Gammelfleisch und Verbraucherinformationsgesetz:
„Technische Probleme müssen erst noch gelöst werden“ [25.09.06]
Fünf Fragen an: Dr. Caroline Liepert, Projektmanagement „IT Food Trace“, das schwarze Schafe im Lebensmittelgewerbe schneller identifizieren soll
Das neue Verbraucherinformationsgesetz soll Konsumenten vor Lebensmittelskandalen schützen und schwarze Schafe in der Branche isolieren. In sechs Monaten wird das Gesetz in Kraft treten – ist damit der Durchbruch endlich geschafft?
Dr. Liepert: Ich fürchte, nein. Politisch ist das Gesetz bestimmt ein sehr großer Fortschritt – allein aus technischen Gründen wird die nötige Transparenz noch nicht möglich sein. Zumindest nicht so schnell und zielgenau, wie es nötig wäre, um beispielsweise zu vermeiden, dass wir vom Gammelfleisch erst dann erfahren, wenn es längst verzehrt ist.
Wo liegt denn das Problem?
Dr. Liepert: Bislang werden zwar viele Informationen über Lebensmittel erhoben, sie sind aber alle als Bruchstücke an vielen verschiedenen Stellen isoliert: Um die Herkunft eines Lebensmittels oder den Verursacher eines Skandals zu finden brauchen wir zum Beispiel die Daten von Landwirten, Futtermittelhersteller, Schlachthof, Weiterverarbeitung, Einzel- und Zwischenhändlern sowie vielen Lager- und Transportunternehmen. Jedes Glied in der Kette hat eigene Softwaresysteme mit Datensätzen, die sich nicht untereinander austauschen lassen. Dieses Problem muss zuerst gelöst werden, damit die Kontrolleure überhaupt erst schnell und schlagfertig zugreifen können.
Das Problem scheint umfangreich zu sein. Seit Sommer 2006 forschen immerhin 30 Institutionen an einem Projekt namens „IT Food Trace“ an einer Lösung.
Dr. Liepert: Ziel des Projektes ist es, dass künftig jedes Fleischprodukt eine Art digitales Etikett bekommt, das es über die ganze Produktionskette begleitet und ständig ergänzt wird. Dazu bauen wir eine IT-Plattform, die mit jedem System kommunizieren kann, so dass jeder Produzent seine etablierte Software weiter nutzen kann. Technisch müssen wir dazu einen einheitlichen Datenformatstandard entwickeln und durchsetzen.
Wie wollen Sie Ihre Entwicklung durchsetzen?
Dr. Liepert: Wir setzen auf Freiwilligkeit. Für die Produzenten bietet das System einen großen Vorteil, weil im Falle eines Skandals nicht alle pauschal in Verruf geraten, sondern nur das wirklich schuldige Glied in der Kette. Der neue Standard könnte aber auch ein Anstoß für eine gesetzliche Regelung sein.
Wann können wir mit ersten Ergebnissen rechnen?
Dr. Liepert: Eine erste kleine Demoversion werden wir voraussichtlich auf der Grünen Woche im Januar 2007 in Berlin präsentieren können. Unser nächstes Arbeitstreffen mit allen Partnern findet am 13. Oktober 2006 in der Universität Hohenheim statt.
Zum Projekt
Gefördert vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) haben sich unter Federführung und Gesamtkoordination der des Life Science Centers der Universität Hohenheim und IBM Deutschland etwa 30 Partner aus Wissenschaft, Wirtschaft und von öffentlichen Institutionen (u. a. Universität Göttingen, Tierärztliche Hochschule Hannover, Verbraucherzentrale Baden-Württemberg und insgesamt acht Institute der Universität Hohenheim) zusammengefunden, um ein übergreifendes nahtloses System zur nachhaltigen und lückenlosen Rückverfolgbarkeit von Lebensmitteln zu entwickeln.
Mehr Infos unter: www.itfoodtrace.de
Kontakt für Medien:
Dr. Caroline Liepert, Universität Hohenheim, Geschäftsführerin Life Science Center und Projektmanagment IT Food Trace; Tel.: 0711 459 24026, E-Mail: liepert@uni-hohenheim.de
Prof. Dr. Reiner Doluschitz, Universität Hohenheim Wissenschaftlicher Sprecher IT Food Trace; Tel.: 0711 459-22841, E-Mail: agrarinf@uni-hohenheim.de
Kirsten Brockhoff, IBM, Mitglied Projektvorstand IT Food Trace
Tel.: 0711 785 27 48; E-Mail: kbrock@de.ibm.com