Rückkehr der einfachen Antworten:
Tagung an der Universität Hohenheim debattiert Ursachen und Folgen der Geschlechterkonstruktion [15.09.09]
Internationale Tagung „ontologia - construction“ vom 24. bis 26. Sept. 2009 in Stuttgart
Für viele Debatten über die Geschlechter gilt wieder: Männer sind Jäger, Frauen sind Sammler – und das prägt ihr Verhalten bis an den heutigen Tag. Nicht nur in Öffentlichkeit und Medien auch in der Wissenschaft erleben Stereotype wie dieses zur Zeit ein erstaunliches Comeback. Mit der Tagung „ontologia - construction“ suchen Sozial- und Geisteswissenschaftler nach den Gründen für diese Renaissance – und arbeiten die Folgen solcher Vereinfachungen für Wissenschaft und Gesellschaft heraus. Programm und weitere Infos unter on-construction.uni-hohenheim.deKeine Frage: Im Alltag käme der Mensch ohne ein gewisses Maß an Stereotypen und unhinterfragten Überzeugungen nicht aus. „Alles und jedes konstant zu hinterfragen ist im Alltag nicht praxistauglich“, bestätigt Dr. René John als einer der Veranstalter der Tagung.
Für bedenklich hält der Soziologe jedoch die Rückkehr der einfachen Antworten in gesellschaftlichen Debatten und in der Wissenschaft. Seit den 1990ern gäbe es eine neue Geschlechter-Debatte die behauptet, dass das Mann-Frau-Verhalten allein durch naturgegebene Unterschiede bestimmt werde. Gleichzeitig propagierten Hirnforscher, dass Weltsicht und Willen des Menschen allein durch biologische Strukturen bestimmt werde.
„Inzwischen schlagen solche Trends einfacher Erklärungen auf die Sozialwissenschaften zurück – und wir führen aufs Neue Debatten, von denen wir glaubten, dass sie seit den 1980er Jahren erledigt seien“, meint Dr. John. „Problematisch daran ist, dass hier absolute Gründe postuliert werden, die wissenschaftliche Debatten endgültig beenden sollen. Die Aufgabe von Wissenschaft ist es jedoch, die Welt wie sie erscheint zu hinterfragen, dass heißt immer weiter über die vom Menschen gefundenen Ursachen zu reflektieren.“
Die Tagung ab 24. September soll klären, wo solche einfachen Antworten Einzug halten, wieso es diesen Trend zur ontologischen Argumentation wieder gibt und wie er funktioniert, warum er so stark in die Forschung eindringt und welche Folgen die angeblichen Letzt-Argumente für den Wissenschaftsbetrieb nach sich ziehen.
In der Philosophie werden Ansätze, die Welt durch unverrückbare Gegebenheiten zu erklären, als ontologische Ansätze bezeichnet. Die Schule der Ontologie geht bis auf Aristoteles zurück, der sich mit seiner Metaphysik auf die Suche nach der endgültigen Wahrheit begab. Die Kritik an dieser „Erklärung des Seienden“ findet ihren ersten Höhepunkt in der Romantik. Vorher kritisierte Kant schon, dass der Mensch den Dingen selbst nicht auf die Schliche kommen könne sondern nur mit Konstrukten – deren Prinzipien er freilich absolut setzte – arbeite. Ein Fundament, auf dem alle neuzeitlichen Denkansätze über Postmoderne, Konstruktivismus bis Dekonstruktivismus fußt.
Anhand von Begriffspaaren wie „Innovation“ und „Tradition“, „Körper“ versus „Bewusstsein“, „virtuell“ contra „real“ oder „Natur“ im Gegensatz zu „Technik“ soll in Impulsreferaten und Diskussionen herausgearbeitet werden, was angeblich naturgegeben ist und wo die Konstruktion beginnt. Erwartet werden 50 Wissenschaftler vor allem aus Soziologie, Linguistik und Philosophie.
Text: Klebs
Kontakt für Medien:
Dr. René John, Universität Hohenheim
Tel.: 0711/459-22637; E-Mail: renejohn@uni-hohenheim.de