TV-Duell im US-Wahlkampf:
Trump als Polit-Rüpel – Clinton hält dagegen  [27.09.16]

Kommunikationswissenschaftler Prof. Dr. Frank Brettschneider von der Universität Hohenheim analysiert 1. TV-Duell im laufenden US-Präsidentschafts-Wahlkampf

Donald Trump ist seinem Ruf als Polit-Rüpel gerecht geworden. Hillary Clinton hielt dagegen und setzte ihrerseits Trump unter Druck. Das war ein harter Schlagabtausch, der mit einem Unentschieden endet – so die Einschätzung von Prof. Dr. Frank Brettschneider von der Universität Hohenheim in Stuttgart. Der Kommunikationswissenschaftler analysiert Einfluss, Taktiken und Geschichte der TV-Duelle – von dem „rührend unprofessionellen“ Zweikampf Richard Nixon gegen John F. Kennedy 1960 bis zur modernen Inszenierung von Kandidaten als Medien-Superstars, wie zuletzt bei Barack Obama. Sein Fazit: Das schrille Auftreten Trumps hat so viele Zuschauer vor den Fernseher gelockt wie nie zuvor. Etwa 100 Millionen Amerikaner sollen das TV-Duell gesehen haben. Aber die Wirkung dieser Live-Sendung wurde in der Vergangenheit oft überschätzt. Einflussreicher sei das Medienecho in den Folgetagen. „Die eigentliche Schlacht beginnt erst nach dem TV-Duell“, so Prof. Dr. Brettschneider.


Perfekte Performance ist wichtig, doch Wahlkampfstrategen wissen: Noch entscheidender als die 90 Minu­ten Streit vor der Kamera sind die ersten fünf Minuten danach. Denn dann erst beginnt die eigentliche Mei­nungsbildung – vor allem bei der heiß umkämpften Gruppe politisch interessierter, aber unentschlossener Wähler.


Kampf um Deutung

„Während der Sendezeit bildet sich diese Gruppe meist noch keine feste Meinung“, so Prof. Dr. Frank Brettschneider. Auch welcher Kandidat das TV-Duell gewonnen hat und warum, sei normalerweise keines­wegs eindeutig. „Die Auslegung übernehmen Journalisten, die das Duell interpretieren und in ihren Berich­ten einen Sieger küren.“ So sei die Nachberichterstattung für die meisten Unentschlossenen ausschlag­gebender als das Duell selbst.

Dieser Effekt ist Wahlkampfstrategen wohlbekannt. Um Einfluss auf die Deutung des Duells zu nehmen, mischen sich zahlreiche Einflüsterer unter die Kommentatoren und liefern bereits innerhalb der ersten fünf Minuten Interpretationsangebote für Zuschauer und Journalisten.

Der Großteil der Wähler bildet sich die Meinung dann erst über das gedruckte Wort. „Be­reits am Folgetag hat sich eine überschaubare Anzahl von Einschätzungen über den Ausgang des Duells durchgesetzt und ist in den großen Zeitungen nachzulesen“, so der Kommunikationswissenschaftler der Universität Hohenheim in Stuttgart. Da Trump weiß, dass er dabei nicht positiv wegkommen wird, setzt er auf seine Unterstützer im Web 2.0 – auf Facebook und auf Twitter. Sie sollen die Medienberichterstattung zumindest neutralisieren.


Strategien von Clinton und Trump

Erwartungsgemäß setzte Trump auf starke Vereinfachungen, besonders aber auf persönliche Angriffe gegen Clinton. Er machte sie für das Erstarken des IS verantwortlich, sprach von einer miserablen Außen­politik Clintons und von „Desaster“. Die USA seien auf dem Weg zu einem „Dritte-Welt-Land“. Vor allem aber sprach er Clinton die Befähigung zur Präsidentschaft ab. Ihr fehlten dafür das Temperament und das Urteilsvermögen. Zudem unterbrach er Clinton mehr als 40 Mal. Mit diesem Verhalten blieb er seiner Strategie treu, mit der er auch schon in den innerparteilichen Vorwahlen der Republikaner erfolgreich war. Dieses schrille Verhalten hat im wesentlichen zwei Gründe.

Erstens verschafft ihm der fortgesetzte Tabu-Bruch permanente Aufmerksamkeit. Die Massenmedien be­richten darüber, wenn auch kritisch. Die Kritik ficht ihn aber nicht an, weil seine Anhänger den traditionellen Medien ohnehin nicht trauen. Hier sind Parallelen zu anderen Populisten unverkennbar. In Deutschland verfolgt die AfD eine ähnliche Strategie.

Zweitens lenkt er mit diesem Verhalten von sachlichen Themen ab. Das muss er auch, weil seine Sachkompetenz in zahlreichen innen- wie außenpolitischen Fragen nur gering ausgeprägt ist. „Er verfügt weder über ausreichende Sachkompetenz noch über politische Erfahrung“, so Prof. Dr. Brettschneider. Daher sei es für ihn vorteilhaft, von diesen Defiziten abzulenken.

Clinton hingegen versuchte, genau diese Aspekte in den Mittelpunkt zu rücken. Über politische Erfahrung verfügt sie reichlich. Und Sachkompetenz kann sie ebenfalls vorweisen. Sie hat allerdings das Manko, dass sie immer wieder oberlehrerhaft wirkt, wenn sie Sachverhalte erklärt.

Diesen Eindruck konnte sie dieses Mal vermeiden. Sie sei sehr gut vorbereitet gewesen, so Prof. Dr. Brettschneider, und habe oft lebensweltliche Beispiele verwendet. Auch habe sie ihrerseits Trump unter Druck gesetzt. „Das war ein harter Schlagabtausch“, so Prof. Dr. Brettschneider, bei dem sich keiner der beiden Kontrahenten einen wahlentscheidenden Fehler geleistet habe. Beiden sei es gelungen, ihre Anhänger zu überzeugen. Daher könne von einem Unent­schieden die Rede sein. Man könne nun auf die beiden noch folgenden TV-Duelle gespannt sein.


Negative Campaigning in den USA

Zwar würde Trump den persönlichen Angriff auf seine Gegenkandidaten – erst innerparteilich, jetzt gegen Clinton – perfektionieren. Völlig neu ist diese Strategie indes nicht. In den USA artet der Wahlkampf immer wieder in eine Schlammschlacht aus. Negative Campaigning, also negative Wahlkampfführung, basiert auf dem Motto: Angriff ist die beste Verteidigung. Dabei werden nicht die eigenen Stärken in den Vorder­grund gestellt, sondern der Gegner wird diffamiert. Die Angriffe können sich gegen seine programmatischen Positionen richten oder gegen seine Person.

Auf Negative Campaigning greifen vor allem Kandidaten zurück, die in der Wählergunst zurück liegen oder deren Programme umstritten sind. Sie können damit von ungünstigen Themen ablenken und versuchen, den politischen Gegner unter Druck zu setzen. Negative Campaigning kommt auch dann zum Einsatz, wenn ein Kandidat über deutlich weniger Wahlkampfgelder verfügt als sein Kontrahent. Dann soll Negative Campaigning die Aufmerksamkeit der Massenmedien erregen. Denn negative Botschaften werden eher wahrgenommen und länger erinnert als positive Aussagen.

Aber: Negative Campaigning ist eine Gratwanderung. Einerseits schafft diese Taktik öffentliche Aufmerk­samkeit, andererseits können sich die Angriffe gegen den Angreifenden selbst wenden. Solch ein „Back­lash“ ist wahrscheinlich, wenn es sich um massive Angriffe auf die Persönlichkeit eines Kandidaten han­delt. In den TV-Duellen vor acht Jahren verlor McCain immer dann die Zustimmung der Zuschauer, wenn er Obama angegriffen hatte.

In den USA führte Negative Campaigning Ende der 80er Jahre zu heftiger Kritik. Die damals von George Bush Senior gegen den demokratischen Kandidaten Michael Dukakis geführte Schlammschlacht warf ein schlechtes Licht auf die politischen Akteure und das politische System insgesamt. Politikverdrossenheit war die Folge.


Amerikanische Tradition der TV-Duelle

Spannend sei auch die knapp 60-jährige Historie der Fernseh-Zweikämpfe. Für heutige Verhältnisse rührend unprofessionell sei das erste TV-Duell der Geschichte zwischen dem damaligen US-Präsidenten Nixon und seinem Herausforderer Kennedy im Jahre 1960 gewesen, meint Prof. Dr. Brettschneider. Und lässt die Aufzeichnung über den Monitor flimmern. „Sie sehen es deutlich: Nixon kam nach einem anstrengenden Wahlkampftag und von einer Grippe geschwächt völlig verschwitzt und geplättet ins Studio. Kennedy hingegen hatte sich den Tag über frei genommen. Er wirkte entspannt und souverän.“

Ein interessantes Beispiel, das die Macht der Bilder vor Augen führt: „Damals konnten viele Amerikaner das Duell nur übers Radio verfolgen. Im Gegensatz zu den Fernsehzuschauern, die den frisch wirkenden Kennedy eindeutig als Gewinner ansahen, hatte bei den Radiohörern Nixon sogar leicht die Nase vorn.“

Kontakt für Medien:

Prof. Dr. Frank Brettschneider, Fachgebiet Kommunikationswissenschaft, insbes. Kommunikationstheorie,
T 0711/459-24030, E frank.brettschneider@uni-hohenheim.de


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