Biogas in Erdgas-Qualität:
Universität Hohenheim entwickelt neuartiges Verfahren  [13.09.11]

Einspeisung von Biogas wird technisch einfacher und energieeffizienter / Kooperationsprojekt mit DVGW-Forschungsstelle am Engler-Bunte-Institut

Es ist ein völlig neues Verfahren, dass die Universität Hohenheim und DVGW-Forschungsstelle am Engler-Bunte-Institut gemeinsam entwickeln. Ihr Ziel: Biogas in Erdgasqualität, das direkt ins Erdgasnetz eingespeist werden kann. Der Kniff: Die Bakterien, die das Biogas produzieren werden eingespannt, um den Einspeisedruck zu erzeugen. Damit muss das Gas nicht mehr wie bisher nachträglich verdichtet werden. Parallel wird das Gas schon bei der Erzeugung gereinigt. Im nächsten Schritt soll ein Prototyp der neuen Anlage in Hohenheim entstehen – und einen weiteren Baustein im Forschungsschwerpunkt Beiträge der Landwirtschaft zur Energie- und Rohstoffversorgung bilden. Das Bundesministerium für Bildung und Forschung fördert die Hohenheimer Forschung bis Ende 2013 mit 681.000 Euro und macht es damit zu einem der Schwergewichte der Forschung der Universität.

Methangas-Bakterien sind auch bei einem Druck von 10 bar noch bester Laune. Diesen Umstand machen sich jetzt Forscher an der Universität Hohenheim und der DVGW-Forschungsstelle bei der Erzeugung von Biogas in Erdgasqualität zunutze.

Noch wird Biogas als Bioerdgas in Deutschland kaum genutzt. Derzeit sind nur rund 70 Biomethan-Anlagen in Betrieb. Erklärtes Ziel der Bundesregierung ist es, dass bis zum Jahr 2030 etwa 10 Milliarden Kubikmeter Biomethan pro Jahr erzeugt werden. Dafür wären etwa 1.700 Anlagen nötig. Pro Stunde müssten sie jeweils 700 m3 Methan einspeisen.

 

 

Bislang wird Strom erzeugt – die Wärme bleibt meist ungenutzt

Zur Zeit wird der weitaus größte Teil des in Deutschland erzeugten Biogases direkt am Produktionsort in Blockheizkraftwerken verbrannt. Dadurch entstehen Wärme und Elektrizität. Den Strom leiten die Betreiber direkt in das Stromnetz, die anfallende Wärme kann häufig nur teilweise genutzt werden.

Noch ist die Erzeugung von Biomethan nur in sehr großen konventionellen Anlagen rentabel. In diesen wird das erzeugte Biogas von Wasser, Schwefelwasserstoff und Kohlendioxid gereinigt. Um es ins Erdgasnetz einzuspeisen, muss es in einem weiteren Verfahrensschritt mit hohem Energieaufwand verdichtet werden.

 

Methan-Bakterien machen Druck

Mit der tatkräftigen Unterstützung der Methan-Bakterien selbst wird sich dies womöglich bald ändern. Das neuartige Verfahren könnte die Erzeugung und Einspeisung von „Bioerdgas“ entscheidend voranbringen.

Speziell für die Einspeisung in Transportleitungen bei Einspeisedrücken von bis zu 100 bar würde sich das Verfahren anbieten.

 

Deutlich weniger Gasaufbreitung nötig

In den Fermentations-Tanks an der Uni Hohenheim übernehmen diesen Job die Methangas-Bakterien nun selbst. „Druck und Reinheit werden schon während der Fermentation der Biomasse gewährleistet und müssen nicht in nachgeschalteten Verfahren technisch aufwändig erzeugt werden“, erklärt Dr. Andreas Lemmer, der das Forschungsprojekt an der Universität Hohenheim leitet.

Das Herzstück der neuen Methode ist ein völlig neuartiger Fermenter, in dem sich die Methanbakterien besonders wohlfühlen dürften. Die Wohnstube der Bakterien entspricht mit einem Druck von 10 bar ihrem natürlichen Lebensmilieu in der Tiefsee. Der erhöhte Druck führt zu einem natürlichen Wäscheeffekt für Kohlenstoffdioxid.

Zu einer der technischen Herausforderungen des neuen Methanreaktors gehört, den Druck exakt konstant zu halten. Dafür entwickeln die Hohenheimer Forscher eine spezielle Steuerungs- und Regelungstechnik. In einem weiteren Schritt wollen sie einen Prototyp der neuen Anlage bauen.

 

Vielversprechende Modellrechnung am KIT

Während sich die Universität Hohenheim auf die Untersuchungen zur Fermentation konzentriert, ist die DVGW-Forschungsstelle am Engler-Bunte-Institut des Karlsruher Instituts für Technologie (KIT) für die gasseitige Auslegung und Modellierung des Gesamtprozesses zuständig.

Simulationsrechungen an der DVGW-EBI versprechen außerdem deutlich erhöhte Methangehalte im Rohbiogas von bis 80 - 90 Vol.- %.

Durch die nun wegfallende Verdichtung können 5 -15 % der aufzuwendenden Energie für die Aufbereitung eingespart werden. Durch den Wäscheeffekt kann die Aufbereitung insgesamt kleiner ausgelegt werden. Der Gesamtprozess der zweiphasigen Druckfermentation wird bereits in der Entwicklung mit Hilfe von Modellierungstools auf eine möglichst hohe Energieeffizienz und Kostenoptimierung ausgelegt.

 

Biogasforschung mit Tradition

Dass an der Universität Hohenheim ein Kompaktverfahren zur Biomethanherstellung entwickelt wird kommt nicht von ungefähr. Die Erforschung neuer Verfahrenstechniken von Biogasanlagen hat in Hohenheim eine über dreißigjährige Tradition.

Mit rund 500 Fermentern verfügt keine andere Hochschule in Deutschland über so vielfältige Möglichkeiten, das Biogaspotenzial verschiedener Substrate zu analysieren. Und auch was den Expertennachwuchs angeht, ist die Universität gut aufgestellt. Zum Forscher-Team um Andreas Lemmer gehört unter anderem einer der ersten Bachelor-Absolventen des neuen Hohenheimer Studiengangs „Nachwachsende Rohstoffe und Bioenergie“.

 

Branche zeigt Interesse

In der von den Wissenschaftlern neu entwickelten Anlagentechnik sieht Lemmer vor allem auch ein großes wirtschaftliches Potenzial. Ein Patentschutz wurde schon im ersten Jahr beantragt, etliche Firmen zeigen Interesse an dem neuen Verfahren.

„Beim Thema Bioerdgaserzeugung passiert derzeit sehr viel“, sagt Lemmer. Für konventionelle Anlagen beträgt die Lieferzeit bereits ca. ein Jahr – und die nächste Anlagen-Generation auf Basis des Hohenheimer Verfahrens verspricht wirtschaftlich noch attraktiver zu sein.

 

Hintergrund Forschungsprojekt

Die Untersuchungen laufen im Rahmen des BMBF-Verbundvorhabens „B2G – Innovative Erzeugung von gasförmigen Brennstoffen aus Biomasse“, dass bis Ende 2013 mit rund 2,6 Mio. Euro gefördert wird. Davon erhält die Landesanstalt für Agrartechnik und Bioenergie 681.000 Euro. An dem von der DVGW-Forschungsstelle am EBI koordinierten Vorhaben sind insgesamt 9 Partner aus Industrie und Wissenschaft beteiligt. Neben der fermentativen Erzeugung von Biogas steht auch die thermochemische Erzeugung von Methan durch Vergasung mit anschließender Methanisierung im Fokus der Untersuchungen.

 

Hintergrund: Schwergewichte der Forschung

Fast 31 Mio. Euro an Drittmitteln akquirierten Forscher der Universität Hohenheim im vergangenen Jahr. In loser Folge präsentiert die Reihe „Schwergewichte der Forschung“ herausragende Forschungsprojekte mit einem Drittmittelvolumen von mindestens einer viertel Million Euro bzw. 125.000 Euro in den Wirtschafts- und Sozialwissenschaften.

 

Text: Klebs

Kontakt für Medien:

Dr. Andreas Lemmer, Universität Hohenheim, Landesanstalt für Agrartechnik und Bioenergie, Tel.: 0711/459-22684, E-Mail: Andreas.Lemmer@uni-hohenheim.de


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