Tod und Sterben bleiben ein Tabu  [23.11.06]

Vor allem Beamte leiden an Todesangst, Landwirte jedoch sind nahezu vollständig von einem Leben nach dem Tod überzeugt. Doch eine aktuelle Untersuchung der Universität Hohenheim zeigt: Verdrängen tröstet nicht.

Die Auseinandersetzung mit der Endgültigkeit des Lebens, mit Tod und Sterben ist tabuisiert. Selbst im Alter nimmt die Bereitschaft, sich mit dem Tod auseinanderzusetzen, nicht wesentlich zu, lautet das Fazit einer aktuellen repräsentativen Erhebung in Deutschland zur Frage „Was denken Sie über das Sterben und den Tod?“, die die Identity Foundation, Düsseldorf, in Kooperation mit dem Lehrstuhl für Soziologie an der Universität Hohenheim durchgeführt hat. Gleichzeitig zeigen die Ergebnisse, dass die Verdrängung des Themas Sterben die Angst vor dem Tod nicht nehmen kann. Differenziert nach verschiedenen Berufsgruppen zeigt die Studie allerdings recht unterschiedliche Ergebnisse: Beamte im gehobenen Dienst beschäftigen sich demnach überdurchschnittlich häufig mit dem Thema Tod und haben mehr Angst vor dem Sterben als andere Berufsgruppen. Landwirte dagegen sind nahezu alle von einem Leben nach dem Tod überzeugt.

Die meisten Deutschen lehnen es ab, sich überhaupt mit Sterben und Tod zu beschäftigen – schon deshalb, weil es in ihren Augen die „Freude am Leben“ beeinträchtigen würde. Insbesondere Männer (75 %) verdrängen aus diesem Grund die Gedanken an das Thema, bei den Frauen sind es 63 %. Nur ein knappes Drittel der deutschen Bevölkerung räumt hingegen ein, öfters über den Tod nachzudenken. Selbst im Alter nimmt die Bereitschaft, sich mit dem Tod auseinanderzusetzen, nicht wesentlich zu. Jeder zweite der über 70jährigen blendet das Thema aus. Leben und Tod werden in Deutschland nicht zusammengedacht.

So überrascht es nicht, dass 60 Prozent der Deutschen Angst vor dem Sterben haben. Die Angst vor dem Tod ist bei Frauen stärker verbreitet als bei Männern. Und sie ist schon in jungen Jahren präsent: 42 % der deutschen Teenager und Twens sehen dem Tod mit Angst entgegen.

Angesichts der relativ weit verbreiteten Angst vor dem Sterben spielt erstaunlicherweise der Trost durch den Glauben eine recht untergeordnete Rolle. Nur jeder vierte Deutsche (25 %) stimmt der Aussage zu: „Mein Glaube nimmt mir die Angst vor dem Sterben und dem Tod“. Es sind eher Frauen (30 %), die Trost im Glauben finden, als Männer (22 %). Vor allem aber älteren Menschen über 70 bietet der Glaube Trost mit Blick auf Tod und Sterben. Demgegenüber gilt dies nur für 16 % der Teenager (zwischen 14 und 19 Jahren).

An ein Leben nach dem Tod glaubt die Mehrheit der Bevölkerung nicht. Für immerhin 60 % der Deutschen ist „mit dem Tod alles aus“. Allerdings unterscheiden sich auch in diesem Punkt Männer und Frauen. Für jede zweite Frau bedeutet der Tod nicht das Ende, wohl aber für 67 % der Männer.

Angesichts der Debatte über die Stammzellenforschung ist es überraschend, dass nur eine schwache Mehrheit der Deutschen (58 %) meint, dass es gut sei, dass das Leben durch den Tod begrenzt ist. ‚Immer zu leben’ ist für sehr viele keine abschreckende Vorstellung mehr.

Interessant ist eine Differenzierung der Befunde nach Berufsgruppen. Insbesondere die gehobenen Beamten nehmen eine Sonderstellung ein: Sie beschäftigen sich überdurchschnittlich häufig mit dem Thema Tod, haben auch signifikant mehr Angst vor dem Sterben als andere Berufsgruppen. Gleichzeitig betonen sie allerdings auch mehr als alle anderen, dass ihnen der Glaube die Angst vor Tod und Sterben nimmt. Beachtung verdient auch der Befund, dass knapp drei Viertel der freiberuflich Tätigen davon ausgehen, mit dem Tod sei alles aus, hingegen glauben die selbstständigen Landwirte fast vollständig an ein Leben nach dem Tod.

Ulrike Bunz, die die Untersuchung wissenschaftlich begleitet hat, fasst zusammen: „Die Deutschen verdrängen die Themen Tod und Sterben, haben eine ausgeprägte Angst vor dem Sterben und finden zugleich immer weniger Trost im Glauben. Mit der zunehmenden Säkularisierung verlieren die Menschen offenbar die Fähigkeit, über diese sensiblen Themen mit ihren Familien oder Freunden zu sprechen. Den meisten fehlen aber auch Hoffnungsperspektiven, wie sie der Glaube an ein Leben nach dem Tod bieten würde.“

Kontakt für Medien:

Prof. Dr. Eugen Buß, Universität Hohenheim, Lehrstuhl für Soziologie und empirische Sozialforschung
Tel.: 0711 459-22622, E-Mail: ebuss@uni-hohenheim.de


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