren, haben deshalb im Namen der Fachschaft Agrar der Universität Hohenheim einen offenen Brief geschrieben – adressiert unter anderem an Ministerpräsident Winfried Kretschmann, Wissenschaftsministerin Theresia Bauer und Sozialminister Manfred Lucha. Darin appellieren sie an die Politik, im kommenden Wintersemester wieder mehr Präsenzlehre zu ermöglichen.

„Wir brauchen wieder mehr direkte Kontakte untereinander und mit den Lehrenden, damit der Studienerfolg gewährleistet bleibt. Die Uni Hohenheim strebt nach mehr Präsenz. Doch nach der Corona-Verordnung ist der Präsenz-Studienbetrieb nach wie vor ausgesetzt. Der Hemmschuh ist nicht die Uni, sondern die Politik“, so die Einschätzung von Marie-Luise Dralle. „Wie sollen Präsenz-Vorlesungen funktionieren, wenn wegen der Abstandsregel nur ein Fünftel der Studierenden in den Hörsaal kommen kann? Wenn täglich tausende von Studierenden getestet werden müssen und dies dann an den Hörsaal-Eingängen kontrolliert werden muss?“


Studierende appellieren an Landespolitik

„Wir brauchen daher eine Lockerung der Abstandsregel“, hebt Hauke Delfs hervor. „Deshalb ist ein landesweites Impfprogramm für Studierende wichtig, um Testungen auf ein handhabbares Maß zu reduzieren.“

„Die Universitäten haben doch gezeigt, dass sie mit ihren Hygienekonzepten verantwortungsbewusst agieren“, fügt Marie-Luise Dralle an. „Und auch die allermeisten Studierenden sind bereit, sich ihrer Verantwortung zu stellen. Uns ist bewusst, dass wir uns alle an die Regeln halten müssen, damit wir endlich wieder mehr vor Ort studieren können.“ Es gäbe sogar viele Studierende, die im dritten Semester seien und die Universität kaum gesehen hätten.

Doch „gerade jetzt braucht es junge Menschen, die aus der Krise heraus zusätzliches Wissen erwerben, das für die Zukunft in vielen Bereichen gebraucht werden wird“, schreiben die Studierenden in ihrem offenen Brief. Nach drei vorwiegend digitalen Semestern sei nun „eine Öffnung der Universitäten für die Präsenzlehre seitens der Politik unumgänglich und zwingend notwendig!“

Text: Elsner

Kontakt für Medien:

Marie-Luise Dralle und Hauke Delfs, Fachschaft Agrar der Universität Hohenheim
E Marie-luise.dralle@uni-hohenheim.de bzw. Hauke.delfs@uni-hohenheim.de


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