Revision im Mannesmann-Prozess
„Urteil wird überschätzt“  [20.12.05]

Sollte der Bundesgerichtshof die Freisprüche für die Angeklagten im Mannesmann-Prozess aufheben, sei dies kein Schutz der Aktionäre vor exorbitanten Abschiedsprämien für Manager bei Firmenübernahmen, erklärt Wirtschaftsprofessor Prof. Dr. Hans-Peter Burghof von der Universität Hohenheim. Durch die Vereinbarung so genannter „goldener Fallschirme“ können sich Vorstände weiterhin und auf legalem Weg den Abschied bei Firmenübernahmen vergolden lassen. Den richtigen Weg zu einer effizienten Kontrolle der Vorstände sieht der Finanzexperte in einer größeren Transparenz und verschärften Überwachung durch den Kapitalmarkt. „Wirtschaft und Kapitalmarkt müssen solche Unternehmen stigmatisieren, die sich nicht an die Vorgaben des deutschen Corporate Governance Codex halten“, so Prof. Dr. Burghof vom Lehrstuhl für Bankwirtschaft und Finanzdienstleistungen.

Millionenschwere Abschiedsprämien hatten sich die Manager des Mannesmann-Konzerns nach der Übernahme durch den Konkurrenten Vodafone noch genehmigt. Der Aufsichtsrat - darunter Wirtschaftsgrößen wie der Deutsche Bank-Chef Josef Ackermann - stimmte zu. Vom Vorwurf der Untreue waren sie vom Landgericht Düsseldorf freigesprochen worden. Auf Antrag der Bundesanwaltschaft soll nun der Bundesgerichtshof entscheiden, ob die Düsseldorfer Freisprüche aufgehoben werden.

Auf das künftige Verhalten von Managern habe der Prozess allerdings wenig Auswirkungen, vermutet Prof. Burghof. „Im Falle Mannesmann wirft die Tatsache Probleme auf, dass die den Vorständen gezahlten Prämien erst nachträglich vereinbart wurden.“ „Golden Parachute“, also „goldener Fallschirm“, nenne sich dagegen die weiterhin legale Praxis, mit der sich Manager vorab eine oft sehr hohe Zahlung zubilligen lassen, die ihnen im Fall einer Firmenübernahme den Abschied versüße. In diese Kategorie falle auch etwa die Vereinbarung der Hypovereinsbank mit ihrer obersten Führungsebene, das Gehalt auch nach Ausscheiden aus dem Unternehmen für weitere drei Jahre zu bezahlen - ein Angebot, von dem nach der Übernahme durch die italienische Unicredito mehrere Führungskräfte der HVB Gebrauch machten. Dieser Praxis sei mit rechtlichen Mitteln schon deshalb nicht beizukommen, weil ein Gericht kaum überprüfen könne, welche Gehaltsvereinbarung im Interesse des Unternehmens sei und welche dagegen verstoße.

Zwei Schritte - Transparenz und Kontrolle - seien daher notwendig, um einen sauberen Finanzmarkt zu schaffen: „Schon der heute existierende deutsche Corporate Governance Codex fordert von den Unternehmen, die wesentlichen Bestandteile der Vorstandentlohnung detailliert offen zu legen. Gerade die Deutsche Bank ist hier Vorbild und Schrittmacher. Wünschenswert wäre allerdings eine weitere Präzisierung, nach der auch außergewöhnliche Elemente der Vorstandsentlohnung, wie etwa goldene Fallschirme für die Aktionäre, transparent gemacht werden. Es stellt sich aber auch die Frage, ob solche Gehaltsbestandteile wegen ihrer hohen Bedeutung im Kontext von Unternehmensübernahmen nicht den Aktionären zur gesonderten Beschlussfassung vorgelegt werden sollten.“

Allerdings sei die Befolgung des Codex freiwillig, und viele Unternehmen sähen in ihm bisher eher ein Wunschkonzert denn eine umfassende Verpflichtung. Schwarze Schafe sollten daher nach Ansicht des Finanzexperten stigmatisiert werden. „Firmen, die den Corporate Government Codex nicht befolgen, sind für die Kapitalmarktakteure schwerer einzuschätzen. Es wäre also nahe liegend, dass sich Investmentfonds in ihrer Anlagepolitik an diesem Kriterium orientieren oder dass Börsen in ihren Top-Segmenten eine weitgehende Entsprechung mit dem Codex einfordern.“ Ein Vorgehen, das laut Prof. Burghof sicher wirksamer wäre als gesetzlich verordnete Transparenz.

So lange die Transparenz gewahrt bleibt, kann der Finanzexperte in vorab vereinbarten Zahlungen sogar Vorteile sehen: „In gewissen Grenzen sind Praktiken wie der Golden Parachute auch legitim, wenn man die Vorstellung akzeptiert, dass sich ein Management, auch im Interesse der Aktionäre, gegen Übernahmen verteidigen darf“, urteilt Prof. Dr. Burghof. Denn für die potenziellen Käufer bedeute dies, dass das Firmenvermögen im Fall einer Übernahme um die Managerprämie sinkt - was manchen Übernahmekandidaten deutlich unattraktiver mache.

Kontakt für Medien:

Prof. Dr. Hans-Peter Burghof
Lehrstuhl BWL insbes. Bankwirtschaft und Finanzdienstleistungen, Universität Hohenheim
Tel. (0711)459-22900/-22901, E-Mail: burghof@uni-hohenheim.de


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