Neue Straßennamen:
Widmung an drei beeindruckende Professorinnen [30.04.21]
Drei neue Straßen auf dem Gelände der Universität Hohenheim – benannt nach bedeutenden Hohenheimer Wissenschaftlerinnen. Sie waren auch Vorreiterinnen der Frauen in der Wissenschaft.
Der Ottilie-Zeller-Weg, der Leonore-Blosser-Reisen-Weg und der Erna-Hruschka-Weg: Die Universität Hohenheim in Stuttgart ehrt drei ehemalige Professorinnen, indem bisher namenlose neue Straßen nach ihnen benannt werden. Der Gemeinderat der Stadt Stuttgart folgte damit dem Vorschlag der Universität. Die drei Wissenschaftlerinnen stehen mit ihren Forschungsrichtungen, die sie zu Lebzeiten nachhaltig weiterentwickelt haben, jeweils für eine der drei heutigen Fakultäten. Sie zählen zu den Pionierinnen der Frauen in diesem Amt. Heute liegt der Anteil der Professorinnen an der Universität Hohenheim bei über 30 Prozent – und damit über dem Landes- und Bundesdurchschnitt.
Bisher waren Straßen auf dem Campus der Universität Hohenheim ausschließlich nach bedeutenden männlichen Hohenheimer Persönlichkeiten benannt. Nun erhöht sich der weibliche Anteil – in Form von drei neuen Straßen, die zwischen der August-von-Hartmann-Straße und der Emil-Wolff-Straße südlich des Biologiegebäudes liegen. An diesen Straßen entstehen zurzeit die neue Landesanstalt für Bienenkunde (Erna-Hruschka-Weg 6) und ein neues Kleintierhaus (Leonore-Blosser-Reisen-Weg 8) und der Neubau Microbiota-Forschung der Tierwissenschaften (Leonore-Blosser-Reisen-Weg 3), so dass sie in den nächsten Jahren deutlich an Bedeutung gewinnen werden.
Prof. Dr. Ute Mackenstedt, Gleichstellungsbeauftragte der Universität Hohenheim freut sich darüber, dass „Wissenschaftlerinnen, die lange an der Universität Hohenheim geforscht und gelehrt haben, nun eine verdiente Anerkennung erfahren. Es ist endlich ein sichtbares Zeichen, wie viele hervorragende Frauen in Hohenheim gelebt und gearbeitet haben.“
Frauen-Power hat in Hohenheim Tradition
Den ersten Meilenstein setzte die Universität Hohenheim 1923, als sie Margarete von Wrangell als erste ordentliche Professorin Deutschlands berief. Sie leitete bis 1931 das neu gegründete Institut für Pflanzenernährung. Der Weg für die Berufung neuer Professorinnen wurde dadurch zunächst nicht geebnet, denn erst mit Prof. Dr. Ottilie Zeller gab es 1961 wieder eine Professorin an der Universität Hohenheim.
Seitdem hat sich jedoch einiges geändert: 2019 stieg der Anteil an Professorinnen zum ersten Mal auf über 30 % an. Die Universität Hohenheim liegt damit deutlich sowohl über dem Bundesdurchschnitt von 24,7 % als auch über dem Landesdurchschnitt von 22,2 %. Ein Erfolg, der vor allem auf die aktive Rekrutierung hoch qualifizierter Wissenschaftlerinnen bei Besetzungsverfahren zurückzuführen ist.
Prof. Dr. Erna Hruschka (1912-1996, Professorin für Psychologie, von 1971 – 1976)
„Erna Hruschka erfand sich nach dem Krieg neu und studierte noch mit 40 Psychologie an der Universität Tübingen“, erinnert sich em. Prof. Dr. Volker Hoffmann, der seine Dissertation bei Prof. Dr. Hruschka schrieb. Die 1912 in Hindenburg geborene Prof. Dr. Hruschka musste sich aber nicht nur aufgrund ihres Alters beweisen, sondern zunächst auch als Forscherin in einem traditionell von Männern dominierten Arbeitsplatz.
Als „ungeeignet“ hat man sie laut Prof. Dr. Hartmut Albrecht, em. Professor am Institut für Kommunikationsforschung, eingestuft. Die Stelle als technischer Assistent am damaligen Institut für Landwirtschaftliche Beratung, auf die sie sich 1951 bewarb, war für einen Mann gedacht. Doch Hruschka setzte sich durch – auch nach ihrem Studium: 1956 war sie zuerst als wissenschaftliche Angestellte am Institut für Kommunikationsforschung und Landwirtschaftliches Beratungswesen tätig. 1968 wurde sie die zweite Professorin an der damaligen Landwirtschaftlichen Hochschule Hohenheim und forschte am Institut für Agrarsoziologie, Beratung und angewandte Psychologie.
Pionierarbeit in der landwirtschaftlichen Beratung
Mit ihrer Habilitation über die theoretische Grundlegung des Beratungsprozesses leistete sie Pionierarbeit in dem noch jungen Fach. Sie erarbeitete noch fehlende systematische, wissenschaftliche Methodenfragen in der landwirtschaftlichen Beratung. Ihre Methoden des Beratungsvorgangs basieren auf psychologische Grundlagen: Der Berater muss empathisch aus Sicht des Partners handeln, indem er auf die Umstände und Wünsche des Partners eingeht.
Ihre Leistungen waren bei anderen Wissenschaftlern, auch international, längst anerkannt. In der Sozial-Psychologie und in der Verhaltensforschung war sie fachlich hoch qualifiziert: Sie verfügte über tiefe Kenntnisse der landwirtschaftlichen Beratung und im landwirtschaftlichen Kommunikationswesen. Prof. Dr. Hruschka verdiente sich 1970 durch ihren Erfahrungsreichtum die Ernennung zur wissenschaftlichen Rätin. Sie leistete einen maßgeblichen Beitrag dazu, dass das Fach Psychologie an der Universität Hohenheim eigenständig geworden ist.
Aktiv bis ins hohe Alter und beliebt bei Studierenden
Prof. Dr. Hruschka war eine aktive Frau, die auch nach ihrer Rente Vorlesungen hielt, Beratungen anbot und mit 60 noch ihren Führerschein machte. „Wenn sie den Hörsaal betreten und einen Satz gesprochen hatte, hingen die Studierenden aus den Agrarwissenschaften und der Ökotrophologie gebannt an ihren Lippen“, entsinnt sich Prof. Dr. Volker Hoffmann. Die Studierenden vertrauten Prof. Dr. Hruschka, sie konnten sich auch bei privaten Problemen immer an sie wenden. Sie verstarb 1996 in Köln-Porz.
Prof. Dr. Ottilie Zeller (1913-2004, Professorin für angewandte Botanik von 1961-1975)
Prof. Dr. Ottilie „Otti“ Zeller, geboren 1913 in Korntal, war von 1961 bis 1975 Professorin für angewandte Botanik an der Universität Hohenheim. Sie begann ihre akademische Laufbahn 1952 als wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für Botanik. Prof. Dr. Zeller war Expertin für die Entwicklungsmorphologie von Blütenknospen – unter anderem von Beeren, Apfel- und Pfirsichbäumen – und Expertin der Blütenentwicklung unter tropischen Bedingungen.
Das Institut für Botanik entwickelte sie nachhaltig weiter, da sie den bisher entwicklungshistologischen Schwerpunkt in eine entwicklungsphysiologische Forschungsrichtung ausdehnte. Prof. Dr. Zeller übernahm darüber hinaus bis 1967 auch die wissenschaftliche Leitung des botanischen Gartens. In den Folgejahren leitete sie das Hohenheimer Herbarium und die botanische Schausammlung.
International sehr gefragt
Prof. Dr. Zeller sorgte mit ihren Untersuchungen für internationale Aufmerksamkeit – die Ergebnisse ihrer Studien zu Gehölzen aus Südwestdeutschland wurden Grundlagen ähnlicher Forschungen im In- und Ausland.
Unter anderem lud die Universität Helsinki Prof. Dr. Zeller mehrmals ein, um die Blütenentwicklung von finnischem Beerenobst zu untersuchen, speziell im subarktischen Klimagebiet. Damit konnte sie Hinweise zur Kultivierung der wildwachsenden Arktischen Brombeere und Angaben über die nördliche Anbaugrenze der Beeren formulieren. Durch die fruchtbare Zusammenarbeit und die dazugekommenen Erkenntnisse verlieh der Rektor der Universität Helsinki Prof. Dr. Zeller 1963 eine Ehrenplakette.
Ihre Arbeiten brachten neue Erkenntnisse für die Grundlagenforschung in der Obstbaupraxis und sind in wissenschaftlicher Fachliteratur international anerkannt. Sie starb 2004 mit 90 Jahren in Stuttgart.
Prof. Dr. Leonore Blosser-Reisen (1927-2014, Professorin für Wirtschaftslehre des Haushalts von 1974-1989)
Eine Kollegin und Freundin von Prof. Dr. Hruschka war Prof. Dr. Leonore „Lore“ Blosser-Reisen, geboren 1927 in Viersen. 1953 kam sie als Diplomlandwirtin zum ersten Mal nach Hohenheim. Anschließend war sie Lehrbeauftragte an einigen anderen Universitäten – bis sie 1974 nach Hohenheim zurückkehrte und blieb: als Professorin für Wirtschaftslehre des Haushalts am Institut für Haushalts- und Konsumökonomik.
Sie forschte in den darauffolgenden 15 Jahren zu wissenschaftlichen Grundlagen in der Haushaltsführung, verfasste Grundlagenliteratur im Bereich der Haushaltsführung und entwickelte Methoden für das Management von Haushalten. Prof. Dr. Blosser-Reisen war aktiv in der akademischen Selbstverwaltung und war unter anderem Direktorin des Instituts für Haushalt- und Konsumökonomik, Vorsitzende des Prüfungsausschusses Haushaltswissenschaft, Vorsitzende des beratenden Senatsausschusses „Frauen im Wissenschaftsbereich" und baute drei Studienaustauschprogramme auf.
Eine inspirierende Persönlichkeit
Nicht nur im universitären Umfeld machte Prof. Dr. Blosser-Reisen sich für Frauen stark: Ihren Lebensabend verbrachte sie in Nürtingen und gründete dort eine Frauengeschichtswerkstatt an der Volkshochschule Nürtingen. Beate Reinhardt, eine damalige Kollegin, blickt dankbar auf die Zeit mit Prof. Dr. Blosser-Reisen zurück: „Als Wissenschaftlerin trug sie wesentlich dazu bei, dass wir eine Reihe qualifizierter Publikationen erstellen konnten, als Mensch ermutigte sie uns in unserer Arbeit und war Vorbild für uns.“ Sie verstarb 2014.
Text: Jung