Einkorn, Emmer, Dinkel:
Gesund und schmackhaft für Brot und Bier [08.07.14]
Wissenschaftler der Universität Hohenheim forschen nach besseren Anbaumethoden, um alte Getreidearten robuster zu machen
Einkorn, Emmer und Dinkel erleben derzeit einen Nachfrageboom. Gleichzeitig werden sie aber auf dem Markt immer knapper. Warum sie gerade so beliebt sind, ob sie tatsächlich gesünder sind als herkömmliche Getreidearten und wie sie am besten anzubauen und zu vermarkten sind, erörterten Experten und Praktiker bei einem Fachtag der Landessaatzuchtanstalt der Universität Hohenheim zusammen mit dem Landesinnungsverband für das württembergische Bäckerhandwerk e.V.. Auf den Anbaufeldern des Heidfeldhofs der Universität Hohenheim informierten sie über Chancen und mögliche Probleme alternativer Getreidearten.Einkorn, Emmer und Dinkel werden bei den Verbrauchern immer beliebter. Die Nachfrage nach Produkten aus den alten Getreidearten hat zwischenzeitlich zu einer Versorgungslücke bei Dinkel geführt: Produkte aus diesem Korn sind teurer geworden oder manche Regalplätze für Dinkelprodukte im Reformhaus oder im Drogeriemarkt bleiben leer.
Welchen sachlichen Hintergrund und welche Chancen die steigende Nachfrage hat, erörterten Dr. Friedrich Longin von der Landessaatzuchtanstalt der Universität Hohenheim, Andreas Kofler vom Landesinnungsverband für das württembergische Bäckerhandwerk e.V., Reinhard Hecker, Landwirt der Erzeugergemeinschaft KraichgauKorn und Martin Kreß von der Enzensteiner Brauerei bei der Pressekonferenz zum Fachtag „Einkorn, Emmer, Dinkel: Chancen und Risiken alternativer Getreide“.
Golden wheat: Mehr Mineralstoffe, Carotinoide und höhere Verträglichkeit
„Ja, es gibt eindeutige Hinweise, dass Einkorn, Emmer und Dinkel gut für die Gesundheit sind“, bestätigte Dr. Friedrich Longin, der wissenschaftliche Leiter des Arbeitsgebiets Weizen der Landessaatzuchtanstalt der Universität Hohenheim. Einkorn habe deutlich mehr Mineralstoffe und den höchsten Gehalt an Carotinoiden, vor allem Lutein.
Dies spiele eine zentrale Rolle für die Sehkraft und das zentrale Nervensystem. Dr. Longin: „Einkorn hat das Potenzial zum ‚Golden wheat‘ und ist im Gegensatz zum ‚Golden Rice‘ natürlich ohne Gentechnik geschaffen.“
Obwohl Einkorn, Emmer und Dinkel alle Gluten beinhalten und somit nicht verträglich für Zöliakiepatienten seien, berichteten vor allem junge Verbraucher, dass sie beim Verzehr von Dinkel keine Unverträglichkeiten wie Bauchgrimmen und Flatulenzen haben, wie sie beim Konsum von Brotweizen auftreten. „Hier bin ich zusammen mit dem Hohenheimer Kollegen Prof. Dr. Dr. Carle und dem Münchner Kollegen Prof. Köhler gerade dabei, die Ursachen zu klären“, so Dr. Longin weiter.
Steigende Nachfrage nach nussigem Geschmack
Zudem ermöglichen Einkorn, Emmer und Dinkel völlig neue Geschmackserlebnisse in Brot, Pasta und Getränken. So erziele man beispielsweise ein intensiv nussiges Gebäck mit Einkorn und Emmer. Einkorn könne zudem durch seinen sehr hohen Gehalt an Carotinoiden Brote gelb färben.
Die momentane Knappheit von Dinkel und Emmer auf dem Markt habe mehrere Gründe, fügte Dr. Longin hinzu: „Diese Arten werden im Vergleich zum Weizen in kleiner Menge angebaut und sind nicht bei Terminbörsen bzw. aus anderen Ländern zu kaufen. Die Handelsmenge hängt also direkt von der heimischen Produktion ab.“ Der Bedarf steige stetig, bleibe aber sehr schwankend.
So könnten die Müller z.T. nur schwer absehen, wie viel im nächsten Jahr wirklich gebraucht werde. „Was der Müller und Bäcker heute handelt, hat der Landwirt 2013 produziert. Dafür hat er im Herbst 2012 Saatgut gekauft, welches der Züchter in den Jahren 2010 bis 2012 vermehrt hat. Wir reden hier also von einem Zeitraum von vier Jahren“, erläutert der Dinkelexperte die Problematik. Um zukünftig solche Knappheiten zu verhindern, müsse hier längerfristig gedacht werden: Der Handel und die Müller sollten Landwirte und Züchter frühzeitig miteinbinden.
Gute Saatgutqualität steigert Qualität von Anbau und Verarbeitung
Im Anschluss an die Pressekonferenz führte Dr. Longin die interessierten Besucher auf die Versuchsfelder zu den verschiedenen Sorten von Einkorn, Emmer und Dinkel. Auffällig war das saftige Grün der Einkornpflanzen sowie die schwarze Farbenpracht des Emmers.
Im Dinkel sei es der Landessaatzuchtanstalt außerdem gelungen, standfeste Sorten wie Divimar, Zollernspelz, Badenstern und Filderstolz zu züchten. „Gut versorgt mit Dünger liefern sie sehr hohe Erträge“, ergänzte Dr. Longin. Beim Einkorn und Emmer gebe es bisher nur langstrohige Sorten, die im Feld bei Wind leicht umkippen. Deswegen versuche er derzeit intensiv, die Standfestigkeit beim Emmer und Einkorn zu verbessern.
Dies bestätigte auch Reinhard Hecker, Landwirt der Erzeugergemeinschaft KraichgauKorn: „Emmer und Einkorn lassen sich im Feld erfolgreich produzieren. Allerdings ist landwirtschaftliches Geschick und Wissen nötig. So sind aktuelle Emmer- und Einkornsorten sehr langstrohig und kippen deswegen gerne bei stärkerem Wind um, wir Landwirte reden hier von Lager. Oberste Priorität hat deswegen im Anbau von Emmer und Einkorn die Standfestigkeit, also wenig düngen oder chemische Halmverkürzer nehmen.“
Der Anbau sei vergleichbar mit dem Anbau der beliebten alten Dinkelsorte Oberkulmer Rotkorn. Emmer und Einkorn hätten geringere Erträge als Brotweizen oder moderne Dinkelsorten. Deshalb sei der Anbau für den Landwirt nur rentabel, wenn er einen Preisaufschlag erhalte. Heckers Fazit: „Einkorn, Emmer und Dinkel eignen sich gleichermaßen für den Anbau im konventionellen wie ökologischen Landbau und lockern die Fruchtfolgen auf.“
Dr. Longin verwies weiter darauf, dass es im Emmer die Sorten Ramses und Heuholzer Kolben und bei Einkorn die Sorten Tifi und Svenskaja gebe: „Es sollte von den Landwirten unbedingt eine gute Saatgutqualität nur von diesen Sorten eingekauft werden. Andere Landsorten und Hofsorten sind zwar im Internet oder bei manch einem Landwirt zu haben. Aber sie sind oft von schlechter Qualität, nicht vom Saatgutprofi vermehrt und machen deswegen im Anbau und der Verarbeitung große Probleme.“
Neue Marktchancen für Bäcker und Brauer durch alte Getreidearten
„In der Verarbeitung zu Brot und Gebäck sind Einkorn, Emmer und Dinkel anders als moderner Brotweizen“, bemerkte auch Andreas Kofler vom Landesinnungsverband für das württembergische Bäckerhandwerk e.V. „Sie ergeben klebrige-fließende Teige, aber mit handwerklichem Können wie langer Teigführung, Sauerteig, reduzierter Knetdauer und Knettemperatur lassen sich unvergleichlich gute Produkte schaffen.“
Das sei eine einmalige Chance für kleinere Bäcker, sich mit Spezialitäten gegenüber den Großbäckereien und Discountern zu behaupten. Ein weiterer interessanter Punkt sei die Möglichkeit, mit Einkorn, Emmer und Dinkel eine regionale Produktionskette aufzubauen. „Darauf besteht der Verbraucher berechtigterweise immer mehr“, wusste Andreas Kofler.
Derselben Ansicht war auch Martin Kreß von der Enzensteiner Brauerei: „Die Verwendung alter Getreidearten für Bier ermöglicht uns, eine einmalige, intensive Geschmacksvielfalt ins Bier zu bringen.“ So liefere Einkorn ein intensiv goldgelbes Bier mit fruchtig saftiger Note. Emmer bringe dagegen eher ein nussig-intensives Aroma. „Wir konzentrieren uns vor allem auf ein helles saftiges Emmerbier, weil hier der Eigengeschmack des Emmers am besten zur Geltung kommt“, schloss Kreß seine Ausführungen.
Text: Töpfer
Kontakt für Medien:
Dr. Friedrich Longin, Universität Hohenheim, Landessaatzuchtanstalt, Arbeitsgebiet Weizen, Tel.: 0711/459-23846, E-Mail: friedrich.longin@uni-hohenheim.de