Absteiger des Monats:
Günther Oettingers Mediengau [10.05.07]
Monatliche Politiker- und Themen-Rankings:
Jeden 2. Donnerstag im Monat im Mediaskop/politics der Universität Hohenheim
Alle Infos und ausführliche Auswertungen auch unter
www.uni-hohenheim.de/mediaskop
Rein zahlenmäßig machte kein Politiker vergangenen Monat so viel von sich reden wie Baden-Württembergs Ministerpräsident Günther Oettinger. Viel Gutes gab es allerdings nicht zu berichten: Mit seinen Aussagen zur NS-Vergangenheit Hans Filbingers handelte er sich die schlechteste Presse im Ap-ril ein – weit abgeschlagen selbst hinter Innenminister Wolfgang Schäuble, dessen Angriff auf die Bürgerrechte überwiegend negative Schlagzeilen bescherte.
Analysen wie diese sind Ergebnisse des neuen Mediaskop/politics der Universität Hohenheim – einem Gemeinschaftsprodukt des Kommunikationswissenschaftlers Prof. Dr. Frank Brettschneider mit dem internationalen Institut für Media Intelligence, Media Tenor. Als Trendmesser für politische Themen und ihre Top-Repräsentanten listet das Hohenheimer Mediaskop die Auf- und Absteiger des Monats, ermittelt die Top-Ten der Politiker in den Medien und rankt die führenden Spitzenpolitiker und Sachthemen. Dabei stützt sich das Mediaskop/politics auf die tagesaktuelle Auswertung über 26 Leitmedien von der Tageszeitung bis zum Nachrichtenjournal.
„Von Oettingers Eigentor profitieren viele“, analysiert Prof. Dr. Brettschneider das Mediaskop vom April. „Angela Merkel konnte durch rasches und rigoroses Eingreifen ihre Führungsqualitäten in den Vordergrund rücken. Positive Berichterstattung war ihr gewiss.“
Auch die SPD habe Grund zur Freude gehabt. Ihr verhalf die Medienaufmerksamkeit für Oettinger zu einer Verschnaufpause, nachdem sich die Medien im März noch häufig mit der misslichen Lage der SPD beschäftigt hatten. „Oettingers Rede hat in der ersten Aprilhälfte jedenfalls die politische Agenda umgekrempelt. Über seinen Umgang mit der NS-Geschichte und über sein politisches Auftreten wurde sogar häufiger berichtet als über das SPD-Thema Arbeitsmarkt oder Von der Leyens familienpolitische Initiativen.“
Gefährlich für den Ministerpräsidenten sei, dass die Kritik nicht nur vom politischen Gegner, sondern auch aus den eigenen Reihen kam. „Der innerparteiliche Gegenwind ist dabei noch bedrohlicher als der zwangsläufig folgende Absturz in Meinungsumfragen. Spätestens hier müssten alle Alarmglocken schrillen, denn häufig ist dies der Anfang vom Ende einer politischen Karriere“, so Prof. Dr. Brettschneider.
Auf- und Absteiger im April (Anlage AfAb0507)
So tief fiel kein anderer. Mit seiner Rede zur Trauerfeier für Hans Filbinger erreichte der baden-württembergische Ministerpräsident eine Aufmerksamkeit, durch die sich die Berichterstattung im Vergleich zum März verzehnfachte. Doch statt wohlwollender Medienbegleitung hagelte es Kritik: „In 36 Prozent aller Fälle wird Oettinger als Politiker getadelt – positiv sind dagegen nur sechs Prozent der Berichterstattung. Dabei hatte Oettinger im März noch zu den fünf Politikern mit der positivsten Medienbewertung gehört“, erklärt Prof. Dr. Brettschneider.
Nicht einmal annähernd so schlecht erging es Innenminister Wolfgang Schäuble mit seinen Plänen, Passfotos zentral zu speichern und für die Polizei zugänglich zu machen. Diese Vorhaben verdoppelten die Schäuble-Berichterstattung. Gleichzeitig verschlechterte sich die Bewertung: „Wenn wir die positive mit der negativen Berichter-stattung verrechnen, bekommen wir im März noch einen positiven Saldo von 0,7 Prozentpunkten. Im April rutscht die Summe aus Positiv minus Negativ auf -17,3 Prozentpunkte“, erklärt Prof. Dr. Brettschneider.
Überraschungsgast unter den Aufsteigern war dagegen Bayerns Ministerpräsident Edmund Stoiber. „Im Vergleich zum Vormonat ist Stoiber den Medien nicht weiter aufgefallen. Dafür verbesserte sich sein Ansehen: Auf das negative Saldo von -8,5 Prozentpunkten im März folgte ein nun leicht positives Saldo von 0,3 Prozentpunk-ten. Dies wiegt umso schwerer, als sich die Bewertung von Erwin Huber verschlech-terte und Edmund Stoiber zudem besser bewertet wird als Günther Beckstein. Bleibt die Frage, ob im Freistaat Bayern schon das letzte Wort über die Zukunft des Minis-terpräsidenten gesprochen ist.
Top-Ten-Politiker mit der stärksten Medienpräsenz (Anlage ToTe0507)
Mit seinem Mediengau wirbelte Oettinger auch das mediale Gleichgewicht der Spitzenpolitiker durcheinander: In der Aufmerksamkeit der Medien rutschte Bundeskanzlerin Angela Merkel auf Platz Zwei der am häufigsten genannten Politiker. Inhaltlich profitierte die Kanzlerin durch ihr rasches und rigoroses Handeln: Mit einem Positiv-Saldo von 4,4 Prozentpunkten erhielt sie die beste Presse aller Spitzenpolitiker. Auf Platz Drei und Vier der meistgenannten Politiker platzierten sich Wolfgang Schäuble und SPD-Vorsitzender Kurt Beck – beide jedoch mit durchweg schlechter Presse.
Sachthemen-Ranking (Anlage Sate0507)
An der Spitze der Themen-Agenda stand im April die Innere Sicherheit. Vor allem Schäubles Pläne lösten damit das Thema Außenpolitik ab, das im März noch an der Spitze gestanden hatte. Die Themen Wirtschaftspolitik allgemein, Steuerpolitik und Arbeitsmarktpolitik folgten auf den nächsten Plätzen. Die Lage auf dem Arbeitsmarkt wurde ausgeglichen bewertet. Über die Themen Familienpolitik und Umweltpolitik wurde im Vergleich zum März etwas seltener berichtet. Damit verloren auch die zuständigen Minister etwas von ihrer medialen Prominenz bzw. Unterstützung.
Kontaktadresse (nicht zur Veröffentlichung):
Prof. Dr. Frank Brettschneider, Universität Hohenheim, Fachgebiet Kommunikationswissenschaft
Tel.: 0711 459-24030 oder -22870, E-Mail: frank.brettschneider@uni-hohenheim.de
www.uni-hohenheim.de/komm/Mediaskop: www.uni-hohenheim/mediaskop