Preisgekrönte Studie:
Wirtschafts-Berichte können Regierungen stürzen und Rezessionen verstärken  [08.05.09]

Statistisch nachgewiesen: wenn es darum geht, Wirtschaftslage und Zukunftsaussichten zu beurteilen, verlassen sich Arbeitnehmer, Konsumenten und Wahlberichtigte nicht nur auf Eigenbeobachtung, sondern machen einen Teil ihrer Meinungsbildung von Medien abhängig. So können Medienberichte die Bewertung von Regierungen beeinflussen und den Konsum absenken oder stimulieren. Für seine Analyse, wie Medien die Eigenwahrnehmung beeinflussen erhielt Marko Bachl am gestrigen Abend den Preis der Deutschen Marktforschung als „Nachwuchsforscher des Jahres 2009“. Betreut wurde seine Studie als Masterarbeit von Prof. Dr. Scherer am Institut für Journalistik und Kommunikationsforschung der HMT Hannover. Zweitbetreuer war Prof. Dr. Brettschneider am Lehrstuhl für Kommunikationswissenschaft der Universität Hohenheim. Hintergründe zum Preis und eine Kurzfassung der Arbeit unter www.bvm.org

Wie groß die Konsumfreude ausfällt, hängt stark davon ab, wie jeder einzelne seine persönliche Zukunft einschätzt. Wie gut sich eine Regierung in Wirtschaftsfragen positioniert, hängt stark davon ab, wie die Wähler die gesamtwirtschaftliche Lage der vergangenen 12 Monate beurteilen.

Beides sind Bereiche, in denen der Einfluss der Medienberichterstattung besonders hoch ist, wie Nachwuchs-Kommunikationswissenschaftler Bachl in seiner Studie nachweist. Für seine Analyse verglich Bachl Extrakte aus rund zehn Jahren Wirtschaftsberichtserstattung, amtlicher Konjunkturstatistiken und Umfrage-Ergebnisse der EU-Konsumklima-Erhebung. „Nach unserem Kenntnisstand ist dies damit die Untersuchung mit der langfristigsten und breitesten Datengrundlage zum Thema“, erklärt Prof. Dr. Brettschneider, Betreuer der Arbeit an der Universität Hohenheim.

„Konsum kann einbrechen, Regierungen können falsch bewertet werden“

„Kurzfristig sind damit auch extreme Folgen von Wirtschaftsberichten denkbar“, meint Autor Bachl, mittlerweile Mitarbeiter am Lehrstuhl von Prof. Dr. Brettschneider. „Drastische Berichte über eine Rezessionsgefahr könnten die Konsumbereitschaft soweit absenken, dass die Krise selbst verstärkt würde. Negative Wirtschaftsberichte kurz vor einer Wahl könnten dafür sorgen, dass eine Regierung zu Unrecht für ihre scheinbar verfehlte Wirtschaftspolitik abgewählt wird.“

Wie Medien Realitäten durch zu starke Vereinfachung konstruieren, erläutert Bachl an einem Beispiel: „Eins der zentralen Themen der Wirtschaftsberichterstattung sind die Arbeitslosenzahlen, die einen hohen Einfluss darauf haben, wie die gesamtwirtschaftliche Situation beurteilt wird. In der Regel sind die Veränderungen auf dem Arbeitsmarkt jedoch nur eine Folge von vorauslaufenden Prozessen – die längst passé sind, wenn die Bevölkerung Monate später die Arbeitslosenquote nutzt, um sich ein Bild von der wirtschaftlichen Lage zu machen.“

Beruhigend: „Medien werden ihrer Aufgabe gerecht“

Als „beruhigend“ bezeichnet Bachl jedoch zwei weitere Ergebnisse: „Obwohl die Medien in gewissen Grenzen Vorstellungen erzeugen, die von der Realität abweichen, führt der Medieneffekt jedoch nicht zu einem kompletten Realitätsverlust.“

Dies läge auch daran, dass Medien nicht völlig losgelöst von den Konjunkturstatistiken berichteten. „Insgesamt muss man den Medien deshalb bescheinigen, dass Sie ihre Aufgabe recht gut erfüllen, indem sie zentrale wirtschaftliche Informationen verbreiten.“

 

Text: Lembens-Schiel / Klebs

Kontakt für Medien:

Marko Bachl, Universität Hohenheim, Lehrstuhl für Kommunikationswissenschaft
Tel.: 0711 459 22866, E-Mail: marko.bachl@uni-hohenheim.de
Prof. Dr. Frank Brettschneider, Universität Hohenheim, Lehrstuhl für Kommunikationswissenschaft
Tel.: 0711 459- 24030, E-Mail: frank.brettschneider@uni-hohenheim.de


Zurück zu Pressemitteilungen