Falsche Ernährung:
Armut gefährdet geistige Entwicklung von Kindern [01.07.15]
Soziale Unterschiede zeigen sich auch bei Ernährung / Experte der Universität Hohenheim spricht heute in Berlin auf Einladung der SPD-Bundestagsfraktion
Gesunde Ernährung ist auch eine Frage des Einkommens: Menschen mit wenig Geld ernähren sich im Durchschnitt schlechter. Prof. Dr. Hans K. Biesalski, Ernährungsmediziner an der Universität Hohenheim, warnt vor den Folgen vor allem bei Kindern. Er plädiert für eine bessere Nährwertkennzeichnung und mehr Aufklärung. Und er sieht die gesamte Gesellschaft in der Verantwortung. Heute spricht er zu dem Thema auf Einladung der SPD-Bundestagsfraktion auf der Konferenz „Wir können mehr als Currywurst – Gesunde Ernährung für alle“ in Berlin.
Lebensmittel, die reich sind an essentiellen Nährstoffen, sind deutlich teurer als solche mit viel Fett und Energie. „Leute, denen wenig Geld zur Verfügung steht, ernähren sich qualitativ schlechter, und das hat nicht nur mit dem Bildungsstand zu tun“, erklärt Prof. Dr. Hans K. Biesalski, Direktor des Food Security Centers an der Universität Hohenheim.
Gesunde Ernährung für alle sei eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe und ein Gebot sozialer Gerechtigkeit, meint der Experte. Lösungsansätze präsentiert er heute auf der Berliner Konferenz der SPD-Bundestagsfraktion.
Am stärksten betroffen: Kleinkinder in armen Familien
Besonders im Fokus steht bei Prof. Dr. Biesalski die Ernährung von Kindern in den ersten beiden Lebensjahren. „Das sogenannte 1000-Tage-Fenster ist der entscheidende Zeitraum – falsche Ernährung in dieser Zeit hat massive Konsequenzen für die körperliche und geistige Entwicklung der Kinder“, warnt der Experte.
Armut sei ein wesentlicher Faktor, der die kognitive Entwicklung der Kinder beeinträchtigt. In der Folge könnten sie schlechtere schulische Leistungen zeigen und auch später im Leben oft noch Probleme haben.
„Übergewicht ist bei Kindern in Deutschland dreimal häufiger in armen Familien zu finden“, weiß Prof. Dr. Biesalski. Hinzu kämen immer mehr Menschen, die gleich mit zwei ernährungsbedingten Problemen zu kämpfen haben: Übergewicht und Mangelernährung.
Nährwertkennzeichnung als Instrument für gesunde Ernährung
Um eine Versorgung mit allen 49 essentiellen Nährstoffen zu gewährleisten, schlägt Prof. Dr. Biesalski ein einfach zu handhabendes Instrument vor: Die Nährwertkennzeichnung nach dem Nutrient Density Score (NDS). Er spiegelt das Verhältnis von Nährstoffdichte zur Energiedichte eines Lebensmittels wider.
„Diese einfache Zahl ist wesentlich aussagekräftiger als die Prozentangaben des Tagesbedarfs, die momentan auf den Verpackungen zu finden sind“, erklärt Prof. Dr. Biesalski. Sie könne dazu beitragen, dass man sich und seine Kinder gesund ernährt, also „qualitativ gut und quantitativ nicht zu viel.“
Keine gesunde Ernährung zum Hartz-IV-Satz
Die problematischste Gruppe seien alleinerziehende junge Mütter, die von Hartz IV leben müssen. Nicht nur für sie sei mehr Ernährungsbildung dringend nötig, die am besten schon in der Schule ansetzen sollte.
Doch mit einem Hartz-IV-Regelsatz von 2,47 Euro pro Tag für Kinder bis vier Jahre sei keinesfalls eine gesunde Ernährung möglich. Überlegungen, wie man die Ernährung der Kinder verbessern könnte, sieht Prof. Dr. Biesalski im Verantwortungsbereich der Bundesländer.
Politik und Gesellschaft müssen handeln
Optionen wären zum Beispiel kostenloses Essen in Kitas und Ganztagsschulen. Auch die Kinderärzte sollten bei den ganz Kleinen genauer auf Mangelerscheinungen achten. „Dazu ist ein öffentlicher Diskurs erforderlich, wie man das Problem angehen kann und will“, meint Prof. Dr. Biesalski.
„Gänzlich außerhalb unseres Fokus sind Flüchtlinge und besonders Kinder, die häufig bereits mangelernährt bei uns ankommen“, mahnt der Ernährungsmediziner. „Hier bedarf es einer raschen Analyse des Zustandes und einer ebenso raschen Kompensation der Mangelernährung.“
Text: Elsner / Töpfer
Kontakt für Medien:
Prof. Dr. med. Hans Konrad Biesalski, Universität Hohenheim, Fachgebiet Biologische Chemie und Ernährungswissenschaft
Tel.: 0711 459- 24112, E-Mail: biesal@uni-hohenheim.de