Ernährungsmedizin und das Schoko-Osterei:
„Wir dürfen doch auch mal einfach nur genießen“  [18.03.08]

Antworten aus der Wissenschaft: Ernährungsmediziner Prof. Dr. med. Stephan Bischoff von der Universität Hohenheim zum Genussmittel Schokolade

Geliebt und verteufelt: Mit über einer Million Tonnen Schokolade hat uns die Süßwarenindustrie bundesweit allein im vergangenen Jahr beglückt. Herr Prof. Dr. Bischoff, können wir an Ostern unbeschwert bunte Schoko-Eier suchen oder ist Schokolade aus Sicht der Ernährungsmediziner nur böse?

Prof. Dr. Bischoff: Nein, ist sie nicht, wenn sie in Maßen genossen wird. Es gibt keinen Grund, auf Schokolade zu verzichten. Sie ist ein Genussmittel, das keine Schadstoffe enthält. Leidet jemand allerdings an Fettleibigkeit/Adipositas, sollte ihm klar sein, dass Schokolade ein energiedichtes Nahrungsmittel ist, dessen Verzehr kontrolliert sein muss.

 

Damit sind wir schon bei den Nachteilen. Was verstehen Sie unter energiedichtes Nahrungsmittel?

Prof. Dr. Bischoff: Eine Tafel Schokolade enthält 500 bis 600 Kilokalorien (kcal), ein normal gewichtiger Mensch verbraucht 2.000 bis 3.000 Kilokalorien (kcal) täglich. Ungünstig ist an der Schokolade der hohe Fett- (30g) und Zuckergehalt (50g). Um einen Vergleich zu haben: Der Mensch benötigt nur 100 Gramm Fett täglich.

 

Wo sind dann die positiven Seiten der Schokolade?

Prof. Dr. Bischoff: Schokolade ist ein Genussmittel und es ist unnötig, etwas Gesundes in ihr zu suchen. Wer sich gesund ernähren möchte, isst einfach einen Apfel. Trotzdem: Eine Tafel Schokolade enthält immerhin neun Gramm Eiweiß, Mikronährstoffe wie Mineralstoffe und geringe Mengen an Stimmungsaufhellern. Ein weiterer Pluspunkt sind Ballaststoffe, die zwischen drei und zehn Gramm liegen. Zum Vergleich: Empfohlen wird eine tägliche Ballaststoffmenge von 30 Gramm.

 

Gibt es Unterschiede zwischen den Schokoladesorten?

Prof. Dr. Bischoff: Die positiven Eigenschaften steigen mit dem Kakaoanteil. So gesehen schneidet dunkle Schokolade am besten ab, weiße Schokolade hat kaum wertvolle Inhaltsstoffe. Aber trotzdem - nur aus Schokoladensicht übertrumpfen die positiven Seiten nicht die negativen.

 

Macht Schokolade wenigstens glücklich?

Prof. Dr. Bischoff: Das trifft nicht auf jeden Menschen zu, auch wenn es erwiesen ist, dass Schokolade glücksauslösende Substanzen enthält wie Theobromin, Anandamid, Tryptophan, 2-Phenylethylamin und Glukose. Das sind verwandte Stoffe von Koffein, Marihuana und körpereigenen Morphinen oder Endorphinen und können die Leistungsfähigkeit steigern sowie Glücksempfinden auslösen. Wir können diese Stoffe nachweisen. Wenig erforscht ist allerdings ihre Bioverfügbarkeit. Das heißt, ob sie der Körper in Form von Schokolade in ausreichender Menge aufnimmt, damit sie wirken können und wie sie in Kombination wirken.

 

Bei Frauen scheint das Glücksgefühl dennoch eher zu wirken?

Prof. Dr. Bischoff: Dafür gibt es vielleicht zweierlei Erklärungen. Der gesellschaftliche Hintergrund ist, dass Frauen gerne zur Belohnung naschen, während Männer das Bier vorziehen. Der zweite Grund ist zyklusabhängig, Frauen leiden vor Einsetzen ihrer Menstruation verstärkt an Stimmungsschwankungen, beispielsweise, weil der Serotoninspiegel und Endorphine stark absinken. Vielleicht entsteht deshalb in dieser Zeit ein verstärktes Verlangen nach Schokolade, da die darin enthaltenen Wirkstoffe die Stimmung heben können. Wir verdanken der Schokolade also sehr viel.

 

Was verdanken wir ihr?

Prof. Dr. Bischoff: Schokolade macht glücklich, das ist positiv. Sie wurde in alten Ritualen verzehrt und verehrt wie in einer Religion. Nicht umsonst hat sie einen Siegeszug um den ganzen Globus gemacht. Früher wurde sie sogar in Lateinamerika und Europa als Medizin verwendet. Sie galt als kräftigend und bis ins 19. Jahrhundert war sie in Apotheken als Kräftigungsmittel erhältlich. Dunkle Schokolade kann den Blutdruck senken und verbessert die Insulinresistenz. Trotzdem muss man keinem Kranken Schokolade zur Therapie empfehlen.

 

Was halten Sie dann von den ganz neuen probiotischen Schokoladen, die Gesundmacher enthalten sollen?

Prof. Dr. Bischoff: Absurd. Das ist genauso, wie wenn Sie einen Porsche in ein Vier-Liter-Auto verwandeln wollen: Entweder Sie haben einen Sportwagen oder ein sparsames Auto. Es ist nicht notwendig, Medizin oder etwas Gesundes aus Schokolade ziehen zu wollen. Wir dürfen doch auch genießen.

 

Ihr Rat für Ostern?

Prof. Dr. Bischoff: Den gefundenen Ostereiervorrat nicht auf einmal vertilgen. Ein normalgewichtiger Mensch sollte ein bis zwei Tafeln Schokolade pro Woche durchaus vertragen.

 

 

 

Text: Leppin / Klebs

Kontakt für Medien:

Prof. Dr. med. Stephan Bischoff, Fachgebiet Ernährungsmedizin/Prävention, Universität Hohenheim, 70599 Stuttgart
Tel.: 0711 459-24100, Fax: 0711 459-24343, E-Mail: Bischoff.stephan@uni-hohenheim.de


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